Die Katastrophe ist da. Fast alle deutschen Autohersteller müssen kurzfristig ihre Bänder anhalten. Mit bösen Folgen. Denn an der Schlüsselindustrie Nummer 1 hängen Arbeitsplätze von Menschen, die jetzt vor allem eines bekommen: Angst um ihr Geld. Ursache ist die Finanzkrise, Wirkung ist eine dicke Nachfrageschwäche in den Autohäusern. Eine Not, die gewiefte Kunden ausnutzen können. Nie war es so leicht wie heute, einen Nachlass auf den schicken Neuwagen zu kommen.
Obwohl der Fahrzeugbestand mit durchschnittlich über acht Jahren als veraltet gilt und es immer noch viele Bundesbürger gibt, die Geld für ein neue Auto auf der hohen Kante haben, zögern sie. Auch, weil Bundeskanzlerin Merkel ein Konjunkturprogramm für sparsame Autos angedacht hat. Allein mit dieser Ankündigung dürfte sie der Autoindustrie einen Bärendienst erwiesen haben: Wer schon fast soweit war, sich einen Neuwagen zuzulegen, könnte jetzt wieder auf einen Tausender vom Staat hoffen und abwarten. Der alte Wagen fährt ja noch.
Hersteller gut aufgestellt
Dabei gibt es viele attraktive Brot- und Butter-Autos, die neu am Markt sind. Eine spezielle Ökoversion ist fast immer dabei. Beim Ford Fiesta. Beim Golf. Bei der Mercedes C-Klasse. Eigentlich sind die Hersteller gut aufgestellt. Es fehlt der mutige Kunde: So schnell gibt es so junge Konstruktionen mit so viel Rabatt nicht wieder. Beim qualitativ erstklassigen Golf etwa wird bereits von zweistelligen Nachlässen geredet. Experten sprechen bereits von einem Durchschnittsrabatt von 20 Prozent innerhalb der nächsten drei Monate. Und bei denen, die ohnehin immer im Preis runtergehen – Citroen ist ein gutes Beispiel – dürfte noch mehr rauszuholen sein.
Spannend sind diese Angebote aber nur für die, bei denen das Geld quasi rumliegt und in Gefahr ist, weniger wert zu werden. Für alle, die auf Pump kaufen müssen oder deren Einkommen unsicher ist, sieht das anders aus. Das Risiko, sich in Zeiten mangelnden Kreditvertrauens bei möglicherweise überhöhten Zinsen zu verschulden, mag zu Recht keiner tragen. Da werden auch die diskutierten billigen Staatskredite für verbrauchsarme Autos nichts ändern.
Super-sauer auf den Staat
Auf die Regierung sind Hersteller und Händler super-sauer. Stichwort: Umstellung der Kfz-Steuer. Sie sollte nicht nur von den Ländern auf den Bund umgelegt werden. Im so genannten "Integrierten Klima- und Energieprogramm" (IKEP) von Meseberg aus dem Dezember 2007 war auch die Berechnung auf Basis von Kohlendioxid und damit des Normverbrauchs vorgesehen. Mit der Ankündigung, dass alle, die in diesem Jahr kaufen, später auswählen können, ob sie wie bisher nach Hubraum oder wie geplant nach CO2 besteuert werden wollten. stern.de berichtete darüber. Und gerade Flottenmanager schauten in der Folge viel genauer als vorher auf die Verbrauchswerte.
Passiert ist gar nichts. Fehlende Rahmenbedingungen vom Staat sind der Horror für jeden Autoverkäufer. Da kündigt Volkswagen einen Golf mit 3,8 Litern Verbrauch und 99 Gramm CO2-Ausstoß an. Aber wie soll sich der rechnen, wenn der Staat weiter nach Hubraum besteuert? Dass angesichts des beginnenden Wahlkampfes dieses Jahr noch eine Entscheidung fällt, ist unwahrscheinlich. Und dass es nach der Wahl im Herbst 2009 sofort zum Beschluss für 2010 kommt, ebenfalls. Die Industrie und deren Verband VDA fluchen, und das Statement von Frau Merkel, dass sparsame Autos gefördert werden sollen, darf angesichts des Meseberg-Beschlusses vom letzten Dezember getrost als Verarsche bezeichnet werden. Was immer man von der CO2-Steuer halten mag: Das alte Vorhaben jetzt als "Konjunkturprogramm" verkaufen zu wollen, ist schlicht lächerlich.
Die Zeche zahlen alle
Einen Gewinn aus der aktuellen Krise am Automarkt haben also die, welche ein altes Auto und Bargeld haben. Sie kriegen Top-Neuwagen zu guten Preisen, und wenn sie wollen, sind die sogar sparsam. Für sie gilt: Jetzt! Kaufen! Für alle anderen wird weiter die Vorsicht die Mutter der Porzellankiste sein. Schau mal, mein 96er Audi Avant TDI fährt immer noch. Mit fünf Litern Diesel. Und der alte Corsa weigert sich konstant, Rost anzusetzen.
Ein T-Shirt mit der Aufschrift "Konjunktur-Retter" dürfen sich potenzielle Neuwagenkäufer trotzdem nur eingeschränkt überziehen. Die deutsche Autoindustrie ist extrem exportabhängig. Und da ist eben die Weltnachfrage verantwortlich für die Bandarbeiter zwischen Emden und Dingolfing und Rüsselsheim.