Interview Wenn es Stress gibt auf der Piste

Was nutzen Anzeigen gegen Raser? Wann darf ich rechts vorbei? Fragen zum Fahren auf der Autobahn an Rolf-Peter Rocke, Verkehrsanwalt und Vorsitzender des ADAC Hansa.

Ist es erlaubt, bei Stau den Standstreifen zu nutzen?

Auf keinen Fall.

Auch nicht bis zur nächsten Ausfahrt?

Nein. Erst innerhalb der so genannten Dickstrich-Linie, das ist die breite Markierung ab der 100-Meter-Bake, darf man in die Ausfahrt einbiegen.

Das gilt immer?

Es gibt zwei Ausnahmen: Wenn Verkehrsschilder die Nutzung des Standstreifens ausdrcklich erlauben oder Polizeibeamte dazu auffordern.

Wer ist eigentlich juristisch betrachtet ein Linksfahrer?

Grundsätzlich jeder, der nach dem Überholen wieder auf den rechten Fahrstreifen wechseln könnte, es aber nicht tut. Dazu muss er aber keinen gefährlichen Haken schlagen und darf andere nicht behindern oder gar gefährden. Er muss erst dann wieder nach rechts, wenn dort vor und hinter ihm der nötige Sicherheitsabstand möglich ist und er anschließend mindestens 20 Sekunden lang mit gleichem Tempo weiterfahren kann.

Halten Sie dies für eine praxisnahe Vorschrift?

Kaum. Denn umgerechnet auf ein mittleres Autobahntempo müsste die Lücke auf dem rechten Fahrstreifen beim Einscheren mindestens um die 200 Meter groß sein. Die wird man kaum finden.

Wann darf man rechts vorbeifahren oder Überholen?

Nur im Kolonnenverkehr, und auch dann nur unter strengen Voraussetzungen. Wenn die Autos auf der linken Spur stehen oder nicht schneller als 60 km/h fahren, darf ich rechts vorbei. Die Geschwindigkeitsdifferenz darf aber höchstens 20 km/h betragen. Das heißt: Schneller als Tempo 80 ist rechts in der Kolonne immer verboten.

Dürfen Motorradfahrer sich zwischen zwei Fahrstreifen mit stehenden Autos "durchmogeln"?

Das ist verbotenes Rechtsüberholen und verstößt gegen Paragraf 5 der Straáenverkehrsordnung.

Kann man sich mit einer Anzeige gegen Raser und Drängler wehren?

Theoretisch ja. Dazu reicht die Fahrt zur nächsten Dienststelle der Autobahnpolizei, wo Sie den Vorfall schildern. Derzeit steigt die Anzeigenflut drastisch. Klingt, als wäre das in der Praxis wenig erfolgreich. Hängt stark vom Einzelfall ab. Auáerdem müssen die Vorwürfe in der Anzeige auch beweisbar sein.

Was tun, wenn ich selbst zu Unrecht angezeigt wurde?

Sofort eine Gegenanzeige wegen falscher Anschuldigung erstatten. Erstens hat die im Verfahren den Vorteil, dass man durch die Gegenanzeige nicht nur als Täter beschuldigt wird, sondern auch Zeuge in eigener Sache ist. Zweitens neigen viele Staatsanwälte bei Gegenanzeigen zur Einstellung des Verfahrens gegen eine Bußgeldzahlung, weil auch aufwendige Ermittlungen oft keine Klarheit bringen.

Wie riskant sind "erzieherische Selbsthilfemaßnahmen" gegen Rowdys, etwa das absichtliche Spurschneiden oder kurzes Ausbremsen?

An so was sollte man nicht mal denken. Abgesehen vom extrem hohen Unfallrisiko für alle Beteiligten, ist das ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr und somit eine Straftat. Dabei drohen nicht nur Punkte in Flensburg, sondern auch hohe Geldstrafen von 20 bis 30 Tagessätzen und in besonderen Fällen sogar Freiheitsstrafen. Auf jeden Fall ist nach einem "Revanche-Foul" die Fahrerlaubnis weg. Die wird nämlich mit sofortiger Wirkung vorläufig entzogen.

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