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Leichtbau "100 Kilogramm kosten etwa 0,3 Liter Sprit"

Nicht nur die Deutschen, auch ihre Autos haben deftig zugenommen. Der Zuwachs geht hauptsächlich auf das Konto des Komforts und nicht auf das der Crashsicherheit, sagt Ulrich Huber von der HAW Hamburg. Die Rolle des Gewichts beim Spritverbrauch hält er für überschätzt.

Gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen Fahrzeuggewicht und Spritverbrauch?

Ja. Die Faustregel ist: Pro 100 Kilogramm Gewicht steigt der Verbrauch um etwa 0,3 Liter. Aber das Gewicht ist nur einer von vielen Faktoren beim Kraftstoffkonsum.

Was sind diese anderen Faktoren?

Das Konzept des Motors spielt eine Rolle, aber auch die Aerodynamik. In einem Versuch hat man zum Beispiel festgestellt, dass der Verzicht auf die Außenspiegel, die quasi als abstehende Ohren im Wind stehen, mehr Ersparnis eingebracht hat als die Einsparung von 100 Kilogramm Gewicht.

Zur Person

Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber lehrt an der HAW Hamburg im Fachbereich Fahrzeug- und Flugzeugbau die Gebiete Faserverbundtechnologie und Leichtbau. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des Crashverhaltens und der Materialmodellierung von Faserverbunden.

Sind unsere Autos in den letzten Jahrzehnten wirklich so viel schwerer geworden?

Ja. Nehmen Sie ein Auto in der Größenordnung eines Audi 100 aus den frühen 80er Jahren, also von 4,80 Metern Länge. Bei gleichen Außenmaßen wiegt ein solches Fahrzeug heute statt rund 1,2 Tonnen mindestens 1,6 Tonnen.

Welchen Anteil hat die Crashsicherheit beim Gewichtszuwachs?

Das Mehrgewicht kommt sicher nicht wesentlich aus der Crashsicherheit. Die Hauptursache für die Zunahme sind die Komfortanforderungen. Elektromotoren für die Fensterheber, Sitze oder Außenspiegel, die verbesserte Dämmung, die Innenraumverkleidung von nackten Blechen. Schauen Sie sich die Sitze in einem aktuellen Fahrzeug an, dagegen wirken Sitze alter Autogenerationen wie Campingstühle. Ein Sekundäreffekt des höheren Gewichts ist dann, dass die Motoren stärker werden müssen. Das erfordert wiederum eine festere Karosserie, und schon dreht sich die Gewichtsspirale nach oben.

Welche Auswirkungen hat das höhere Gewicht bei einem Unfall?

Bei einem Zusammenstoß mit einem leichteren Fahrzeug ist der Fahrer eines schweren Autos im Vorteil. Das ist Physik. Beim Unfall mit einem Baum oder einer Mauer ist ein erhöhtes Gewicht dagegen eher ein Nachteil, weil die Energie, die absorbiert werden muss, höher ist. Eigentlich muss hier das Bestreben sein, das Gewicht zu verringern.

Sind die puren Karosserien heute schwerer als früher?

Nein, selbst Stahlkarosserien sind tendenziell leichter geworden.

Und können konventionelle Stahlkarosserien noch leichter werden?

In der Mittelklasse wiegt eine Rohkarosse etwa 400 Kilogramm. Daran sehen Sie, welchen geringen Anteil die Karosserie am Gesamtgewicht hat. Durch hochfeste Stähle und andere Maßnahmen ist da sicher noch etwas Ersparnis drin, für die Reduzierung der Gesamtmasse sind aber andere Maßnahmen als die Reduktion des puren Karosseriegewichts notwendig.

Zur Zukunft der Mobilität: Was muss ein kleines, elektrisches Cityauto wiegen, damit es crashsicher ist?

Auch hier gilt, dass das Gewicht nicht von der Crashsicherheit bestimmt wird. Ein leichtes Auto ist zwar beim Aufprall auf schwerere im Nachteil, kann aber trotzdem sicher sein. Eine Art Mindestgewicht gibt es nicht. Und extrem leicht würde ein Cityauto wegen des allgemeinen Komfortanspruchs ohnehin nicht werden.

Es gibt Vollaluminiumkarosserien, Magnesiumteile und Karbonelemente. Rentiert sich der Einsatz von so teuren Materialien?

Leichtbau bedeutet nicht nur Gewichts-, sondern auch Kostenreduzierung. Und Leichtbau ist nicht nur der Einsatz plakativer High-Tech-Materialien á la Formel 1. Das Sparen beginnt im konventionellen Einzelteil. Wer es schafft, dort das Gewicht zu reduzieren und dabei sogar Geld zu sparen, hat den Gewinn.

Was ist mit der Energiebilanz von High-Tech-Materialien?

Eine genaue Antwort kann ich hier nicht geben, weil die Hersteller aller Materialien, egal ob Aluminium, Stahl oder Kunststoff, ihre eigenen Interessen verfolgen und immer Energiebilanzen vorlegen, die ihre eigene Sicht darstellen. Eine exakte Untersuchung ist kaum möglich.

Wie kann man dann überhaupt noch Gewicht sparen?

Die entscheidende Frage ist, worauf der Kunde zu verzichten bereit ist. Der Komfort treibt das Gewicht und damit den Verbrauch. Das von Volkswagen geplante 1-Liter Auto müsste sicher unter 600 Kilogramm liegen, und das wird nicht ohne Einschränkungen gehen.

Wird das Gewicht als Faktor beim Spritverbrauch überschätzt?

Teils, teils. Während der Konstantfahrt auf der Autobahn zum Beispiel ist es fast irrelevant. Da sind die Aerodynamik, die Effizienz des Motors und der Rollwiderstand der Reifen viel wichtiger. Nur bei der Beschleunigung, im Stadtverkehr und bei Bergauffahrt kommt das Gewicht zum tragen. Bei einem verbrauchsgünstigen Auto müssen am Ende alle diese Faktoren optimal kombiniert sein.

Interview: Christoph M. Schwarzer

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