In Apples App Store gibt es mehr als eine Million Anwendungen. Doch trotz der mannigfaltigen Fülle des Softwareladens sind am Ende immer nur die gleichen vier, fünf Spielchen auf den Smartphones der Menschen zu finden. Hier ein "Angry Birds", da ein "Cut The Rope", gelegentlich gibt es noch einen neuen Trend, der unbedingt mitgenommen werden muss. Bis vor Kurzem war das "Quizduell", eine Wissenstest-App für Hobby-Klugscheißer und Besserwisser. Knapp 20 Millionen Nutzer übertrumpfen sich weltweit mit ihrem Wissen, 11 Millionen davon in Deutschland. Das klingt beeindruckend, ist auf dem rasant wechselnden App-Markt aber schon wieder kalter Kaffee: Der neue König der Handy-Charts heißt "Flappy Bird". Das Spiel wurde bereits mehr als 50 Millionen Mal heruntergeladen - dabei geht der Hype gerade erst so richtig los. Auch ich habe das Spiel ausprobiert. Und, so viel sei vorab verraten, es ist eine Geschichte des Scheiterns.
Ein Pixelvogel erobert die Welt
Worum geht es überhaupt in "Flappy Bird"? Die Hauptfigur ist ein kleiner, gelber, flügellahmer Vogel, der per Fingertipp in der Luft gehalten werden muss. Je öfter man drückt, desto höher fliegt der Flattermann durch die pixelige Welt, die optisch an ein Super-Mario-Abenteuer der frühen 90er erinnert. Das Problem: Nach wenigen Sekunden tauchen verschieden lange Röhren als Hindernisse auf, durch die der Vogel geschickt hindurchmanövriert werden muss. Denn berührt er eine der Röhren, fällt der Vogel wie ein Stein zu Boden - und es geht von vorne los. Klingt einfach, ist aber bockschwer.
Mein persönlicher Bestwert beträgt zehn Röhren. Zehn! Ich habe also etwa 20 Sekunden durchgehalten. Und ich bin weiß Gott kein Neuling auf diesem Gebiet: Ich spiele seit meinem sechsten Lebensjahr Videospiele, in "Angry Birds" habe ich fast in jedem Level drei Sterne, in "Temple Run" habe ich so ziemlich alles eingesammelt, was in den alten Dschungelruinen zu holen war. Doch "Flappy Bird" treibt mich in den Wahnsinn. Als ich das Spiel das erste Mal ausprobiere, scheitere ich direkt an der ersten Röhre. "Aha", dachte ich mir, "dann drücke ich halt eine Viertelsekunde später auf den Bildschirm, dann klappt das schon." Pustekuchen! Wieder knalle ich gegen die erste Säule. Und weil es so schön war, gleich nochmal.
Die Menschen lieben das Leiden
Dann ein kurzer Lichtblick: Ich schaffe es durch die erste Röhre, passiere die zweite, krache aber im Steilflug gegen die dritte. Ich wimmere ein bisschen, doch jetzt will ich es durch die nächste Röhre schaffen. Neuer Anlauf, hallo Röhre Nummer eins, wir kennen uns ja schon. Es ist zum Ins-Smartphone-beißen. Bei keinem Spiel ist die Wahrscheinlichkeit, das Handy gefrustet in die Ecke zu werfen, so hoch wie bei diesem. Warum tue ich mir das an? Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht. Es gibt keine Handlung, kein Ziel. Vermutlich sieht jedes Spiel schöner aus als dieses. Die Musik ist grauenvoll und sollte auf jeden Fall ausgeschalten werden.
Trotzdem: Ich starte das Spiel immer wieder von vorne. So wie mir geht es Millionen Menschen. Sie alle leiden und verzweifeln an "Flappy Birds", doch sie tun es freiwillig und mit Freude. Das Spiel gibt es seit September 2013. Doch erst in den letzten Wochen ging der Hype los. Ob in der U-Bahn oder beim Warten im Schuhladen - überall schieben Menschen einen Vogel an Röhren vorbei, nur um kurz darauf loszuseufzen. Im App Store gibt es fast 630.000 Bewertungen, im Schnitt vergeben die User vier Sterne.
Wer ist dieser Dong?
Entwickelt wurde das Spiel von Dong Nguyen, einem 29 Jahre alten Hobbyentwickler aus Vietnam. Zwei, maximal drei Tage hat er an dem Spiel programmiert, erzählte er dem Portal "Techcrunch". Nun macht es ihn zu einem reichen Mann: Zwei bis drei Millionen Menschen täglich laden sich derzeit das kostenlose "Flappy Birds" neu herunter. Und sie alle bekommen immer wieder Werbebanner zu sehen, die während des Spiels angezeigt werden. 50.000 Dollar verdient er am Tag, das Ende der Fahnenstange dürfte noch lange nicht erreicht sein. Zwei weitere Apps von ihm sind bereits in die Charts gerückt.
Als ich zehn Röhren geschafft habe und meine erste Medaille bekomme, platze ich fast vor Stolz. Ich überlege kurz, die App zu löschen, kann es dann aber doch nicht. Stattdessen krache ich nochmal gegen Röhre Nummer vier. Ich wollte wissen, wer dahinter steckt. Ich tippe Dongs Namen in den Google-Suchschlitz ein, doch alles was ich zu sehen bekomme, sind asiatische Bikinischönheiten. Vermutlich will er nicht erkannt werden. Er wird schon wissen, warum: Liest man die Rezensionen im Internet, scheinen ziemlich viele Leute ziemlich wütend auf ihn zu sein, weil er ihnen so viele Nerven und wertvolle Stunden klaut. Und gleichzeitig sind sie ihm so dankbar, für die Ablenkung die er ihrem in ihrem tristen Alltag verschafft. Da bleibt einem nur eines übrig: tapfer durchhalten und auf den nächsten Hype warten.