Aktuelle Untersuchung TÜV: Jede fünfte Tankstelle in Deutschland hat "erhebliche Mängel" – was die Betreiber dazu sagen

Eine Frau tankt ein Auto an einer Tankstelle
Hunderte Tankstellen in Deutschland haben laut dem TÜV "erhebliche Mängel" (Symbolbild)
© imagebroker / Imago Images
Tankstellen müssen strenge Vorschriften einhalten, um mögliche Gefahren zu vermeiden. Laut dem TÜV weist dennoch jede fünfte Tankstelle in Deutschland "erhebliche Mängel" auf. Was die Betreiber dazu sagen.

Prüfungen von 3.530 Tankstellen in Deutschland im vergangenen Jahr haben ergeben, dass 21,1 Prozent davon "erhebliche Mängel" aufweisen – so geht es aus dem aktuellen "Anlagensicherheitsreport 2023" des TÜV hervor. Bis zur nächsten Prüfung könnte damit dem Technischen Überwachungsverein zufolge eine Gefahr bestehen – "etwa durch einen rostenden Tank oder alte Elektroleitungen von Sicherheitseinrichtungen, die ausgetauscht werden müssen". In 31,6 Prozent der Fällen wiesen die Prüfer der zugelassenen Überwachungsstellen, neben dem TÜV unter anderem auch von der Dekra und der Gesellschaft für Technische Überwachung, "geringfügige Mängel" wie fehlende Gerätekennzeichnungen oder Dokumentationen nach. Knapp die Hälfte der Tankstellen waren hingegen ohne Mängel.

Welche Tankstellen konkret Mängel aufwiesen, lässt der TÜV-Report offen. Allerdings habe es 2022 mehr Mängel gegeben als in den vergangenen fünf Jahren. 2021 wiesen demnach 18,7 Prozent der geprüften Tankstellen "erhebliche Mängel" auf, 2020 waren es 20,6 Prozent und ein Jahr zuvor 18,2 Prozent.

Indes gab es bei wiederkehrenden Prüfungen im vergangenen Jahr einen kleinen Rückgang in der Anzahl jener Tankstellen mit "erheblichen Mängeln": von zuletzt 20,1 Prozent zu 21,4 Prozent in 2021 und 21,1 Prozent in 2020. Im Jahr 2018 lag der Wert noch bei 17,6 Prozent. 

Tankstellenbetreiber sprechen von geringer Anzahl an Mängeln

Auf Nachfrage des stern bei den großen Tankstellenbetreibern in Deutschland hieß es, dass die entsprechenden Tankstellen eher nicht von Mängeln betroffen seien. Pressesprecher Oliver Dupke der Marke Jet gab bekannt: "Im vergangenen Jahr wurden bei den gesetzlich vorgeschriebenen Überprüfungen von Jet Tankstellen in weniger als sieben Prozent der Fälle (vier Tankstellen) 'erhebliche Mängel' festgestellt. Diese Mängel waren unterschiedlicher Natur, jedoch ging von keinem dieser Mängel eine akute Gefährdung aus." Die schnelle Behebung solcher technischer Mängel zähle ebenfalls zu den Standards des Betreibers, der über 800 Tankstellen in Deutschland führt.

Ein Sprecher der Marke Esso, welches bundesweit circa 950 Tankstellen betreibt, gab zu: "Bei dieser Anzahl an Stationen sind Mängel leider auch bei uns nicht grundsätzlich auszuschließen. Soweit denn Mängel jedoch auftreten, unterscheiden sie sich nicht von denen der anderen Marktteilnehmer." Pressesprecher Daniel Kaddik vom Bundesverband freier Tankstellen (bft) erklärte die Gründe für auftretende Mängel so: "Nach Rücksprache mit den Mitgliedern führen oftmals bürokratische Hürden oder mangelnde Auszeichnungen zu besagten Mängeln."

Alexander von Gersdorff, Pressesprecher vom Wirtschaftsverband Fuels und Energie en2x, dem unter anderem die Tankstellenbetreiber Aral, Shell, TotalEnergies, Esso, Jet und Orlen/Star angehören, teilte mit: "Die großen Markenanbieter führen regelmäßig eigene Prüfprozesse durch, um mögliche Missstände frühzeitig zu erkennen und zu beheben. Wir gehen daher davon aus, dass die Markentankstellen von Mängeln eher unterdurchschnittlich betroffen sind."

Tankstellen sind laut TÜV-Experte grundsätzlich gut geschützt

Tankstellen lagern große Mengen Kraftstoff und müssen deshalb strenge Vorschriften einhalten. Vorgeschrieben ist zum Beispiel, dass Zapfpistolen eine Abschaltfunktion besitzen, um ein Überlaufen des Fahrzeugtanks zu verhindern. Gasrückführsysteme sind ebenfalls Pflicht, um ein Einatmen der Gase beim Tanken zu vermeiden. Zudem müssen Benzin, Diesel, Gas oder auch Wasserstoff ausreichend geschützt sein. 

Hermann Dinkler, Experte für Brand- und Explosionsschutz beim TÜV-Verband, erklärt in einer Pressemitteilung: "Für Tankstellen mit Benzin und Diesel geht noch am ehesten eine Gefahr von heranrasenden Autos aus, die unkontrolliert in die Zapfsäulen einer Tankstelle krachen könnten." Denn in Deutschland sind demnach über 99 Prozent der Benzin- und Dieseltanks unter der Erde installiert. Für einen Brand oder eine Explosion fehle hier der nötige Sauerstoff. Rammt ein Fahrzeug also eine Zapfsäule, werde automatisch die Verbindung zum Erdtank unterbrochen. Dadurch könnten sich kleine Mengen Benzin oder Diesel in der Zapfsäule oder an der Tankstelle entzünden.

Gastanks sind hingegen oberhalb der Erde verbaut. Doch auch in dem Fall bestehe nur dann Brand- oder Explosionsgefahr, wenn austretendes Gas mit einem Zündfunken in Berührung komme, so Dinkler. Als Schutz vor einem Zusammenstoß eines herannahenden Fahrzeugs mit einer Gas-Zapfsäule dienen Stahlriegel oder Betonpoller. Bei Gastankstellen ergaben die Prüfungen im vergangenen Jahr in 12,6 Prozent der Fälle "erhebliche Mängel". 0,1 Prozent hatten sogar "gefährliche Mängel". Weitere 29,6 Prozent wurden mit "geringfügigen Mängeln" bewertet.

Bei den bundesweit rund 100 Wasserstofftankstellen gilt zu beachten, dass Wasserstoff unter hohem Druck gelagert wird und explosiv ist. Deshalb muss der Kraftstoff an den Tankstellen entsprechend geschützt werden. Es darf nicht zu Lecks in Tank oder Leitungen kommen. Ein Wasserstofftank muss alle drei und sechs Jahre auf ein Explosionsrisiko untersucht werden. Bei Druckanlagen sind Untersuchungen alle zwei, fünf und zehn Jahre vorgeschrieben. Außerdem müssen Tankstellenbetreiber jedes Jahr Schläuche und Verbindungen auf Dichtheit überprüfen. Dinkler gibt jedoch Entwarnung: "Die Technik im Umgang mit Wasserstoff ist in der Industrie altbewährt. Deshalb droht auch an Wasserstofftankstellen kaum Gefahr." 

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Tankstellen werden regelmäßig überprüft

Grundsätzlich geht von Tankstellen offenbar also keine akute Gefahr aus. Auch etwa eine Explosion sei laut Dinkler "höchst unwahrscheinlich". Zumal Tankstellen regelmäßig durch eine Zugelassene Überwachungsstelle überprüft werden müssen. Alle sechs Jahre muss eine Gesamtprüfung erfolgen, bei einzelnen Anlagen erfolgt hingegen häufiger eine Prüfung. Zapfsäulen beispielsweise werden alle drei Jahre geprüft. Wird ein Mangel festgestellt, müssen Betreiber diesen umgehend, spätestens innerhalb eines Jahres beseitigen.

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