Trabant-Geburtstag Karriere einer "Gehhilfe"

Wenn mit viel Liebe gewienert wird, strahlt die Plaste
Wenn mit viel Liebe gewienert wird, strahlt die Plaste
© Petar Petrov/AP
60 Jahre Trabant, das ärmste Schwein unter den Autos meldet sich mit einem energischen Dada-däng, dada-däng zu Wort. Harald Kaiser hat hingehört und mitgeschrieben.

Alle nennen mich Trabi. Wahrscheinlich, weil ich so niedlich bin. Die ersten Jahre fand ich es gemein, wenn mich jemand so rief. Das klang nach Beiboot eines großen Schlittens. Oder so, als sei ich während eines Sommers mit Affenhitze eingelaufen. Inzwischen habe ich mich an den Kosenamen zwar gewöhnt, finde ihn aber immer noch blöd. Ich bin doch kein Teenie mehr.

Geboren wurde ich vor 50 Jahren in Zwickau, am 7. November 1957. Damals war ich noch ein Prototyp und hieß "P50". Das ist aber ewig her. Groß geworden bin ich mit dem Namen Trabant 601. So möchte ich genannt werden, denn ich bin nach wie vor ein vollwertiges Auto. Es war ein großer Moment, als ich auf die Welt kam. Meine Eltern, die VEB Sachsenring Automobilwerke Zwickau und das Politbüro der DDR, waren mächtig stolz auf mich, hatte man mit mir doch endlich auch einen Volkswagen für die sozialistischen Werktätigen. Etwa 2,5 Millionen Brüder rollten bis zur Produktionseinstellung vom Band.

Ich weiß, die Wessis lachen noch immer über mich, weil ich mit 26 PS und 594,5 Kubik-zentimetern Hubraum ziemlich schwach auf der Brust bin. Ganz zu Anfang waren es sogar nur 18 PS. Ich habe also zugelegt. 100 Sachen schaffe ich immer noch. Vollbesetzt mit vier Leuten, Gepäck – und einigen Kilometern Anlauf. Ich bin also keine "Gehhilfe", wie ich noch heute gern verspottet werde. Sicher, es ist eng. Doch dass ich das leiseste Auto der Welt sein soll, weil man so komisch sitzt, dass man sich beim Fahren mit den Knien die Ohren zuhalten muss, finde ich unerhört. Die Wessis sagen das ja nur, um mit angeblich tolleren Kisten anzugeben.

Janz weit vorn!

Unsere Leute waren damals froh, dass ich über die unebenen Pflasterstraßen hoppelte, sonst hätten die nämlich weiter mit dem Fahrrad fahren müssen. Ich bin stolz auch mich, schließlich ähnele ich doch dem berühmten VW Käfer. Der war auch laut, eng, unpraktisch und hatte mit 30 PS zu Anfang auch nicht viel mehr Muckis als ich.

Von Geburt an habe ich Frontantrieb. Dass so etwas insbesondere im Winter große Vorteile hat, weil man nämlich im Schnee besser vorankommt, wussten meine Eltern von Anfang an. Die schlauen Wessis haben das erst viel später begriffen und lange Heckmotorautos gebaut, die bei Schnee mit durchdrehenden Hinterrädern für unfreiwillige Pirouetten sorgten. Ich weiß, meine Heizung taugt nichts. Seit 50 Jahren bringt es mehr, wenn sich meine Insassen warme Gedanken machen. Ich habe aber auch einen Vorteil bei der Montage mitbekommen: Ich roste nicht. Meine Karosserie besteht aus Duroplast, eine Mischung aus Baumwollfasern und Phenolharz. Die daraus erzeugten Karosserieteile führten schnell zu einem Witz, über den ich noch nie lachen konnte: Wieviel Menschen braucht man, um einen Trabi herzustellen? Zwei, einen zum Falten, einen zum Kleben. Ich kann nur sagen: Während bei den Wessis der Käfer und andere Vehikel mitunter schon in den Prospekten rosteten, haben viele meiner Brüder rostfreie Jahrzehnte auf dem Plastikbuckel.

Neumodischen Firlefanz kenne ich nicht. Bis auf ein paar Mehr-PS hat sich seit meinen ersten Tagen nicht viel geändert. Eine große Verbesserung kam im Oktober 1983, damals spendierte man mir eine Zwölf-Volt-Anlage. Die hat mich stärker gemacht. Mit der alten Sechs-Volt-Anlage kam ich im Winter mitunter nicht in die Gänge. Die Fahrer orgelten und orgelten, doch bei strengen Minustemperaturen sprang mein Zweitaktherz oft nicht an. Das wurde mit der neuen Anlage anders.

Schleimiger Trunk

Mein Lebenselixier ist nicht einfach Benzin, sondern ein Gemisch aus Benzin und Öl. Was mich angeblich zum Stinker macht. Denn das, was hinten rauskommt, riecht nicht nur nach Frittenbude und verbranntem Gummi, sondern verpestet angeblich auch noch die Umwelt. Die Ökofundis sprechen von unverbrannten Kohlenwasserstoffen und so’m Zeugs. Keine Ahnung, was das ist. Auch wenn es Euch nicht passt und ihr die Protzkisten von Mercedes, BMW oder Porsche für bedeutender haltet, nicht irgendein Modell von denen, sondern ich bin die Nummer eins der Welt. Jetzt mit 50 mehr denn je. Denn mir, dem klitzekleinen Trabi, wird keiner mehr das nachmachen, was ich geschafft habe, als im November 1989 die Mauer zu Westdeutschland niedergerissen wurde: Mit mir hat sich ein ganzes Volk auf den Weg in die Freiheit gemacht.