Amerika ist Volkswagen-Land, daran hat Stefan Jacoby keine Zweifel. "Ich habe noch keinen Amerikaner getroffen, der nicht eine Geschichte von Volkswagen, vom Beetle oder auch vom Microbus zu erzählen hatte", sagt der Manager aus Wolfsburg im Gespräch mit stern.de am Rande der LA Auto Show. "Volkswagen ist Teil der amerikanischen Kultur. Wir können darauf stolz sein." In Verkaufszahlen schlägt sich diese Zuneigung allerdings weniger nieder - deshalb sitzt Jacoby seit September als neuer Nordamerika-Chef in der US-Zentrale bei Detroit. Der 49-Jährige soll schaffen, was einer Reihe von Vorgängern nicht gelungen ist: VW zwischen Florida und Kalifornien wieder so erfolgreich zu machen wie zu besten Zeiten.
Das ehrgeizige Ziel, das die Wolfsburger Zentrale Jacoby vorgegeben hat: Er soll den Absatz über die nächsten zehn Jahre mehr als verdreifachen. 800.000 Volkswagen sollen bis 2018 jährlich in den USA verkauft werden, dazu noch einmal 200.000 Audis. Derzeit kommt VW in den Vereinigten Staaten auf einen Marktanteil von lediglich 1,5 Prozent. Ende der 90er-Jahre, zu Hochzeiten des "New Beetle"-Booms, lag die Marke deutlich darüber und fuhr kräftig Gewinne ein. Doch dann drehte sich der Wind, die US-Wirtschaft rutschte in die Krise, und die Wolfsburger fingen an, in Nordamerika rote Zahlen zu schreiben: In den vergangenen fünf Jahren häuften sich gut 2,5 Milliarden Euro Verlust an.
Eigene Produktion
Ein Teil davon geht auf das Konto des starken Euro, der es für europäische Firmen teurer macht, ihre Produkte in den USA anzubieten. VW-Konkurrenten wie BMW, Mercedes und Toyota schützen sich gegen Wechselkursschwankungen mit eigenen Werken in den USA - diesen Schritt erwägen nun auch die Wolfsburger: "Wir überlegen, lokal hier in Amerika zu produzieren, um unabhängiger zu werden vom Wechselkurs", erklärt Jacoby (siehe Video). Mit einem Anteil von 12,4 Prozent am Konzernumsatz ist Nordamerika für VW der wichtigste Auslandsmarkt. Doch ohne Autos, die besser den Geschmack der Käufer treffen, würde auch eine US-Fabrik wenig helfen. "Es hakt an vielen kleinen Dingen", räumt Jacoby ein. "Unseren Produkten fehlt das spezifisch Amerikanische." Komfort und Design-Details wie Becherhalter, die in den USA ganz groß geschrieben werden, sollen künftig über Tempo und PS-Profilierung gehen. Manche Einfälle Wolfsburger Ingenieure seien jenseits des Atlantiks auch vollkommen entbehrlich, erklärte VW-Chef Martin Winterkorn unlängst im Gespräch mit dem "Wall Street Journal": "Wir haben zu viele technische Ausstattungsmerkmale eingebaut, für die amerikanische Kunden nicht bereit sind zu zahlen." Als Beispiel nannte er Außenspiegel, die sich in engen Gassen wegklappen lassen, damit sie nicht beschädigt werden. "Wer braucht das in den USA? Die Straßen sind so breit."
Billiger und Sparsam
Künftige Golf-, Jetta- und Passat-Modelle könnten durch eine Entschlackungskur spürbar billiger werden. Außerdem hofft VW angesichts von Rekord-Benzinpreisen auf einen grünen Boom auch in Amerika. Saubere Turbodiesel mit Direkteinspritzung sollen US-Kunden locken, die Geld sparen und zugleich die Umwelt schonen wollen. Jacoby gibt sich zuversichtlich, dass "Clean Diesel" im Land der grenzenlosen Highways eine Chance hat, auch wenn Amerikaner bei ökofreundlichem Fahren bisher eher an Hybridfahrzeuge mit Kombiantrieb aus Strom und Ottomotor denken. Die einfachere Konstruktion mache Dieselmotoren billiger und damit zu einer "vernünftigen Alternative" zu Hybrid-Autos, sagt der VW-Manager.