Ein knappes Jahr ist es her, dass Apple seinen eigenen Streaming-Dienst vorstellte - und mit zahlreichen Konventionen der Konkurrenten brach. Bei der Vorstellung setzte man ganz auf große Namen, starke Ideen und vor allem auf enorm hochwertige Eigenproduktionen. Ein Jahr später scheint man das anders zu sehen: Apple geht gerade auf Shopping-Tour.
Der Konzern befindet sich aktuell in Verhandlungen mit mehreren Hollywood-Studios, berichtet "Bloomberg" unter Berufung auf Insider. Die Besonderheit: Apple soll nicht mehr ausschließlich exklusive Neuproduktionen ordern - sondern seinen Katalog erstmals auch um ältere Serien und Filme erweitern.
Radikaler Umschwung
Damit wendet Apple sich vom bisherigen Prinzip seines Streaming-Dienstes ab. Während die Konkurrenten wie Netflix, Amazon Prime Video und auch Disney+ auf gigantische Serien- und Filmangebote mit einer Mischung aus Neuproduktionen, beliebten Klassikern und weniger bekannten älteren Inhalten setzen, hatte Apple TV+ sich davon hart abgegrenzt - und Klasse statt Masse zum Prinzip erhoben. Der Katalog war im Vergleich sehr klein, baute eher auf ambitionierte Ideen, sehr hochwertige Produktion und Starpotenzial. Eine Sparmaßnahme war das nicht: Mit "The Morning Show" und "See" hatte Apple zum Start des Dienstes im November die beiden teuersten Serienstaffeln der Branche im Portfolio.
Auch mit den Neuzugängen soll der Fokus weiter auf den Eigenproduktionen liegen, behaupten die Insider. Das dürfte bedeuten, dass Apple den eigenen Katalog zwar vergrößern, die selbstentwickelten Formate aber nicht im Schatten der zusätzlichen Inhalte verschwinden lassen will. Der Konzern habe entsprechend noch keine großen Franchises oder Blockbuster eingekauft, so "Bloomberg". An in letzter Zeit abgeschlossenen Bietgefechten um die Serien-Superhits "Seinfeld" (ging an Netflix) und "Friends" (in Deutschland nun bei Amazon Prime Video) hatte sich Apple nicht beteiligt.

Die Konkurrenz liegt vorn
Der Strategie-Wechsel soll gute Gründe haben. Seit November konnte Apple weltweit zwar schon 10 Millionen Abonnenten gewinnen. Knapp die Hälfte würde das Abo aber praktisch nicht nutzen, behaupten die Insider. Dabei spielt sicher auch eine Rolle, dass nur knapp 30 Produktionen im Abo enthalten sind und andere Filme, Serien oder Channels genannte Pakete extra hinzugekauft werden müssen.
Im Vergleich zur Konkurrenz sind die Abozahlen zwar passabel, ein krachender Erfolg sind sie aber nicht. Disney+ konnte mit seinem gigantischen Katalog von "Star Wars"-, Marvel- und Pixar-Blockbustern sowie den Unmengen an Disney-Klassikern bereits am ersten Tag 10 Millionen Abonnenten verzeichnen, innerhalb weniger Monate konnte man die Zahl auf über 50 Millionen steigern. Auch Netflix wuchs in der Corona-Krise deutlich stärker, legte allein im ersten Quartal um 16 Millionen Nutzer zu.
Hinzu kommt: Während nahezu alle Netflix- und Disney-Abonnenten für die Dienste zahlen, wird das bei Apple noch längst nicht der Fall sein. Weil der Konzern Apple TV+ beim Kauf eines Apple-Gerätes für ein Jahr kostenlos beilegt, dürfte ein ordentlicher Teil der Zuschauer bislang noch keinen Cent extra für den Streaming-Dienst berappt haben. Spätestens im Herbst, wenn die ersten kostenlosen Abos auslaufen, dürfte sich zeigen, wie vielen Zuschauern das Angebot die monatliche Gebühr von 5 Euro wert ist.
Langer Atem
Für Apple geht es allerdings ohnehin nicht um den kurzfristigen Erfolg. Anders als Netflix und Disney ist der Konzern nicht allein auf die Einnahmen aus dem Entertainment-Business angewiesen, die Haupteinnahmen kommen nach wie vor aus Hardware-Verkäufen. Apple kann es sich also leisten, auf lange Sicht zu planen.
Auf Dauer soll Apple TV+ aber weit mehr werden als ein Hobby. Gemeinsam mit der übrigen Service-Sparte aus Cloud-Dienst, App Store und iTunes soll sich der Streaming-Dienst als festes Standbein etablieren und die langsam aber sicher einbrechenden Gewinne des einstigen Goldesels iPhone auffangen. Bisher geht der Plan auf: Seit 2015 haben sich die Einnahmen aus der Service-Sparte verdreifacht. Mit 13,3 Milliarden Dollar machten sie im letzten Quartal ganze 23 Prozent von Apples Gesamteinnahmen aus - bei der mit Abstand höchsten Marge.
Quelle:Bloomberg