Scheibes Kolumne Verrate deine Adresse nicht!

Schon den Kindern trägt man auf: Verrate fremden Männern weder deinen Namen noch deine Adresse. Im Internet vergessen viele Surfer ihre eigenen Vorsichtsmaßnahmen und verbreiten ihre E-Mail-Adresse ohne Rücksicht auf Verluste. Das kann fatal enden, wie stern.de-Kolumnist Scheibe weiß. Er ist seit Tagen dabei, alle unerwünschten Newsletter abzumelden.

Fehler sind dafür da, dass man aus ihnen lernt. Es wäre schön, wenn ich endlich damit beginnen würde. Ich weiß noch genau, was los war, als ich vor Jahren in die älteste Internet-Falle der Welt getappt bin. Irgendwo auf einer der mit Werbung vollgekleisterten Erotikseiten im Netz stand der unverfänglich klingende Vorschlag, doch bitte die eigene E-Mail-Adresse in ein Online-Formular einzutragen - sozusagen als simpler Altersnachweis. Anschließend würde sich für mich das Tor zum Super-Busen-XXL-El-Dorado öffnen. Ich kam gar nicht erst auf die Idee, dass ja schließlich auch Kinder bereits eine eigene E-Mail-Adresse besitzen können und der Adressen-Check demnach als Altersnachweis überhaupt nichts taugt. Breitwillig tippte ich meine Adresse in das Formular: Es war schließlich schon nachts um zwei und ich konnte nicht mehr klar denken. Natürlich tat ich das alles nur in meiner Funktion als PC-Journalist. Angewandte Recherche. Oder so.

Gefangen im Rotlichtviertel

Die Quittung für mein Tun folgte auf dem Fuße. Der pfiffige Betreiber der Super-Busen-Seite nutzte die zuhauf eingesammelten E-Mail-Adressen zappelig-notgeiler Besucher, um sie an alle Spam-Versender dieser Welt zu verkaufen, die auf die eine oder andere Weise etwas mit digitaler Erotik zu tun haben. In der Folge bekam ich mindestens zwanzig Schweinkram-Mails am Tag. Susi lud mich zum Seitensprung ein. Ich sollte Viagra im Ausland bestellen. Mein Penis könnte ins Unermessliche wachsen, wenn ich das nur wollte. Und ich wurde in Sexclubs eingeladen, in denen sich alte Großmütter, potente Schäferhunde und Transsexuelle mit Schnurrbart zusammen vergnügten - in durchaus unkeuscher Pose. Kurzum: Schon bald kam ich mir nicht nur morgens um zwei, sondern den ganzen Tag so vor, als wäre ich in einem virtuellen Rotlichtviertel gestrandet. Ich konnte die Mails gar nicht so schnell löschen, wie sie mein Postfach neu bevölkerten. Am Ende musste ich meine Mail-Adresse aufgeben und mir eine neue besorgen.

Wieder nichts gelernt

Ach wie schön waren die ersten Monate mit der neuen Adresse. Ich bekam deutlich weniger E-Mails zugestellt. Die wenigen Mails kamen aber alle von meinen Freunden, Bekannten und Geschäftspartnern. Und nicht von Fremden, die nur mein Bestes wollten - mein Geld. Leider machte ich schon bald einen Fehler. Für einen neuen Test in meiner Funktion als Computerschreiberling testete ich einen Gewinnspieldienst. Das ist ein Service, der nimmt Geld vom Anwender und trägt ihn dafür Monat für Monat in möglichst viele Online-Gewinnspiele ein. Das tat der von mir ausgewählte Dienst dann auch fleißig, wie ich an den eingehenden Bestätigungs-Mails der verschiedenen Firmen sehen konnten, die mir mitteilten, dass ich leider nicht gewonnen hatte - aber doch ganz bestimmt beim nächsten Mal. Was ich nicht wusste, war, dass der beauftragte Dienst mich nicht nur für die Gewinnspiele der Firmen eintrug, sondern auch für deren Newsletter. Inzwischen bekomme ich bald zwanzig Newsletter am Tag - alle im HTML-Format mit einem Dutzend eingebetteter Bilder, die erst noch aus dem Netz nachgeladen werden müssen. Leider habe ich keine Verwendung für Newsletter der Firmen Douglas, Tchibo oder Freenet. Ich möchte auch nicht wissen, wo es die günstigsten Last-Minute-Reisen gibt und wie ich Zeitschriften besonders günstig abonnieren kann.

Jetzt wird zurückgeschlagen

In den letzten Wochen habe ich die Newsletter deswegen einfach nur ungelesen gelöscht. Inzwischen verfahre ich anders. In jedem seriösen Newsletter gibt es einen Unsubscribe-Link, den ich nur anzuklicken brauche, um mich aus dem Newsletter-Abo wieder auszutragen. Das funktioniert in der Tat, zurzeit melde ich mich am Tag bei etwa zehn Newslettern ab. Klappt dies einmal nicht - etwa bei unseriösen Anbietern, die keinen entsprechenden Link anbieten - so greife ich zur virtuellen Baseball-Keule. Mein kostenloser E-Mail-Client "IncrediMail" bietet in der neuen Version einige interessante Funktionen, die vor allem in Kombination sehr effektiv einzusetzen sind. Bekomme ich jetzt Spam-Mails oder einen unkündbaren Newsletter ins Postfach gedrückt, so markiere ich die Mail und rufe die Funktion "Absender blockieren" auf. In der Folge werden neue Mails von dieser Adresse ohne jede weitere Rückfrage automatisch gelöscht. Weg damit. Zugleich wird die markierte Mail an den Absender zurückgeschickt. Der bekommt passend dazu die Nachricht, dass die Mail nicht zustellbar war. Der Gedanke dahinter: Mail-Adressen, die nicht funktionieren, werden vielleicht ganz automatisch aus dem Verteiler genommen. Im dritten Schritt löscht mein Programm die markierte Mail.

Ich gelobe Besserung und werde in Zukunft noch mehr aufpassen, wem ich meine Mail-Adresse gebe und wo ich sie im Internet eintrage. Ein Unsicherheitsfaktor bleibt: Unter dieser Kolumne und auf meiner Homepage ist die Mail-Adresse weiterhin sichtbar. Es hat den Anschein, als würden besonders skrupellose Spammer Roboter ins Netz aussenden, die E-Mail-Adressen aus den Homepages heraus extrahieren, um sie dann für ihre Werbemaßnahmen zu verwenden. Doch sei es drum. Meine Blockieren-Funktion hat sich gerade erst warm gemacht - die kann noch ein paar Adressen vertragen.

Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania

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