Elektroantrieb Schöner Schlitten mit Stecker - Porsche pumpt eine Milliarde Euro in den E-Sportwagen

Von Thomas Ammann
Porsche Mission E
Der Porsche-Chef Matthias Müller schält sich aus dem Mission E - einem Porsche mit Elektroantrieb.
© Fredrik Von Erichsen/picture alliance / dpa
Porsche investiert eine Milliarde Euro in in die Zukunft – am Stammsitz in Stuttgart entsteht eine riesige Fabrik für E-Autos.

Die Aussicht aus seinem Bürofenster begeistert Albrecht Reimold, Produktionsvorstand bei Porsche, immer wieder. "Die Bagger stehen kaum noch still", sagt er. Als ob sie einer ausgeklügelten Choreografie folgten, bewegen sich die schweren Maschinen Tag und Nacht in einer riesigen Baugrube vor Reimolds Dienstsitz in Stuttgart-Zuffenhausen. Alles ist getaktet: Was die Baggerschaufeln abräumen, wird auf die bereitstehenden Lkws gekippt, während diese abfahren, rücken die nächsten heran. So wird Platz geschaffen für eine der vier gigantischen Hallen, an denen hier seit Anfang dieses Jahres gebaut wird.
Es ist das ehrgeizigste und wohl riskanteste Projekt, das der Sportwagenbauer je in Angriff nahm: Bis 2020 soll am Stammsitz des Unternehmens ein komplett neues Werk entstehen, in dem Elektro-Porsches gebaut werden, eine "Fabrik innerhalb der Fabrik". Rund eine Milliarde Euro investiert das Unternehmen in die Umstrukturierung.

Porsche verkauft so viele Auto wie noch nie

Albrecht Reimold verantwortet das Mammutprojekt. Er nennt es "eine Operation am offenen Herzen". Denn das alles geschieht, während die Produktion in den voll ausgelasteten Werkshallen weiterläuft. Derzeit verlassen täglich rund 240 Sportwagen die Linien, da kann man keine Störung brauchen.
Porsche verkauft in diesem Jahr so viele Autos wie nie: im ersten Halbjahr 2017 rund 126.000, eine neuerliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr um sieben Prozent.
Trotz dieses Erfolgs kann und soll in Stuttgart nichts so bleiben, wie es war: Um den Abgründen des Dieselskandals zu entfliehen, präsentieren sich die deutschen Autohersteller dieser Tage gern besonders umweltbewusst. Porsche preschte jetzt vor und kündigte beim neuen Cayenne bereits den Abschied vom Dieselmotor an. Der Traditionshersteller bricht auf ins Elektrozeitalter. Das Neubauprojekt rund um das alte Backsteingebäude in Zuffenhausen, in dem noch Patriarch Ferdinand Porscheresidierte, ist das Basislager für diesen Aufbruch – in eine Zukunft ohne Motorenlärm und Abgase.

Mission E : So stellt sich Porsche die Zukunft vor

Wie sich Porsche die vorstellt, zeigt der Prototyp Mission E, ein viertüriges, elektrisch betriebenes Coupé mit 600 PS. Bereits 2019 soll die Serienfertigung beginnen, weitere E-Modelle werden folgen. Sie brauchen keine komplizierten Verbrennungsmotoren mehr, wie man sie bislang bei Porsche mit Hingabe baute, keine Abgassysteme oder herkömmlichen Achsen, auch die traditionellen Karosseriestrukturen haben ausgedient.
Die neue Technik erfordert völlig neue Produktionsmethoden, und Porsche nutzt die Chance, sämtliche Abläufe zu optimieren – bei den Motoren- und Fahrwerkskomponenten, im Karosseriebau, der Lackiererei und der Montage. "Hier entsteht die Porsche-Produktion 4.0", sagt Reimold. Dabei geht es ihm nicht nur um führerlose Transportsysteme und intelligente Maschinen in den Werkshallen, sondern auch um eine "ständig verbesserte Umweltbilanz der Produkte", also der bislang nicht als Ökomobil bekannten Luxusgefährte.
Die fürs Werk nötige Energie soll möglichst nachhaltig erzeugt werden, deshalb will Porsche etwa das Stammwerk in Zuffenhausen auf Biofernwärme umstellen. Überhaupt legt Reimold Wert auf eine "saubere Logistik rund ums Werk". Das ist wörtlich gemeint. Schon während der Bauphase wird den Anwohnern rund um das Fabrikgelände einiges an Lärm, Dreck und Verkehr zugemutet. Deshalb stehe man "mit den Nachbarn in ständiger Kommunikation", betont Reimold, und werde die Werksumgebung durch "naturnahe Bepflanzung" verschönern.

Porsche wächst unaufhaltsam

Aus dem einstigen Arbeiterquartier Zuffenhausen ist längst Porschehausen geworden. In den vergangenen 70 Jahren wuchs der Sportwagenbauer unaufhaltsam und kaufte vermutlich jedes erhältliche Stückchen Grund rund um den Traditionssitz. Nur so lassen sich die ausgedehnten Neubaupläne überhaupt verwirklichen. Ein Umzug in ein anonymes Industriegebiet außerhalb der Stadt wäre einfacher und günstiger gewesen, schied aber aus. "Wir bleiben eng mit Zuffenhausen verbunden", erklärt Reimold, "das ist in den Porsche-Genen."
Mit den Beschäftigten wurde ein Standortvertrag geschlossen: Sämtliche Mitarbeiter, auch der Vorstand, leisten durch Gehaltsverzicht einen "Zukunftsbeitrag" für die Investitionen ins neue Werk. Im Gegenzug sollen 1000 bis 1200 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen.

Porsche 911 mit Hybrid-Antrieb

Bleibt die Frage, wie die Kunden auf die Porsche-Revolution reagieren werden. Reimold ist optimistisch. "Der globale Markt", sagt er, "ist gegenüber der Elektromobilität positiv eingestellt." Nicht zuletzt die Abgasaffäre dürfte auch bei den Porsche-Fahrern das Umdenken beschleunigt haben. Bislang reagierten sie schon auf geringste Innovationen hochgradig irritiert, so als vor rund zwanzig Jahren die Motoren des 911 von antiquierter Luft- auf Wasserkühlung umgestellt wurden und damit ihr heiseres Bellen verloren, das die Fans so liebten.

Die nächste Generation des 911 soll in absehbarer Zeit mit Hybridantrieb, also teilweise elektrisch fahren. Wenn die Gemeinde diesen Kulturbruch akzeptiert, kann mit der Operation Zukunft nicht mehr viel schiefgehen.

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Der Trabant als Zukunftsauto