Amazons Empfang im Internet ist selbstbewusst. "Geburtsstätte von Revolutionen", steht auf der Startseite des Tochterunternehmens Lab126, das für den Mutterkonzern vor allem am E-Reader Kindle tüftelt. Ob nun tatsächlich eine Revolution oder doch bloß ein weiteres elektronisches Spielzeug - ausgebrütet wird hier etwas: Amazons eigener Tablet-PC. Noch dieses Jahr im November soll er bereits zu haben sein, schreibt das Technologie-Blog Techcrunch.
Wenn auch das Gerät an sich keine Revolution wäre - den Markt für die Bildschirmcomputer würde es aufmischen. Denn Analysten trauen Amazon zu, als erster Rivale dem bislang unangefochtenen Platzhirschen Apple Marktanteile streitig zu machen. Andere Hersteller von Tablets sind hier bislang nicht substanziell vorangekommen. "Apple wird seinen Vorsprung in Sachen Marktanteil behaupten, aber Amazon wird schnell Boden gut machen", sagt Sarah Rotman Epps, Analystin beim Marktforscher Forrester.
Amazon würde sich verändern
Mit Amazons Markteintritt würden sich aber nicht nur die Verhältnisse unter den Tablet-Herstellern wandeln, sondern auch die Struktur des Unternehmens selbst. Der Konzern würde mehr und mehr zu einem Rundumanbieter wie Apple einer ist - ein Hersteller von Hardware, der auch all die Inhalte bietet, die solche Geräte zum Leben erwecken. Denn Amazon verfügt über zahlreiche Angebote, die sich mit dem neuen Gerät vernetzen ließen. Sie wären auch der entscheidende Vorteil gegenüber den anderen Tablet-Herstellern, die mit Apple konkurrieren, aber auf Inhalte von Partnern angewiesen sind. Auf diese Rundumstrategie deutet auch die neue Aufmachung der Amazon-Website: aufgeräumter und mit einer zentral platzierten Leiste, die stärker auf die mobilen Anwendungen lenkt als auf die klassischen Produkte des Onlinehandels. Es ist die erste Umgestaltung seit 2007, die allerdings bislang nur manche Besucher zu sehen bekommen. Nach keinem erkennbaren Prinzip zeigt Amazon die alte respektive die neue Aufmachung.
Dort findet sich, was Amazon auf dem Tablet anzubieten hätte, dessen Prototyp das Blog Techcrunch nun getestet haben will. Musik gibt es über den Cloud-Player, die dazugehörigen Musikdateien lagern auf Amazon-Servern. So wären die mageren sechs Gigabyte Speicher, über die das Gerät verfügen soll, zu verschmerzen.
Filme bietet Amazon über die Tochter Lovefilm an. 2008 hatte der Versandkonzern seinen Filmverleih noch an den damaligen Konkurrenten abgetreten und dabei 42 Prozent an Lovefilm übernommen. Im Januar übernahm Amazon den Filmverleih komplett. Auch bei einer anderen Videoplattform, Hulu, ist Amazon als Käufer im Gespräch, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. Mit im Rennen sollen Google und Yahoo sein. Das Filmportal böte seinem Käufer über fünf Jahre die Rechte an Fernsehserien von Walt Disney und Rupert Murdochs News Corporation.
Amazon hat schon einen eigenen Appstore
Apps, die kleinen Zusatzprogramme für mobile Geräte, dürften auf Amazons Tablet natürlich nicht fehlen. Der Nutzer würde sie aber nicht aus dem regulären Android Market herunterladen, den Google mit seinem gleichnamigen Betriebssystem anbietet. Auf dessen Basis funktioniert zwar das Tablet nach Angaben von Techcrunch, als Plattform für Apps nutzt Amazon aber den hauseigenen Amazon Android Appstore.
Auch die E-Books und ein entsprechendes Programm zu deren Ansicht würde Amazon bieten. Das Tablet bleibt seinen Wurzeln treu und nutzt die Kindle-App. Denn letztlich ist es wohl eine Weiterentwicklung des E-Readers Kindle und soll auch dessen Namen tragen. Es ist nicht mit 3G ausgerüstet, man kann es also nur innerhalb der Reichweite von drahtlosen Netzwerken mit dem Internet verbinden. Mit sieben Zoll ist der Bildschirm auch deutlich kleiner als etwa der des iPad mit 9,7 Zoll. Lassen sich die Geschäfte allerdings gut an, plant Amazon wohl, zusätzlich ein größeres Modell mit Zehn-Zoll-Bildschirm schon in den ersten Monaten des kommenden Jahres auf den Markt zu bringen.
Gefunden in ...
... der Onlineausgabe der "Financial Times Deutschland"
Das debütierende Kindle-Tablet soll aber vor allem einen entscheidenden Vorteil haben: den Preis. Mit 250 Dollar wäre es halb so teuer wie das iPad in Minimalausstattung. Der Preisvorteil könnte Amazon helfen, das Tablet zu einem ähnlichen Erfolg zu führen wie damals den E-Reader. Außerdem könnte das Kindle-Tablet womöglich Marktanteile zurückgewinnen, die Apples iPad dem Kindle-E-Reader abgeluchst hatte. "Wenn es zum richtigen Preis und mit genügend Angeboten kommt, kann Amazon locker drei bis fünf Millionen Stück allein im vierten Quartal 2011 verkaufen", sagt Forrester-Analystin Rotman Epps. Apple verkaufte von April bis Juni diesen Jahres gut neun Millionen iPads. In den letzten Monaten eines Jahres sind die Verkaufszahlen wegen des Weihnachtsgeschäfts oft höher als in den restlichen Quartalen - da käme Amazon im November gerade noch rechtzeitig.