Scheibes Kolumne Wie uncool!

Stern.de-Kolumnist Carsten Scheibe trifft sich mit seinen Freunden Cookie, Jörgi und Robert in Pippos Pizzeria. Bei Fusselini und Bier vom Fass geht es bei diesem Small-Talk darum, ob es wirklich stimmt, dass das Computern inzwischen als uncool gilt.

Wir treffen uns an diesem Freitag im "Da Pippo" in Falkensee. Pippo wuselt zwischen den wenigen Tischen hin und her, verteilt Speisekarten und wechselt mit den Gästen das eine oder andere Wort. Nebenbei bringt er uns eine Runde Bier. Köstritzer Schwarzbier vom Fass.

Ich kann nicht länger an mich halten und muss meine Neuigkeit verkünden: "Wisst ihr, was ich mir heute geleistet habe? Meinen allerersten Farblaser. Von Samsung. Mit Duplexdruck und 64 Megabyte Arbeitsspeicher. Ihr wisst ja, ich muss ständig Kontroll-Layouts für meine Magazine ausdrucken. Das geht mit dem Farbtintenstrahldrucker zu langsam und kostet auch zu viel Geld. Tinte ist ja teurer als Champagner. Und jetzt habe ich mir endlich so ein Ding bestellt. Habs dank der Software Preispiraten.de im Internet billiger gefunden als beim Hersteller mit Presserabatt. Am Montag soll ich es schon haben. Ist eine Riesenkiste. Die stelle ich mir glaube ich unter meinen Schreibtisch. Oder meint ihr, ich soll den Drucker lieber auf die Platte stellen, damit ihn jeder sehen kann?"

Mehr Kolumnen

50 ausgesuchte Stern.de-Kolumnen von Carsten Scheibe finden Sie ab sofort auch in dem Büchlein "Computer-Wahnsinn", das der Publish-Verlag für 7,95 Euro anbietet.

Cookie starrt mich unter halb heruntergelassenen Augenlidern verächtlich an: "Weißt du was, Scheibchen? Das interessiert hier doch niemand am Tisch. Computer sind inzwischen voll uncool. Inzwischen hat doch jeder einen Rechner. Das ist wie ein Auto oder ein Handy. So etwas hat man, da quatscht man nicht mehr drüber. Oder willst du wissen, was ich mir für eine Politur gekauft habe, um die Sitzpolster in meinem BMW-Cabrio zu pflegen?" Mit einem verächtlichen "Pfft" setzt Cookie das Bierglas an und spült seinen Ärger herunter.

Einen DOS-Prompt auf die nackte Hinterbacke

Ich reagiere trotzig: "Nein, will ich nicht. Ich will aber auch nicht wissen, was für tolle Fotos Jörgis Handy macht und was er nun schon wieder für neue Klingeltöne ausprobiert. Das mit dem Computer ist doch auch etwas ganz anderes. Erinnert ihr euch, als wir uns früher immer sofort getroffen hatten, wenn einer die neueste Raubkopie von "Microsoft Multiplan für DOS" in die Finger bekam? Oder wie wir den Zettel mit der Komplettlösung von "Leisure Suite Larry" kopiert haben, weil man solch wichtige Informationen nicht mal eben im Internet nachschlagen konnte. Denn das gab es in der Form ja damals noch nicht. Und wie wir zum ersten Mal ungläubig auf Windows 3.0 gestarrt haben. Fenster, Jungs, Fenster! Und nicht mehr die unendliche Schwärze des DOS-Bildschirms. Erinnert ihr euch denn gar nicht mehr, dass der durchgeknallte Sven sich damals einen DOS-Prompt auf die nackte Hinterbacke hat tätowieren lassen?"

Jörgi winkt ab: "Schnee von gestern. Das ist vorbei. Inzwischen hat doch wirklich jeder einen eigenen Computer. Der eine schreibt Texte, der nächste spielt, wieder ein anderer brennt CDs. Das ist so etwas von normal geworden, darüber brauchen wir uns echt nicht mehr unterhalten. Die Kisten sehen ja auch noch immer so etwas von uncool aus. Die Jungs, die dann verzweifelt versuchen, die grauen PCs auch noch mit bunten Leuchtdioden aufzupeppen, sollten lieber mal damit anfangen, an Mädchen herumzuschrauben. Da hätten sie sicherlich mehr Spaß dabei." Jörgi schaut in die Ferne. Sicherlich schraubt er in Gedanken gerade kräftig mit. "Wer jetzt noch am Computer daddelt, trinkt auch Jägermeister oder hört Volksmusik. Alles voll uncool."

Stubenhocker sind inzwischen völlig out

Robert legt nach: "Stubenhocker sind inzwischen völlig out. Jetzt ist Sportmachen wieder angesagt. Die Leute verabreden sich wieder mehr miteinander, treiben Sport. Ich gehe nachher noch eine Runde Kajak fahren. Möchte jemand mitkommen?"

Ich schaue auf Roberts Teller, auf dem sich eine dicke Pizza über den Tellerrand schiebt, und lausche erstaunt den tiefsinnigen Gesprächen über Federball, Triathlon, Karate oder Fußball, die sich anschließen. Jörgi hebt sogar sein T-Shirt und zeigt seine blauen Flecke vom letzten Freundschaftsspiel seiner Fußballwerksmannschaft mit den Kollegen aus Polen. Da erzähle ich den Jungs wohl besser doch nicht, dass es vom kostenlosen OpenOffice im Frühjahr 2005 endlich die Version 2.0 geben wird. Und ich dachte, das wird die Nachricht des Tages.

Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania

PRODUKTE & TIPPS

Mehr zum Thema