Es herrscht rege Betriebsamkeit im Apple Store an der Rosenthaler Straße. Angestellte in den typischen blau-weißen Shirts huschen umher, polieren vor Ladenöffnung iPhones und richten die schicke Auslage. Noch wissen die Mitarbeiter nicht, welcher hohe Besuch sie heute beehren wird. Als zwei Stunden später Tim Cook den mittlerweile vor Kundschaft brummenden Laden betritt, bricht Jubel aus. Der Apple-Chef persönlich ist in Berlin. Und will über Apps sprechen.
Die kleinen, bunten Kacheln sind nicht nur das Herz unserer Smartphone-Erfahrung und lassen iPhone und Co. zum Chat-Gerät, zum Navigationsgerät und zum Videoportal werden. Sie sind auch ein immer wichtigeres Geschäftsfeld. Und das nicht nur für Apple. "Man kann sich darüber ausdrücken und es sofort einer Milliarde Menschen rund um den Globus anbieten", schwärmt Cook im Gespräch mit dem stern. "Das ist unglaublich, es ist ein ökonomisches Wunder."
Job-Motor App Store
Tatsächlich arbeiten Millionen von Entwicklern jeden Tag daran, den Kunden mit Apps neue Ideen, ungedachte Nutzungsszenarien und spannende Erfahrungen präsentieren zu können. Alleine in Deutschland sind 400.000 Menschen direkt und indirekt über den App Store beschäftigt, erklärte Apple im Frühjahr.
Rasa Žiema, Jonas Gössling und Markus Hallermann sind drei von ihnen. Sie dürfen als Vertreter ihrer Teams dem Apple-Chef ihre Apps Dogo, Flowkey und Komoot (in derselben Reihenfolge wie oben) präsentieren. Cook lässt sich inmitten des gut gefüllten Apple Store das Klavierlernen mit Flowkey voführen, in Komoot die clevere Umsetzung von individuellen Wanderstrecken erklären und schließlich von Hund Ninja die Tricks zeigen, die ihm Herrchen Dominik mit Hilfe von Dogo beigebracht hat.
Cook wirkt hochkonzentriert, nimmt die Ausführungen der etwas aufgeregten Entwickler gespannt auf. Und zeigt sich immer wieder begeistert von der Umsetzung der erfolgreichen Apps. "Man kann sich den Lerngrad selbst auswählen?", fragt er etwa bei der Klavierapp Flowkey nach, möchte wissen welche Sportarten die Outdoor-App Komoot unterstützt. "Ich wünschte, ich hätte die Zeit dazu", zeigt der Wanderfan lachend seine Begeisterung. Am Ende bekommt Ninja für seine Tricks den Hals gekrault.
"Jede der Apps hat einen einzigartigen Nutzen und es steht etwas dahinter, dass ihre Leidenschaft ausgelöst hat, sie in eine App-Form zu bringen", erklärt der Apple-Chef im Nachgang seine Wertschätzung für die gezeigten Apps.
Er selbst will nicht mehr auf die kleinen Icons verzichten. "Es gibt einfach so viele und ich nutze eine so große Spanne an Apps", erklärt er. "Ich bin auch sehr neugierig und probiere immer neue aus. Und ich werde auch einige von denen, die ich heute entdeckt habe ausprobieren. Ich komme einfach nicht durch den Tag, ohne Apps zu nutzen. Dieser alte Slogan – 'Dafür gibt es eine App' – der ist sehr klar Teil meines Lebens."
Das sind laut Apple die zehn besten Apps des Jahres
Ein digitales Puppenhaus mit schier unendlichen Möglichkeiten zu spielen - das ist "Toca Life: World". Der Fantasie sind dabei kaum Grenzen gesetzt, solange es im kinderfreundlichen Rahmen bleibt. Dazu kann man auch das Alter der Kleinen eintragen und es durchaus auch mal alleine mit dem Spiel hantieren lassen. Das kostenlose Grundspiel bietet schon sehr viele Möglichkeiten, einige kleinere Käufe erlauben weitere Szenarien und Zusatzgegenstände. Teure Kostenfallen wie bei manchen anderen Spielen gibt es nicht, selbst das teuerste Zusatzset ist mit einem einmaligen Kauf von 13 Euro noch moderat bepreist.
Erst Apps machten das Smartphone groß
Der App Store war für Apple zunächst nur ein Nachgedanke. Als Steve Jobs 2007 das erste iPhone präsentierte, gab es nur eine Sorte Apps: die von Apple. Alle weiteren Funktionen sollten über Webseiten hinzukommen. Erst mit dem Nachfolgemodell iPhone 3G stellte Apple 2008 dann auch den App Store vor – und ließ das Smartphone zu dem allkönnenden Alltagsbegleiter werden, als den wir es heute mit uns herumtragen.
Heute ist der App Store für den Konzern auch ein riesiges Geschäft. 30 Prozent kassiert Apple für jeden Kauf, seien es Einmalzahlungen oder über die Apps abgeschlossene Abos. Für kleinere Anbieter, die weniger als eine Millionen Dollar im Jahr verdienen oder weniger als eine Millionen Downloads haben, wird die Gebühr halbiert. Auch verschiedene Dienste wie Streaminganbieter müssen weniger abtreten.
Für die meisten Entwickler ist es trotzdem ein guter Deal, berichten die drei Vertreter der Branche einstimmig. "Ich war überrascht, wie viel wir von Apple an Unterstützung erhalten", berichtet etwa Jonas Gössling. "Ich dachte: Man lädt da seine App hoch und das war es dann. Aber ob bei Fragen, bei der Abrechnung oder Problemen ist Apple wirklich die ganze Zeit für uns da."
Nun muss man sagen, dass Komoot, Flowkey und auch Dogo eine etwas intensivere Betreuung erhalten. Sie sind Teil des "App Store Foundations Program", in dem Apple ausgewählte App-Entwickler besonders fördert und unterstützt. Etwa, weil sie besonders vielversprechende und gut umgesetzte Apps betreiben. Sie werden dann gezielt gefördert, bekommen Hilfe bei der Umsetzung und für die Werbung.

Deutsche Apps sind ein Exportschlager
Die deutschen Entwickler werden international als Erfolgsfall gesehen. Nach dem alten Prinzip des Exportweltmeisters sind auch die mittelständischen App-Entwickler international überdurchschnittlich erfolgreich. Mehr als 75 Prozent der Einnahmen deutscher App-Entwickler stammen laut Apple aus dem internationalen Geschäft. Zwar gibt es keine Welthits wie Instagram und Co., Apps wie Komoot, Dogo und Flowkey sind aber auch bei weltweiten Nutzern sehr beliebt.
Das ist auch deshalb so, weil Apple es einfach mache, seine App auch in anderen Ländern anzubieten, berichten die drei Entwickler einstimmig. "Die größte Hürde für uns war, in anderen Ländern eine Community aufzubauen", berichtet Markus Hallermann. Komoot ist besonders deshalb so beliebt, weil man seine Routen an den landschaftlichen Highlights entlang planen kann. Und die stammen eben von den Nutzern vor Ort. Die App selbst anzubieten sei dagegen gar keine Hürde gewesen. "Das macht Apple automatisch, inklusive der Abrechnung und Steuern."
Dass Deutschland und vor allem Berlin für die App-Entwicklung so interessant ist, erklärt sich Cook auch mit der Stimmung in der Stadt. "Berlin ist sehr divers, schauen Sie sich nur hier im Laden um. Es ist eine sehr diverse Menschengruppe, und sie sind so lebhaft", freut er sich über die Gruppe aus den unterschiedlichsten Stilen und Hintergründen. "Es gibt viele junge Menschen hier, einen Willen, die Welt zu verändern. Und das alles gemeinsam mit Zugang zu Risikokapital – da kommen die richtigen Zutaten zusammen."
Der App Store ist nur ein Puzzle-Teil
Für Apple ist der App Store natürlich nicht das Hauptgeschäft. Zwar kündigte Cook bereits vor einigen Jahren an, die Service-Sparte – zu der neben dem App Store auch Streaming-Angebote wie Apple Music und Apple TV+ oder das noch recht junge Fitness-Abo gehören – zu einer der wichtigsten Einnahme-Quellen auszubauen. Cook sieht es aber trotzdem in erster Linie als Ergänzung.
"Wir standen schon immer für eine Kombination aus Hardware und Software", erklärt er die Strategie. "Und wir haben die Service-Komponente hinzugefügt, weil wir glauben, die Magie entsteht, wenn diese Dinge zusammenkommen, in einer Art, wie nur Apple das kann."
Das Nebengeschäft lohnt sich aber allemal. Genaue Angaben macht der Konzern zwar nicht, indirekt kann man die Größe aber erahnen. Mehr als 60 Milliarden Dollar habe man 2021 an die Entwickler ausgeschüttet, verkündete Apple im Januar. Bedenkt man die Abgabe zwischen 15 und 30 Prozent, würde das Einnahmen von zehn bis 25 Milliarden Dollar im letzten Jahr bedeuten, die Wahrheit liegt vermutlich ungefähr in der Mitte. Zum Vergleich: Mit iPhone-Verkäufen hatte man im selben Zeitraum 191 Milliarden Dollar eingenommen, das iPad spülte 31 Milliarden Dollar in Apples Kassen.
Tipps für junge Entwickler:innen
Cook brennt aber auch für die Idee, die App-Entwicklung als Chance zu sehen. Anfang der Woche antwortete er persönlich auf einen Brief einer nur neunjährigen Entwicklerin aus Indien, um sie zum Weitermachen zu ermutigen.
"Ich würde ihnen sagen, dass es keine Grenzen gibt. Und sie ihrer Leidenschaft folgen sollten, herauszufinden, was sie zu unserer Welt beitragen wollen. Und dann programmieren zu lernen, um sich in einer Weise auszudrücken, die vielen Menschen offen steht", beantwortet er die Frage, was er gerne jedem jungen Entwickler mitgeben möchte.
"Am Ende ist programmieren eine einfache Sprache und man kann sich darüber in einer Weise ausdrücken, die eine Milliarde Menschen berühren kann. Wie viel mehr können wir uns wünschen, als einen Beitrag von solcher Reichweite leisten zu können?"
In Berlin wird das durchaus gelebt: Vor dem Besuch im Apple Store, im Café in Berlin Mitte, unterhalten sich zwei hip aussehende Entwickler auf Englisch über ihre Erfahrungen mit Apples Betriebssystem, die Herausforderung ein grafisches Interface nur in Programmcode zu bauen. "Ich will irgendwann meine eigene Firma gründen", erklärt einer von ihnen. "App-Entwicklung ist einfach sehr befriedigend. Man hat das Gefühl, alles sei möglich, wenn man es nur umsetzen kann. Das ist bei Coding einfacher als im echten Leben."