"Undercover: Operation Wintersonne" Ein zerstreuter Professor gegen die Nazis

Die Spieleschmiede Sproing liefert mit "Undercover: Operation Wintersonne" ein hochwertiges Historik-Adventure ab. Dank dichter Atmosphäre und fairen Knobeleien fesselt die Agentenstory mit dem Antiheld.

Angesiedelt ist die Story im Europa des Zweiten Weltkriegs. Physik-Leuchte Dr. John Russell wird trotz Streberoptik und geballter Antihelden-Power zum Hauptprotagonisten auserkoren, wenn auch gegen seinen Willen: Als der britische Geheimdienst von den Plänen der Nazis Wind bekommt, eine Atombombe zu bauen (Historiker streiten sich hierüber bis heute), schicken sie den sympathischen Doktor und den wortkargen Agenten Peter Graham nach Berlin. Was folgt, entbehrt weitestgehend Überraschungen. So räumt Russell im Alleingang - immer bleibt alles am Spieler hängen - sämtliche Probleme aus dem Weg und entwickelt sich binnen kürzester Zeit autodidaktisch zum Hochleistungs-Spion.

Mit einem breit gefächerten Inventar als stetem Begleiter gilt es, Informationen zu absorbieren und Lösungen zu generieren. Geleitet von Maus und Spielererfahrung lenkt die spielbare Personifizierung eines zerstreuten Professors reichlich deutsche Soldaten ab, findet Ein- sowie Ausgänge und umgeht Gefahren. Das ist bisweilen ziemlich haarig, da der Umfang der eingesammelten Gegenstände schnell ausufert. Andererseits sorgen die spärlichen Hinweise für eine hohe Rätseldichte: Ehrgeizige Spieler mag das motivieren, weniger ausdauernde frustrieren. Für Einsteiger, denen das Getüftel genug Kopfzerbrechen bereitet und die dankend auf Pixeljagd verzichten, bietet "Undercover: Operation Wintersonne" einen Modus, der alle Hotspots auf Tastendruck anzeigt.

Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase dürfte die dichte Atmosphäre auch Genre-Neulinge in ihren Bann ziehen. Dank der detaillierten 2-D-Hintergründe, in die sich die 3-D-Charaktere erstaunlich gut einfügen, kommt die Stimmung glaubhaft rüber. John Russell erntet, besonders durch seine mitunter schnippischen Kommentare, stetig Sympathiepunkte, während die anderen Charaktere leider ein wenig flach wirken. Bisweilen verhalten sich die Statisten sogar wie Requisiten: Nachdem beispielsweise eine Luftangriffsirene ertönte, starrt die Soldatengruppe, die dadurch abgelenkt wurde, für alle Ewigkeit in die Luft.

Einen ähnlich unengagierten Eindruck hinterlassen die raren Zwischensequenzen - meist stimmt die Synchronisation nicht mit der Lippenbewegung der Protagonisten überein. Nervig sind auf Dauer auch der schwarze Ladebildschirm, der den Spieler hinter jeder Tür erwartet, und Russells Manieren: Ständig dreht er einem den Rücken zu.

Undercover: Operation Wintersonne

Hersteller/Vertrieb

Sproing/dtp

Genre

Adventure

Plattform

PC

Preis

ca. 35 Euro

Altersfreigabe

ab 6 Jahren

Für diese kleinen Schwächen entschädigen allerdings die gewieften Rätsel, an denen Knobelfreunde ihren Spaß haben werden. Außerdem haben sich die Verantwortlichen bei dtp bei der Synchronisation, die oft die Achillesferse von Adventures darstellt, ins Zeug gelegt. Passende Stimmen, die auch nach mehreren Stunden Tüftelei nicht nerven, steigern die Atmosphäre. Ebenso der zurückhaltende Soundtrack, der das Geschehen prächtig untermalt.

TELESCHAU
Gregor Jossé/Teleschau

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