"Lesen Sie mal eben den Artikel in der New York Times und sagen Sie mir, was Sie davon halten", sprach der Chef und rauschte durchs Zimmer. Jetzt aber schnell: Seite im Web aufrufen, Artikel lesen - und ins Stocken geraten. Der ungefähre Zusammenhang ist klar, aber was bedeuten diese ein, zwei Wörter eigentlich genau? Lexikon rauskramen, nachschlagen - und feststellen, dass man dasselbe Wort schon neulich einmal herausgesucht hat…
Viele kennen diese Situation. Wer eine Fremdsprache ordentlich, aber nicht perfekt beherrscht, stößt beim Lesen regelmäßig auf unbekannte Begriffe. Dann muss das schwere Dictionary aus dem Regal ran. Oder wenn's schnell gehen muss, helfen auch Online- und Wörterbücher. Doch diese Vokabeln richtig lernen - das funktioniert mit dieser Methode nicht.
Abhilfe will das Programm "Kolibri" schaffen, eine in Münster entwickelte Software zur Verbesserung des Sprachniveaus. Der Ansatz: Während der Nutzer fremdsprachige Dokumente liest, bekommt er nicht nur Übersetzungshilfen, die Software bastelt im Hintergrund auch eine Vokabel-Lernlektion zusammen, die individuell zugeschnitten ist.
Dann wollen wir mal…
Die Installation von Kolibri nimmt rund zehn Minuten in Anspruch, ist dank einer guten Benutzerführung aber einfach erledigt. Mit seinem hohen, schmalen Programmfenster hält sich das Vögelchen angenehm außer Sichtweite, bis es gebraucht wird. Übersetzungen einzelner Worte erledigt Kolibri einfach nach einem rechten Mausklick (bei gehaltener STRG-Taste) auf den fraglichen Begriff. Ein kleines Fenster mit der Übersetzung erscheint, wer noch mehr über das Wort - zum Beispiel kontextabhängige Bedeutungsveränderungen - erfahren will, klickt einfach "mehr" an. Dieses Feature hat im Test praktisch überall funktioniert, in Browsern, Textverarbeitungen, sogar auf Bilddateien. Auch in den Acrobat Reader bindet sich das Programm ein. Nur Fettdruck und verschnörkelte Schriften machen Probleme bei der Erkennung.
So weit, so traditionell. Übersetzungen per Mausklick gibt es schon lange. Doch Kolibri tut mehr: Es protokolliert alle übersetzten Wörter und bietet sie im Programmfenster gesammelt noch einmal zum Nachlesen an. Wurde ein Begriff bereits früher einmal herausgesucht, wird er rot als "vergessen!" markiert. Nach dem Motto: Das wusstest Du schon einmal! Im Menüpunkt "Wörterbuch/Vokabelliste" lassen sich außerdem die gesammelten Wörter zusammenstellen und ausdrucken, um sie zum Beispiel in der S-Bahn noch einmal durchzugehen.
Wortschatzsucher
Kolibris Wortsammelwut ist schon recht nützlich, wenn man gelegentlich einzelne Wörter nachschlägt. Seine ganze Stärke entwickelt der Übersetzungsflieger aber beim Surfen im Web mit dem Internet Explorer. Ist Kolibri aktiviert, untersucht es jede aufgerufene Website - und teilt dem Nutzer mit, welche Begriffe er vermutlich nicht kennen wird. So kommt man schon vor dem Lesen in Kontakt mit möglicherweise neuen Vokabeln. Das Ganze funktioniert so: Kolibri kennzeichnet einzelne Absätze und allein stehende Sätze mit einem kleinen Button. Das klappt sogar bei aufwändig gestalteten Websites, bringt allerdings das Seitenlayout ziemlich durcheinander. Diese Funktion lässt aber auf Knopfdruck an- und abschalten. Hat man einen Abschnitt gelesen und komplett verstanden, klickt man den Button an. Daraufhin übernimmt Kolibri alle Worte und fügt sie dem "Wortschatz" hinzu. Auf diese Weise erfährt das Programm immer mehr über den Kenntnisstand des Users und kann immer treffendere Vorhersagen machen, welche Worte er nicht kennt. Aus den Daten der Website-Analyse erstellt Kolibri außerdem intern eine Statistik, wie häufig nachgeschlagene Begriffe in den Texten vorgekommen sind. Die häufigsten Wörter landen in den Vokabellisten ganz nach oben.
Kolibri
Hersteller | |
Kategorie | Übersetzungs-/ Lernsoftware |
Plattform | Windows 2000/XP |
Preis | 19,95 Euro |
Fazit
Die Idee, den Wortschatz "nebenbei" und ganz individuell zu erweitern, ist charmant, und die praktische Umsetzung funktioniert. Zurzeit gibt es das Produkt nur in Englisch, weitere Sprachen sind in Planung, ebenso eine Unterstützung alternativer Internetbrowser wie Firefox. Wünschenswert wäre nur ein etwas umfangreicheres Standardwörterbuch. Das integrierte Dictionary von Harper-Collins (mit 27.000 Stichwörtern, 57.000 Übersetzungen und 37.000 Redewendungen) schwächelt gelegentlich, und zwar nicht bei Shakespeare, sondern schon bei der New York Times und CNN. Immerhin: Zusatzwörterbücher mit Fachvokabular beispielsweise für Mediziner sind geplant.