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Scheibes Kolumne Musik aus der Dose

Stern.de-Kolumnist Scheibe bereitet sich auf eine besonders zeitaufwändige Aktion vor: Er möchte alle seine Audio-CDs digitalisieren und in den Computer übernehmen. Die Musik-CD wird damit offiziell für tot erklärt.

Mit der Musik ist es so: Ohne geht es nicht. Bereits als Jugendlicher habe ich bei meinen Eltern durchgesetzt, bei den Hausaufgaben laut Musik hören zu dürfen. Noch heute - am Computerarbeitsplatz - ist es morgens meine erste Tat, erst einmal die Mucke anzumachen. Wenn ich gut drauf bin, höre ich gerne Neil Young, Wonderwall oder Blues-Musik aus Kentucky. Bin ich müde oder übellaunig, kommen Eminem, Rammstein oder ZZ-Top zum Einsatz. Beim Wegträumen hilft die Klaviermusik von George Winston. Keine Frage: Ich höre gerne Musik und bin auch gerne bereit, dafür Geld auszugeben. Früher habe ich halbe Tage im Plattenladen verbracht, um an den Kopfhörern mit den Neuheiten nach dem einen oder anderen Geheimtipp zu suchen, den ich noch nicht kannte. Am Ende der Sitzung hatte ich dann meistens ein Dutzend neuer Scheiben beisammen, die dringend gekauft werden mussten. Mensch, wie gut könnte es der Musikindustrie gehen, wenn alle Konsumenten so zuschlagen würden. Tun sie aber nicht. Kurios: Ich mache das auch nicht mehr. In den letzten beiden Jahren habe ich bestimmt nicht mehr als zehn CDs gekauft.

Unser Verhalten hat sich geändert

Das hat einen Grund, den die Bosse der Plattenkonzerne leider noch nicht auch nur ansatzweise begriffen haben: Das Verhalten der Musikfreunde hat sich geändert. Und zwar grundlegend. In meinem Haus und in meinem Büro gibt es keinen Standard-CD-Player mehr. Spielen wir im Wohnzimmer Musik ab, legen wir die CDs in den DVD-Player. Nur: Der nimmt die neuen kopiergeschützten CDs nicht an. Meine Frau schimpft in dieser Situation zwar gerne auf den "Schundplayer", der hat aber mit der Sache gar nichts zu tun. Schuld sind die Plattenfirmen, die ihre letzten Kunden vergraulen, indem sie ihnen Ware verkaufen, die auf den meisten Geräten überhaupt nicht mehr abspielbar ist. Ich weigere mich inzwischen, mich auf diese Weise verschaukeln zu lassen. Dafür sind die CDs viel zu teuer. Im Wohnzimmer nutzen wir inzwischen am PC gebrannte MP3-CDs, um Musik zu hören.

Hinzu kommt, dass das Musikhören am Computer so komfortabel ist, dass die Musik-CD dagegen nicht mehr ankommen kann. Ich muss am PC nicht länger alle 30 Minuten die CD wechseln, sondern starte einfach meinen Media-Player, der mich dann von morgens bis nachts mit Musik berieselt. Ohne dass ich dabei einen Finger krumm machen muss. Nur: Woher kommt die Musik, die ich höre? Ganz sicher ist, dass sie nicht von meinen 500 Musik-CDs stammt, die im Schrank Staub ansetzen. Es ist mir einfach zu mühsam und umständlich, weiterhin CDs abzuspielen. Diese Handgriffe möchte ich mir nicht mehr antun.

Mal ehrlich…

Ganz ehrlich: Am Anfang der digitalen Euphorie war ich oft bei Kazaa zu Gast. In der Tauschbörse habe ich mich dann mit den neuesten Songs eingedeckt - zu meiner Ehrenrettung oft von Musikern, die ich auch auf CD im Schrank zu stehen habe. Schnell hatte ich dann auf der Festplatte einen Fundus an MP3-Dateien zusammen, mit denen ich meinen Player füttern konnte. Ebenso ehrlich: Die Plattenfirmen haben mir dieses illegale Tun schnell wieder verleidet. Immer mehr Fake-Dateien sind in den Tauschbörsen unterwegs. Und ich habe keine Lust darauf, mir meine Dateiensammlung mit Titeln zu versauen, die nach drei Sekunden immer wieder das gleiche Sample spielen, eine Trillerpfeife ertönen lassen oder einfach still sind. Inzwischen habe ich meine Kazaa-Sammlung komplett gelöscht - auch weil das schlechte Gewissen kniff und ich mit Raubkopien nichts zu tun haben möchte.

Nach der Kazaa-Phase entdeckte ich prompt das Online-Radio für mich. Radiosender wie "Radio Paradise", "Smoothjazz.com" oder "Digitally Imported: Chilled Out" lassen sich mit DSL und dem Programm "WinAmp" bestens empfangen. Völlig legal versorgen mich die Radiosender nun tagein, tagaus genau mit der Musik, die ich so schätze - beste Unterhaltung zum Nulltarif.

Sehnsuchtsvoll streift der Blick…

Inzwischen ist es aber so, dass ich doch des Öfteren einen sehnsüchtigen Blick in meinen Schrank werfe. All die vielen Musik-CDs, die ich seit Jahren schon nicht mehr gehört habe. 40 verschiedene Neil-Young-Alben, dazu Kid Kreole and the Coconuts, Spear of Destiny, natürlich auch meine ganzen Blues-Platten von Taxim. Die Komplettsammlung von Vangelis. Wann habe ich zum letzten Mal Yello gehört? Oder Roxy Music?

Lange musste der Entschluss reifen: Ich werde meine ganzen Platten digitalisieren. Ich werde die Scheiben einfach neben meinem Computer auftürmen und sie eine nach der anderen in das CD-Laufwerk legen. Dann werde ich ein Programm wie "Feurio" nutzen, um die Songs zu rippen und als MP3 auf der Festplatte speichern. Wichtig ist mir dabei nur, dass das Ripper-Programm dazu in der Lage ist, die Titel der Songs aus dem Internet abzufragen und sie den Dateien gleich zuzuweisen. Eine MP3-Datei ist im Schnitt fünf Megabyte groß. Bei zehn Songs auf einer CD und etwa 500 CDs im Schrank belegen die gerippten Songs also 25 Gigabyte auf dem Rechner. Ganz schön happig.

Ich bin reif für einen iPod

Das Ding ist nur: Ich möchte die Songs nicht nur auf dem Rechner speichern. Ich habe zwar schon eine ganze Menge mobiler MP3-Player ausprobiert. Das Problem war bislang, dass die Geräte oft nur ein paar hundert Megabyte speichern oder im Gigabyte-Bereich einfach zu langsam sind. Nach vielen Fehlkäufen und Frustrationen bin ich jetzt bereit, mir das optimale Gerät zuzulegen: einen Apple iPod mit 40 Gigabyte Fassungsvermögen. Das Gerät sieht cool aus, ist leicht und klein - und soll schnell sein wie Nachbars Luzie. Sagt mein Kumpel Patrick aus Amerika. Obwohl der gar keine Luzie kennt. Noch steckt mein bestelltes Gerät allerdings in der Post fest. Aber sobald es da ist, kann die Ripp-Aktion beginnen. Dann bin ich endlich voll digital - der iPod lässt sich leicht an jeden Computer oder jede Stereoanlage anschließen, sodass ich die CDs in Zukunft wirklich nicht mehr brauche.

Auch in Zukunft möchte ich keine Musik-CDs mehr kaufen. Ich denke, das geht vielen Musikfreunden so. Das müssen die Plattenfirmen kapieren, damit der Umsatz wieder steigt. Denn ich war auch deswegen so gerne bei Kazaa, weil es so einfach war, mich mit neuer Musik einzudecken. Was ich jetzt brauche, ist ein legaler Online-Shop, der nicht nur eine kleine Auswahl der Top-Charts und der Oldies anbietet, sondern ein Komplettangebot offeriert. Hier muss ich dazu in der Lage sein, die Songs zu markieren, die ich gerne haben möchte, um sie dann als ganz normale MP3-Dateien herunterzuladen. Diese Songs möchte ich auf jedem beliebigen Gerät abspielen dürfen und zwar so lange und so oft ich möchte. Noch ein Wunsch von mir als Konsument: Mehr als 50 Cents bin ich nicht bereit, für eine MP3-Datei auszugeben. Klar sind Audio-CDs teurer: Bei einer CD für 15 Euro und zehn Songs werden hier 1,50 Euro pro Song fällig. Nur ist es so, dass Software im Direkt-Download auch preiswerter ist als die Software im Handel. Weil die Kosten für den Datenträger und die Verpackung wegfallen. Diesen Preisvorteil möchte ich gerne auch im Internet genießen. Gäbe es einen Shop, der mir diese drei Wünsche erfüllt, würde ich Musik einkaufen wie ein Blöder. Denn ich habe da schon einige Songs und Alben auf der Liste, die ich unbedingt haben möchte. So lange es diesen Shop aber noch nicht gibt, lege ich schon einmal ein paar Euros beiseite. Ich werde mich aber hüten, noch einmal Geld für dieses antiquierte Medium der Audio-CD auszugeben.

Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania

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