Betriebssystem Chrome OS Angriff auf Microsoft wird hart für Google

Scharmützel zwischen Google und Microsoft haben Tradition: Auch die Ankündigung des Suchmaschinenriesen, mit Chrome OS ein Betriebssystem für Netbooks zu entwickeln, ist ein direkter Angriff auf die Redmonder. Microsoft steht allerdings so gut da wie schon lange nicht mehr.

Das Versprechen von Google klingt verlockend: Internet-Anwender sollen künftig nach dem Einschalten des Computers sofort auf ihre E-Mails zugreifen oder im Web surfen können, ohne erst minutenlang darauf zu warten, dass der Rechner vollständig hochgefahren ist. Um die Abwehr von Angriffen durch Computerviren oder anderen Attacken sollen sich die PC-Nutzer künftig auch nicht mehr kümmern müssen, wenn sie das Betriebssystem Chrome OS statt Windows verwenden. Mit der Ankündigung der neuen Systemsoftware greift der Suchmaschinengigant erstmals das Kerngeschäft seines Konkurrenten Microsoft direkt an.

Das neue Google-Betriebssystem soll von der zweiten Jahreshälfte 2010 an zunächst auf kleineren Laptops ("Netbooks") zum Einsatz kommen. Es baut auf dem Webbrowser Chrome auf, der laut Google derzeit von "über 30 Millionen Menschen" regelmäßig genutzt wird, um sich im Internet zu bewegen. 30 Millionen Nutzer klingt viel, aber mit einem niedrigen einstelligen Marktanteil weltweit liegt "Chrome" im Wettstreit gegen den Internet Explorer von Microsoft und andere Konkurrenten wie Firefox und Safari von Apple weit abgeschlagen ganz hinten.

Gleichwohl glauben manche Beobachter, dass Google die Strukturen der PC-Industrie durcheinanderbringen kann. "Es besteht die Möglichkeit, dass das neue Betriebssystem das Paradigma brechen kann, das Microsoft und Intel in den vergangenen 20 Jahren geschaffen haben", sagte Yukihiko Shimada, Analyst von Mitsubishi UFJ Securities in Tokio. Der Experte spielt darauf an, dass sich die Windows-Software von Microsoft und die Mikroprozessoren von Intel seit den 80er Jahren als Quasistandard in der Computerbranche durchgesetzt haben. "Es gibt viele Geschäftsmöglichkeiten für Google in diesem Markt."

Microsoft hat sich verändert

Google wird bei seiner Attacke auf Microsoft aber nicht auf einen unflexiblen und innovationsfeindlichen Widersacher stoßen, wie der Softwaregigant von manchen Akteuren im kalifornischen Silicon Valley eingeschätzt wird. Seit dem Amtsantritt von Ray Ozzie als Nachfolger von "Chief Software Architect" Bill Gates hat sich bei Microsoft einiges verändert. Das kann man auch am neuen Microsoft- Betriebssystem Windows 7 sehen. Es hat schon in der Vorabversion - im Gegensatz zum aufgeblasenen Vorgänger Windows Vista - gute Noten in den Testberichten erhalten.

Punkten konnte dagegen Google in den vergangenen Monaten im Mobilfunkbereich mit seinem Spezialsystem Android, das inzwischen von mehreren Smartphone-Herstellern erfolgreich eingesetzt wird. Die Microsoft-Partner im Mobilfunkmarkt plagen sich dagegen noch immer mit einem inzwischen technisch überholten Windows-System herum. Und der von Microsoft-Chef Steve Ballmer mehrfach versprochene Neuanfang mit Windows Mobile 7 lässt noch immer auf sich warten.

Google greift beim Chrome OS ein Erfolgsrezept von Android auf und veröffentlicht die Software ebenfalls als Open Source. Damit entfallen die Lizenzgebühren für die PC-Hersteller und Microsoft wird in seinen Preisverhandlungen mit den Hardware-Partnern weiter unter Druck gesetzt, denn Windows ist nicht kostenlos zu haben. Außerdem haben die PC-Produzenten die Möglichkeit, das Google-System frei nach ihren Vorstellungen anzupassen und zu erweitern, was bei Windows nur bedingt möglich ist.

Da der Marktstart von Google Chrome OS erst in einem Jahr ansteht, hat Microsoft nun noch viel Zeit, sich auf den neuen Konkurrenten einzustellen. Mit dem Marktstart von Windows 7 am 22. Oktober und anderen Produkteinführungen gibt es für Microsoft in den kommenden Monaten etliche Anlässe, die Aufmerksamkeit der Kunden auf eigene Produkte zu lenken. Und es wird auch kein Zufall gewesen sein, dass Microsoft einen Tag vor der Ankündigung von Google Chrome OS in den USA die Gerüchte streuen ließ, dass Softwareentwickler in der Microsoft-Zentrale in Redmond an einem ganz neuartigen Browser mit dem Codenamen "Gazelle" arbeiten, der etliche Funktionen eines Betriebssystems übernehmen könne.

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Christoph Dernbach/DPA

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