Scheibes Kolumne Das Ende ist nah!

stern.de-Mitarbeiter Scheibe wird in zwei Wochen 40 Jahre alt. Die Haare fallen aus, er kapiert sein Handy nicht mehr und auch sonst ist alles ganz fürchterlich. Tod und Pestilenz stehen vor der Tür und gegen das nahende Ende hilft nur ein gerüttelt Maß an Wehleidigkeit.

Ich gebe es zu, der dreißigste Geburtstag hat mich völlig kalt gelassen. Herrgott, die Zwanzig war noch so nah, der Bauch noch halbwegs straff und überhaupt sah das Leben prima aus. Jetzt sind es nur noch zwei Wochen und dann nulle ich bereits zum vierten Mal. 40. Eine komische Zahl. Das Leben ist mindestens zur Hälfte rum, viele Freunde suchen sich bereits eine zweite Frau (und kriegen nur noch eine, die auch schon Kinder hat) und man muss sich spätestens jetzt eingestehen, dass es kaum noch möglich ist, den eigenen Job komplett zu wechseln. Das eigene Arbeitstempo sinkt, ein besorgter Blick schielt immer auf den Kontostand und Arztbesuche bekommen etwas vom Jüngsten Gericht, wenn plötzlich Worte wie Prostata-Untersuchung oder Schlagaderverdotterung fallen. Immerhin hält meine kleine Tochter zu mir: "Papa, es kann doch gar nicht mehr schlimmer kommen. Die Haare sind dir doch eh schon fast alle ausgefallen." Und du weißt, dass du ein alter Sack wirst, wenn der eigene Sohn sagt: "Lass Papa ruhig noch ein wenig auf der Coach liegen, der ist ja auch nicht mehr der Jüngste."

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Die Todesuhr im Netz

Die eigene Sterblichkeit vor Augen treibt es mich ins Internet. Mein Kumpel Robert hat es richtig gemacht. Er ist nach Thailand ausgewandert und ist nun den ganzen Tag damit beschäftigt, am Pool rumzulungern, Motorrad zu fahren, auf dem Schießstand herumzuballern und lecker essen zu gehen. Er schickt mir den Link zur "Death Clock". Hier trage ich meinen Geburtstag, das Geschlecht, meinen BMI und meinen Nichtraucherstatus ein. Per Mausklick wird mein exakter Todestag berechnet - es ist der 10. Januar 2041. Ist schon okay, das ist ja noch lange hin und den Januar habe ich eh noch nie gemocht. Der Internet-Dienst ist so freundlich und zählt im Popup-Fenster einen Countdown herunter. Eine Milliarde Sekunden habe ich noch, bevor ich den Löffel abgeben muss. Ätsch, Arzt, man kann also auch ohne Olivenöl alt werden. Da breche ich doch gleich auf, um mir an Udo's Imbiss eine doppelte Currywurst mit fett Pommes zu holen.

Trotzdem ist auf eine Internet-Seite natürlich nur bedingt Verlass. Und so muss ich meine Kräfte bündeln, um noch rasch meine Zeichen in dieser Welt zu setzen. Ich habe ein Haus gebaut, einen Baum gepflanzt und einem Schlimmen Hund ein Zuhause gegeben (siehe www.stern.de/blog). Wichtig sind jetzt natürlich die Kinder. Meiner Tochter muss ich unbedingt das Boxen und Treten beibringen, damit sie sich in wenigen Jahren gegen alle pubertierenden Sittenstrolche in ihrer Klasse wehren kann. Mein Sohn hingegen braucht eine umfassende Medienerziehung. Mein Gott, er hat noch nie ein Weltraumballerspiel oder ein richtiges Point&Click-Adventure bestritten. Und er muss in die hohen Weihen des sinnentleerten Action-Kinofilms eingeweiht werden, der nur echte Kerle anspricht. Wie soll er ohne geistige Führung später einmal einen Steven-Seagal-Film genießen können, ohne sich über die fehlende Logik aufzuregen? Und wer soll ihm beibringen, dass Bruce Willis in den Die-hard-Filmen spätestens dann unbesiegbar und unverwundbar wird, sobald er die Tünche der Zivilisation abstreift und im Kohlenträger-T-Shirt posiert? Das sind dann doch Fakten, die eine Frau definitiv nicht vermitteln kann. Ebenso wie den Umstand, dass zum Heimkino zwingend auch eine 7.1-THX-Soundanlage mit dazugehört, sonst kann man eh alles vergessen.

Der Gedanke ans eigene Abnippeln in Kombination mit meinem Hollywood-Starkult schickt mich auf die Internet-Seite "Findadeath", die sich ganz und gar darum kümmert, die Hintergründe auszuleuchten, die bei bekannten Stars zum Tode geführt haben. Hier zolle ich mal eben meinem Idol John Belushi Tribut, der an der Überdosis Drogen gestorben ist - lange bevor er seine besten Filme drehen konnte. Auf der Seite erfahre ich, was ich schon wusste. Passend zu seiner Beerdigung führte sein ewiger Kumpan Dan Aykroyd einen Motorrad-Korso an. Und bei der Beisetzung wurde der Song der "2000 pound bee" gespielt - ein Gitarren-geschwängertes Stück passend zu einem Sketch, den Aykroyd und Belushi für die Comedy-Show "Saturday Night Live" entwickelt haben.

Geistig gut beisammen

Aber ich schweife ab. Ich nehme ja keine Drogen. Und noch bin ich geistig halbwegs gut beisammen. Ich komme trotz meines hohen Alters noch mit einem Festplattenrekorder und einem iPod zurecht, kann meine acht Lautsprecher perfekt an den PC anschließen und bin dazu in der Lage, einen tragbaren PDA mit GPS-Empfänger zur spannenden Schatzsuche zu verwenden. Nur mit meinem Handy komme ich einfach nicht klar, auf dieses neumodische Gerät könnte ich gut und gerne verzichten.

Nun gut, nachdem ich mich jetzt hier so ausgeweint habe, kann der 40. Geburtstag gerne kommen. Schlimmer ist ja doch der 50., oder? Also dann, in zehn Jahren: selbe Stelle, selber Ort. Nur dass das Jammern dann wohl noch heftiger ausfallen wird.

Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania

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