Neue Fotosoftware Gesichter per Klick erkennen

  • von Ulf Schönert
Ist das Oma oder ihre Schwester, da auf dem Foto? Neue Software für Hobbyfotografen ermöglicht automatische Gesichtserkennung in Bildern. Die Trefferquote ist überraschend hoch - und gibt Anlass zu Besorgnis.

Na, ist sie's oder nicht? Ich muss zweimal hinschauen, um mir sicher zu sein, dass das Mädchen auf diesem Foto meine Tochter ist. Das Bild ist unterbelichtet, und sie trägt diese Ponyfrisur, die sie nur einen Sommer lang hatte. Immerhin schaut sie direkt in die Kamera. Ja, sie ist es.

Picasa war da schneller. Die Fotosoftware der Firma Google hat Marie nämlich sofort erkannt, ebenso ihre Freundin, meine Frau, mich selbst und noch ein gutes Dutzend weitere Personen, die auf meinen Digitalfotos zu sehen sind. Denn Picasa hat eine eingebaute Gesichtserkennung, die so exakt arbeitet, dass es fast schon unheimlich ist.

Da identifiziert Picasa den kleinen Jakob auf einem alten Foto, auf dem er erst zwei Jahre alt ist. Emma wird erkannt, obwohl sie sich als Winnetou verkleidet hat und eine schwarze Perücke trägt. Max wird richtig zugeordnet, obwohl er Emmas Sonnenhut aufgesetzt hat und auf dem Foto aussieht wie ein Mädchen.

Schematische Identifizierung

Jahrelang galt die automatische Erkennung von Personen auf Fotos als großes, aber uneingelöstes Versprechen der Industrie. Polizei und Sicherheitsleute erhofften sich davon Unterstützung bei der Verbrechensbekämpfung. Kameras sollten große Menschenmengen, zum Beispiel in Fußballstadien, scannen und nach bekannten Hooligans oder Terroristen absuchen. Doch in Tests scheiterte die Technik stets an Geringfügigkeiten wie Schattenwürfen oder Belichtungsschwankungen.

Was im Großen nicht funktionierte, zeigt jetzt im Kleinen gute Resultate - als Bestandteil moderner Fotosoftware. Nicht nur Picasa ist damit ausgestattet, auch Apples iPhoto 09 sowie der Digital Foto Maker von Magix können Gesichter identifizieren. Sie arbeiten nach dem gleichen Prinzip: Zunächst scannen sie alle auf dem PC gespeicherten Digitalbilder (Picasa durchsucht nur die, die man ins Internet hochgeladen hat). Sie vermessen Augenabstand, Mundkrümmung, Nasenlöcher, Falten und Kinnrundungen und erstellen daraus Profile, die dann bestimmten Personen zugeordnet werden können. Im letzten Schritt muss der Anwender helfen: "Ist das wirklich Marie?" Mit jedem "Ja" oder "Nein" lernt die Software dazu. Denn je mehr Fotos von einer Person identifiziert wurden, desto wahrscheinlicher ist es, dass weitere auf Anhieb erkannt werden.

Was auf der heimischen Festplatte funktioniert, wird nun auch im Netz versucht. Neuartige Dienste wie Polar Rose und Face.com sind nun auch dabei, die Abermillionen Aufnahmen zu scannen, die im Internet gespeichert sind. Allein face.com untersucht nach eigenen Angaben jeden Tag 13 Millionen Fotos der Netz-Community Facebook. Ähnliches macht Polar Rose mit Fotos von flickr.com.

Die ersten Reaktionen sind zwiespältig: Während einzelne Stimmen vor dem "Beobachtungs- und Überwachungsnetz" (Onlinemagazin Telepolis) warnen, das durch die Gesichtserkennung ermöglicht werde, freuen sich andere, dass sie in Zukunft jedes Mal informiert werden, sobald ihr Gesicht irgendwo im Internet auftaucht.

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