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Soziale Netzwerke Bürgerrechtler kritisieren: "Facebook ist ein Kommunikationsverbrechen"

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg
Die Höchststrafe von 500.000 Pfund dürfte Mark Zuckerberg aus der Portokasse bezahlen, aber es wird nicht die letzte Strafzahlung für Facebook sein.
© Blondet Eliot / ABACA / Picture Alliance
Rena Tangens und padeluun von "Digitalcourage" haben Facebook schon vor Jahren einen Big Brother Award verliehen. Die Bürgerrechtler stellen das von zwei Milliarden Menschen genutzte System grundsätzlich in Frage.

Facebook hat 2011 für das Geschäftsmodell einen Big Brother Award erhalten. Wieso?

padeluun: Facebook ist ein Kommunikationsverbrechen und ein Kommunikationsverbechersyndikat, das eigentlich abgeschafft gehört. Mit dem Konzept, das hinter Facebook steht, kann Kommunikation nicht funktionieren. So wie Facebook darf man das nicht tun, denn das Facebook-System muss immer Hass, Neide, Streit, Extremes, Abstruses bieten, sonst kann es (finanziell) nicht funktionieren.

Das sind heftige Vorwürfe. Geht es etwas präziser, bitte?

padeluun: Wir haben in den Achtziger Jahren dezentrale Netze aufgebaut und dabei erforscht, wie eine Kommunikationsgesellschaft aufgebaut werden muss. Facebook hat einfach alles das, was wir – und andere – erforscht haben, ignoriert und ein dummes, unbrauchbares, irreparables Produkt geschaffen. Wir als Gesellschaft haben seit 2004 zugelassen, dass eine Technik komplett falsch aufgebaut wird, die ins Soziale hineinregiert und das Soziale dabei zerstört. Wir sehen das Ausmaß der Zerstörung unter anderem in einer Radikalisierung der Kleingeistigkeit.

Facebook hat weltweit zum Aufstieg von Populisten beigetragen. Vermuten sie dahinter etwa Absicht?

padeluun: Ich glaube, den Leuten hinter Facebook ist das teilweise einfach egal und teilweise recht. Facebook ist wahrlich kein Hort der Demokratie. Facebook-Investor Peter Thiel sagt allen Ernstes: Freiheit und Demokratie sind nicht miteinander vereinbar. Er meint, dass durch Demokratie so ärgerliche Dinge wie Arbeitnehmerrechte beschlossen wurden und es deshalb keine unbeschränkte unternehmerische Freiheit mehr gibt. Achja, das Frauenwahlrecht findet Peter Thiel auch falsch. Und so einem Typen rollt die deutsche Politik den roten Teppich aus! Jetzt haben wir eine Welt, bis hin zu Trump, die reichen Leuten Spaß macht und alle anderen sitzen hier unten und verzweifeln.

Rena Tangens: Wir sind nicht nur Konsumenten, sondern wir haben auch Rechte als Bürgerinnen und Bürger einer Demokratie. Daher organisieren wir die Demonstrationen "Freedom not fear" in Brüssel mit und "Freiheit statt Angst" in Berlin. Hey, bei der #unteilbar-Demo, die Digitalcourage mitorganisiert hat, waren 242.000 Menschen auf der Straße!

Facebook hat sich in der Vergangenheit immer wieder für Datenschutzverstöße entschuldigt. Ist das glaubwürdig?

Rena Tangens: Immer wenn sie erwischt werden, sagen sie 'Aber wir machen das ja auch schon gar nicht mehr.' Aber letzten Endes ist das Problem nicht der einzelne Datenschutzverstoß, sondern das ganze System Facebook, denn die gesammelten Daten sind ihr Kapital.

Die Digital-Aktivisten Rena Tangens und padeluun bei der Verleihung des "Big Brother Awards"
© Robert B. Fishman/ / Picture Alliance

Digitalcourage

Der Verein Digitalcourage aus Bielefeld engagiert sich seit 1987 "für Grundrechte, Datenschutz und eine lebenswerte Welt im digitalen Zeitalter.“ Seit 2000 verleihen die Bürgerrechtler den Negativpreis "Big Brother Award“ an datengierige Unternehmen, Organisationen oder Behörden.

Was sollte Facebook ändern?

Rena Tangens: Wir fordern offene Schnittstellen bei Facebook, damit es endlich Wettbewerb mit konkurrierenden Anbietern gibt statt einer Insellösung von einem einzigen Konzern. Dann könnte ich mir einen anderen Social-Media-Anbieter aussuchen, der vielleicht einen oder fünf Euro im Monat kostet, aber mich nicht ausspäht - und könnte trotzdem weiter mit Facebook-Nutzern Nachrichten austauschen. Bei E-Mail funktioniert das: Ich kann mir den Provider frei auswählen und kann mit allen anderen Mail austauschen. Das ist die Interoperabilität, die wir uns wünschen. Bisher profitiert Facebook vom Netzwerkeffekt: Die Leute gehen dahin, wo schon viele andere sind. Doch viele sind nur mit großen Bauchschmerzen bei Facebook, weil sie das Geschäftsmodell und den mangelnden Datenschutz fragwürdig finden.

Sind Messengerdienste eine Alternative?

Rena Tangens: Viele wissen gar nicht, dass WhatsApp auch zum Facebook-Konzern dazugehört. Die sagen dann: Ha! Ich bin nicht mehr bei Facebook. Die Leute organisieren Hausaufgabengruppen oder Seminare an der Uni darüber.

Werden die großen Internetkonzerne wie Facebook, Google, Apple und Amazon immer noch unterschätzt?

padeluun: Die meisten, die da draußen als Berater herumlaufen und von Algorithmen faseln, haben nicht verstanden, wie die Technik in unser Leben einwirkt und dass man das auch anders machen kann, dass man die Technik auch gut verwenden kann, ohne dass man die Gesellschaft gegen die Wand fährt.

Wie erfolgreich ist die Lobbyarbeit von Facebook in Deutschland?

Rena Tangens: Der deutschen IT-Branchenlobby Bitkom haben wir den Big Brother Award im letzten Jahr verliehen. Bitkom hat einen sehr starken Einfluss auf die Digitalpolitik - Politiker plappern nach, was Bitkom ihnen sagt. Doch dieser Verband vertritt keine deutschen Interessen. Bei Bitkom bestimmen die großen amerikanischen Konzerne, wo die Musik spielt. Bei Veranstaltungen sitzen tatsächlich Leute von Facebook als Bitkom-Vertreter auf dem Podium. Da kann ich mich nur an den Kopf fassen, denn die Interessen von Facebook sind andere als die von deutschen Unternehmen, die sich fairerweise an die Regeln in Deutschland und der EU halten.

Das wäre dann ein Fall für die Aufsichtsbehörden. Wie wird konkret Einfluss ausgeübt?

Rena Tangens: Es wird etwa ein Begriff wie Eigentum an Daten besetzt. Das klingt erst mal toll: 'Meine Daten gehören mir‘. Aber das ist Quatsch. Man verliert nämlich sein Persönlichkeitsrecht. Man gibt ein viel stärkeres Recht auf. Und Eigentum kann man veräußern oder jemandem schenken. Diese Unternehmen, die da Lobbying machen, wollen, dass Menschen über den Tisch gezogen werden und ihre Daten – und damit einhergehend ihre Würde – preisgeben.

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