SCHEIBES KOLUMNE Verkaufen um keinen Preis

Journalisten und PR-Abteilungen: eine Beziehung, geprägt von Geben und Nehmen. Im Normalfall klappt das problemlos. Einige Öffentlichkeitsarbeiter verstehen ihren Job aber anders und stören die Arbeit der Journalisten, wo es nur geht. Kolumnist Scheibe weiß ein Lied davon zu singen.

Ein Computer-Journalist benötigt täglich frische Informationen für die Recherche seiner Aufträge. Geht es dabei um Soft- oder Hardware, reicht meistens ein Anruf bei der Presseabteilung des betroffenen Unternehmens aus. Sie sollte eigentlich dazu in der Lage sein, die benötigten Infotexte, Bilder und Rezensionsexemplare pronto presto auf den Weg zu schicken. Die Überraschung: Einige Pressesprecher nehmen ihren Job alles andere als genau. Und üben sich ganz entgegengesetzt zu ihrem Auftrag in der Schikane.

Wir von der schreibenden PC-Zunft sind in der Regel viel harmloser als die Kollegen vom Boulevard. Wo sich die rasenden Reporter von der Klatschpresse schon einmal wie ein knurrender Terrier in den Hosen von Boris Becker oder Dieter Bohlen verbeißen, üben wir Kritik an miserabler Hardware oder absolut unwürdiger Software doch eher nur verhalten. Es herrscht ein insgesamt positiver Ton in der Szene. Lieber werden Sachen gelobt als Fehler aufgedeckt. Keine Ahnung, warum das so ist, aber der richtig herbe Verriss wird leider nur selten zelebriert. Die Software-Häuser und Hardware-Hersteller freut's. Sie bekommen oft genug tolle Kritiken zum Nulltarif. Besser könnte das Geschäft gar nicht laufen.

Diktatoren in den PR-Abteilungen

Damit wir von der Journaille auch alle wichtigen Fakten passend zu unseren Artikeln zur Verfügung haben, sind wir auf die Zusammenarbeit mit den Presseabteilungen angewiesen. Hier arbeiten PR-Profis, die eigentlich nur dazu da sind, uns mit Fotos, Texten und Probeexemplaren zu versorgen. Ein guter Job, dessen Bemühungen sich schließlich in zahlreichen Artikeln und Berichten niederschlagen. Der überwiegende Teil der Öffentlichkeitsarbeiter erledigt seinen Job auch hervorragend, pflegt den Kontakt zu den Journalisten und meldet sich nach einer Veröffentlichung auch schon einmal per Mail oder Telefon, um dieses oder jenes im Text zu besprechen. Im Zeitalter des Mobbings und des Wadenbeißens sind aber immer häufiger kleine Diktatoren in den PR-Abteilungen zu finden, die mit zweitem Vornamen Napoleon heißen.

»Ein Foto passend zu einem PDA oder DVD-Player brauchen Sie? Gibt es nicht, haben wir nicht! Vielleicht im Internet auf der Homepage. Irgendwo. Wie bitte? Die Auflösung des Web-Screenshots für den Druck ist zu klein? Andere nehmen das doch auch. Wo kämen wir denn hin, wenn wir extra für Sie ein Foto schießen würden? Wie bitte, gleich drei Fotos, weil es ein längerer Bericht wird? Das vergessen Sie mal besser gleich wieder. Ein Testexemplar des Gerätes, um selbst Fotos zu machen? Haben wir nicht. Das schicken die Journalisten eh nicht wieder zurück. Ja, dann? Dann schreiben Sie doch einen Bericht über ein anderes Gerät.«

»Sex-Faschisten bekommen gar nichts«

Ein Jahr lang flogen wir auch bei einem großen Spielehersteller aus dem Verteiler. In einem Belegheft mit einem Software-Artikel war an anderer Stelle ein nackter Busen zu sehen. Der Pressechef regte sich fürchterlich auf und monierte: »Sex-Faschisten bekommen von mir überhaupt nichts!«. Leider auch keine Erklärung, welche Definition sich hinter der doch sehr interessanten Wort-Kreation »Sex-Faschist« verbirgt. Nach dem Wechsel des Busengegners, der blutrünstige Gewaltspiele promoten musste, zu einem anderen Unternehmen flutschte es mit den Belegen dann doch wieder. Wir ängstigen uns derzeit nur und fragen uns, wo der PR-Despot wohl inzwischen gelandet ist.

Manchmal würden die Herren und Damen von den Public Relations uns ja auch gerne helfen, können es aber nicht. »Ein Testmuster von einer Blockbuster-Hollywood-DVD? Würden wir ja sooo gerne verschicken. Aber: Wir haben ja leider nur zwei Testmuster für ganz Deutschland. Und die sind bereits alle verschickt. Sobald Ihre Konkurrenten sich den Film angesehen und uns zurückgeschickt haben, können Sie die DVD natürlich auch haben. Nur: Machen Sie sich keine Hoffnung: Die meisten Journalisten schicken die DVDs nicht mehr zurück.« Auf unsere Anmerkung, dass der Materialwert einer Test-DVD doch nur wenige Mark beträgt, der redaktionelle Nutzen für die Firma aber doch immens höher ist, hören wir nur ein verzweifeltes Seufzen. Anscheinend hat jemand im Controlling den Daumen auf den Spar-Knopf gedrückt.

Gut sind auch immer die Presseunternehmen, von denen wir binnen zwei Tagen ganz dringend Unterlagen benötigen, um den Druckschluss eines Magazins noch halten zu können. Woraufhin die angeforderten Unterlagen dann zwei Monate später eintreffen. Wir haben ja schließlich nicht geschrieben, an welchen zwei Tagen das alles so fürchterlich dringend wird.

»Nicht, dass wir Sie bestechen möchten...«

Aber das sind natürlich nur Ausnahmen. Es gibt auch andere. Etwa die, die sich von alleine melden, ständig am Ball bleiben, immer wieder tolle Überraschungen aus dem Ärmel zaubern und ihren Pressemeldungen auch mal eine Tüte Gummibärchen beilegen: »Nicht, dass wir Sie bestechen möchten, aber...«

Ganz in diesem Sinne: Vielleicht haben ja auch Sie gerade mit Leuten zu tun, die alles unternehmen, um ihren eigenen Job zu boykottieren. Für amüsante Fallbeispiele bin ich wie immer sehr dankbar.

Carsten Scheibe

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