"Ahmadinedschad ist der größte Lügner aller Zeiten", schimpft Nutzer "angry_lion" beim Microblogging-Dienst Twitter. Teilnehmer "Change_for_Iran", der nach eigenen Angaben in einem Wohnheim in Teheran festsitzt, twittert: "Alle hier sind so durcheinander- was ist real und wem können wir trauen?". Nach der Präsidenten-Wahl am Wochenende ist der Iran in Aufruhr, nicht nur auf den Straßen Teherans, sondern auch auf den Kommunkationswegen des 21. Jahrhunderts.
Die journalistische Berichterstattung aus dem Iran ist nach der umstrittenen Wahl weiter massiv eingeschränkt worden. Auch ausländische Medien sind von der Zensur betroffen. Die Arbeit von ARD und ZDF wurde massiv behindert. Genauso ging es schwedischen, italienischen und arabischen Sendern.
Wo die etablierten Medien nicht weiter kommen, übernehmen iranische Bürger die Berichterstattung. Sie schlafen kaum und bloggen rund um die Uhr aktuelle Geschehnisse, informieren über Demonstrationen und warnen vor Tränengaseinsätzen der Polizei. Für sie ist ganz klar: Egal wie die Situation endet - die Macht des Internets wurde auch im Iran neu definiert.
"Marg bar dictator"
Die Unterstützer des unterlegenen Reformkandidaten Mir Hussein Mussawi nutzen das Mobilfunknetz und Web-2.0-Dienste wie Facebook, Twitter, Youtube und Flickr, um aus ihrem Heimatland zu berichten und ihrer Wut über den - ihrer Meinung nach durch Betrug zustande gekommenen - Wahlsieg von Hardliner-Präsident Mahmud Ahmadinedschad Ausdruck zu verleihen.
"Marg bar dictator" - "Tod dem Diktator" ist sehr häufig auf Twitter zu lesen, wo unter dem Sammelbegriff #IranElection im Sekundentakt neue Kurznachrichten zur Wahl eintrudeln. So läuft es auf allen Kanälen des Social Web. Wie authentisch jede einzelne Nachricht dabei ist, lässt sich nicht immer sagen. Für die Betroffenen im Land aber ist die Kommunikation mit Gleichgesinnten das Wichtigste - obwohl die Angst groß ist: Ihre echten Namen sollen nicht genannt werden, und auf Fragen wie: "Gehst du zu Demonstration XY?", kommt keine direkte Antwort - aus Furcht, abgehört zu werden. Repliken lesen sich so: "Ich erlaube mir, deine Frage unkommentiert zu lassen".
Die Machthaber haben erkannt, wie mächtig die Kommunikationstechnik in den Händen der wütenden Mussawi -Anhänger sein kann. Sie sollen zum Schweigen gebracht werden. Das zeitweise ausgefallene Mobilfunknetz wurde inzwischen wieder in Betrieb genommen, es ist jedoch weiter nicht möglich, Kurzmitteilungen zu verschicken. Vor allem die zumeist jüngeren Anhänger des unterlegenen Kandidaten nutzten SMS-Nachrichten bereits im Wahlkampf intensiv. Auch die Internet-Zensur wurde von der Regierung in Teheran deutlich verschärft. Die auch im Iran beliebten sozialen Netzwerke Facebook oder Twitter beispielsweise waren am Sonntag nicht mehr erreichbar. Auch die Video-Plattform Youtube war nur noch eingeschränkt zugänglich. Ziel der staatlichen Aktionen: die Koordinierung der Protestbewegung und die Verbreitung von Nachrichten über die Unruhen zu behindern. Doch die Iraner sind erfinderisch. Tipps zur Umgehung der Zensur sowie Adressen von alternativen Proxy-Servern - Rechner, über die der Zugriff auf zensierte Inhalte möglich ist - machen ständig die Runde.
Die Regierung redet die Beschränkungen klein. Bei einer Pressekonferenz sagte Ahmadinedschad: "Machen Sie sich keine Sorgen über die Freiheit im Iran".
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