"Mirror's Edge" Auf der Flucht

"Mirror's Edge" hetzt den Spieler durch eine utopische City, die wirkt, als hätte Apple irgendwann beschlossen, Wolkenkratzer statt iPods zu bauen. Wer von der akrobatischen Trendsportart Parkour schon einmal gehört oder - besser noch - etwas gesehen hat, weiß, was ihn erwartet ...

Weiter. Immer weiter. Wer in "Mirror's Edge" stehen bleibt, verliert. Entweder sein virtuelles Leben oder seine Freiheit. Das neue EA-Game gleicht einer permanenten Hetzjagd. Als Nachrichtenkurier des Untergrunds versucht man, über den Dächern einer modernen Großstadt den Häschern eines Überwachungsstaats zu entkommen, der jegliche Kommunikation kontrolliert. Um die Verfolger abzuschütteln, setzt man zu halsbrecherischen Sprüngen an, balanciert über schmale Stege, läuft an Wänden entlang, rutscht U-Bahn-Treppen hinunter - alles aus vollem Lauf, alles in einer fließenden Bewegung, alles aus der Ego-Perspektive gesteuert. Wer von der akrobatischen Trendsportart Parkour schon einmal gehört oder - besser noch - etwas gesehen hat, weiß, was ihn erwartet ...

Der Spieler schlüpft in die Baggy-Pants der Runnerin Faith - ein flinkes Mädel, dem der Mord an einem liberalen Bürgermeisterkandidaten in die Laufschuhe geschoben wird. Um ihre Unschuld zu beweisen und das Komplott aufzudecken, hüpft, hangelt und kämpft sich die Postbotin der Zukunft durch acht Kapitel und eine utopische City, die wirkt, als hätte Apple irgendwann beschlossen, Wolkenkratzer statt iPods zu bauen.

Harter Einstieg

Das Tempo des Spiels ist enorm. Weil permanent Sicherheitsmänner oder Hubschrauber Jagd auf Faith machen, bleibt kaum Zeit sich umzusehen. Damit die Gejagte aber weiß, welche Richtung sie bei ihrer Flucht in einzuschlagen hat, bekommt sie von ihrem Kumpel Instruktionen über Funk. Zudem färben sich benutzbare Strukturen wie Rohre, Gerüste, Seile, Rampen oder Kräne rot ein, alternative Routen werden blau dargestellt. Jedes Level lässt sich auf mindestens drei unterschiedliche Arten bewältigen. Das Ziel ist jedoch immer dasselbe: heil am Ende ankommen. Und das ist anfangs trotz zuschaltbarer Zeitlupenfunktion verdammt schwer.

Obwohl die Steuerung mit erstaunlich wenigen Buttons auskommt, dauert es etwas, bis man ein Gefühl für Distanzen und den Glauben an Faiths Fähigkeiten entwickelt. Nicht selten landen deshalb Sprünge in der Tiefe - und man startet bei einem der fair verteilten Speicherpunkte einen neuen Versuch. Aber spätestens nach einer halben Stunde hat man das Spielprinzip verinnerlicht und sieht die klinisch sterile Welt von "Mirror's Edge" mit anderen Augen.

So schnell sich Faith auch bewegen mag, irgendwann wird sie zwangsläufig direkt mit der Staatsgewalt konfrontiert. Im Nahkampf teilt das ebenso taffe wie tatöwierte Mädel Kicks und Fausthiebe aus und kann mit dem richtigen Timing die Waffe abnehmen. Ein waschechter Ego-Shooter ist "Mirror's Edge" aber nicht. Schnell ist die Munition verbraucht. Zudem verlangsamen Pistolen und Gewehre Faith deutlich. Größere Sprünge lassen sich damit nicht machen ...

Mirror's Edge

Hersteller/Vertrieb

EA/EA

Genre

Action-Adventure

Plattform

PC, PS3, Xbox 360

Preis

ca. 60 Euro

Altersfreigabe

ab 16 Jahren

Überraschend gute Geschichte

Rund acht bis zehn Stunden dauert das Gehüpfe aus der Ego-Perspektive - viel länger würde die immergleiche Hatz durch die stilistisch-sterile Stadt auch nicht bei der Stange halten. Dass dem Parkour-Spektakel nicht frühzeitig die Luft ausgeht, ist der Story zu verdanken, die in Comic-Zwischensequenzen vorangetrieben wird und aus der Feder von Rhianna Pratchett stammt - Tochter des Fantasy-Bestseller-Autors Terry Pratchett.

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Gerd Hilber/Teleschau

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