London Der Doppeldeckerbus wird 50

Er ist rot, hat zwei Etagen und eine Einstiegs-Plattform. Mittlerweile ist er außerdem etwas wacklig auf den Rädern, klappert und rattert, aber nach einem halben Jahrhundert im Dienst ist das wohl entschuldbar.

Der rote Doppeldeckerbus, von Londonern und Touristen gleichermaßen geliebt, feiert in diesem Jahr sein 50- jähriges Jubiläum. "Die Busse sind großartige alte Vehikel", sagt Peter Hendy, Bus-Chef der Londoner Transportgesellschaft. "Das Design hat definitiv Kultstatus. Auf den Straßen findet man sonst nichts mehr, das vor 50 Jahren entworfen wurde."

Ein- und Ausstieg auch an der Ampel

Der Routemaster, so die offizielle Bezeichnung für das Londoner Wahrzeichen, ist eigens für die britische Hauptstadt gebaut worden. "Wir wussten, was wir für London wollten", sagt Colin Curtis (78), einer der Designer der Doppeldecker. Im Oktober 1954 wurde der erste Prototyp vorgestellt. Die offene Plattform zum Ein- und Ausstieg auch an der Ampel oder im Stau scheint optimal für hektische Londoner, die nicht auf Bushhaltestellen angewiesen sein wollen. Außerdem bewegen sich die Doppeldecker wesentlich schneller durch die britische Hauptstadt: Schließlich muss der Fahrer an Haltestellen nicht stehen bleiben, um zu kassieren. Dafür ist der Schaffner zuständig.

Moderne Alu- Karosserie

Schaffner ist Heribert "Harry" Graat seit 14 Jahren. Der 62- jährige Mönchengladbacher fährt jeden Tag auf seiner persönlichen Route, der Nummer 36, quer durch London und kassiert ein Pfund von Passagieren. Seiner Meinung nach halten sich die Doppeldecker prächtig: "Pannen sind erstaunlich selten", erzählt Harry, der seinen deutschen Vornamen seit seinem Umzug nach Großbritannien 1967 abgelegt hat. "Nur hin und wieder bleiben sie ohne Sprit liegen." Inmitten der Kargheit der Nachkriegsjahre waren die Doppeldecker geradezu luxuriös: Schon sehr früh waren sie mit leichten Alu- Karosserien ausgestattet, und außerdem gehörten sie zu den wenigen Fahrzeugen mit Heizung.

Pensionierung steht bevor

Doch trotz aller Sympathie steht die Pensionierung der altgedienten Fahrzeuge bevor. Für Senioren und Behinderte ist die offene Plattform zum Auf- und Abspringen oft ein unüberwindbares Hindernis. Dass sie gefährlich ist, belegt die Unfallstatistik. Außerdem haben die Routemaster weniger Platz als moderne Busse: "Zur Rush Hour sind sie völlig überfüllt und müssen an manchen Haltestellen einfach vorbeifahren", sagt Harry. Bis Ende 2005 werden laut Londoner Transportgesellschaft alle Routemaster durch moderne Doppeldecker und einstöckige Gelenkbusse aus Deutschland ersetzt. Denen begegnet man schon jetzt immer häufiger auf Londons Straßen. Gelitten ist der moderne Ersatz zwar inzwischen, geliebt wie der rote Klassiker werden die neuen Busse aber wohl nie.

Liebhaber aus aller Welt

Um die ausgedienten Doppeldecker reißen sich Liebhaber aus aller Welt. Hermann Herfurtner aus Düsseldorf hat vor zehn Jahren einen Routemaster für damals 11 000 Mark ergattert. Mittlerweile betrage der Preis ein Vielfaches, sagt er. Herfurtner setzt seinen Bus für Werbezwecke, auf Hochzeiten oder für VIP-Partys auf dem europäischen Festland ein. Nur für Reparaturarbeiten muss er den Bus zurück in dessen alte Heimat fahren. Deutsche Automechaniker trauen sich an das britische Innenleben nicht heran.

Von Laura Sunder-Plassmann, DPA