Klage in den USA "Manipulation, Zwang und Täuschung": Amazon soll Kunden Prime untergejubelt und Kündigungen erschwert haben

Amazon Paket
Amazon Prime ist enorm erfolgreich
© Fleig / Eibner-Pressefoto/ / Picture Alliance
Wegen seines Prime-Abo muss sich Amazon in den USA vor Gericht verantworten. Und sich für allerlei fragwürdigen Praxen rechtfertigen.

Schnellerer und kostenloser Versand, ein Video- und Musikstreamingangebot und jede Menge Rabatte: Eigentlich ist der Abodienst Amazon Prime für viele Kunden des Handelsriesen ein attraktives Angebot. Doch glaubt man der US-Handelsaufsicht FTC sind längst nicht alle der Abonnenten auch freiwillig Primekunden. Nun hat die Behörde deshalb Klage gegen den Konzern eingereicht.

"Jahrelang hat das Unternehmen Amazon bewusst Millionen Kunden hinters Licht geführt, um sie ohne ihr Wissen seine Prime-Angebot abonnieren zu lassen", behauptet die Behörde in der am Mittwoch bei einem Gericht in Amazons Heimat Washington eingereichten Klage. Die Behörde will das der Firma dauerhaft untersagen. Und auch Schadensersatz für die Kunden sowie Geldstrafen für den Konzern erwirken.

"Manipulation, Zwang und Täuschung"

Konkret geht es um einen klaren Vorwurf: Amazon soll es bewusst einfach gemacht haben, versehentlich ein Prime-Abo abzuschließen. Andererseits habe es der Konzern Kunden die Kündigung gezielt erschwert. Ein Klick auf "Mitgliedschaft beenden" habe etwa nicht zur Kündigung geführt, sondern nur eine Seite mit dem eigentlichen Kündigungsprozess geöffnet. Dieser habe dann vier weitere Webseiten, mindestens sechs Klicks und ein Menü mit 15 Optionen umfasst. Zum Abschließen des Abos seien andererseits nur ein oder zwei Klicks nötig.

Zudem wirft die Behörde dem Unternehmen vor, "in seiner Benutzerfläche Manipulation, Zwang und Täuschung zu nutzen, sogenannte Dark Patterns, um Kunden eine sich automatisch verlängerte Prime-Abonnement unterzujubeln." Als Dark Patterns bezeichnet man eine Benutzerführung, die auf Webseiten oder in Apps gezielt die vom Unternehmen gewünschten Buttons hervorhebt und andere Optionen so unscheinbar macht, dass man sie übersieht. Die Kunden werden so dazu gedrängt, gegen ihre eigentlichen Interessen zu agieren.

In Amazons Fall war das extrem. Auf der ersten Seite des Kündigungsprozesses wurden die Kunden an "Ihre Reise" mit Amazon und ihre Bestellungen erinnert, auf der zweiten bekamen sie dann Alternativen zum aktuellen Abonnement und teilweise auch attraktivere Preise angeboten. Auf beiden Seiten musste man jeweils die eine richtige von mehreren Optionen anklicken – oder die Kündigung wurde abgebrochen. Auf der letzten Seite musste man dann gar zwischen fünf verschiedenen Optionen wählen. Nur eine einzige von ihnen beendete dann tatsächlich das Abo.

Die Odysee der Kündigung

Wie schwer die Kündigung war, sei auch Amazon bewusst gewesen, argumentiert die Klage. Laut der FTC war der Kündigungs-Prozess intern als "Illias" benannt, also nach dem griechischen Epos um den Kampf um Troja – der schließlich mit dem berühmten trojanischen Pferd beendet wurde. "Amazon hat den Prozess bewusst als Labyrinth gestaltet", ist die Behörde überzeugt. Die Unternehmensführung habe sogar Änderungen verhindert, die eine Vereinfachung des Prozesses zur Folge gehabt hätten. "Weil diese Änderungen Amazons Gewinne beeinrächtigt hätten", ist die Behörde überzeugt.

Tatsächlich hat der Konzern in den USA bereits reagiert. Als Reaktion auf die Ermittlungen der Behörde wurde im April diesen Jahres den Prozess bereits leicht vereinfacht, betont die Klage. Eine echte Hilfe sei der Konzern aber nicht gewesen, behauptet die Klageschrift. Indem immer wieder angeforderte Dokumente nicht fristgerecht eingereicht worden seien, habe Amazon die Ermittlungen sogar behindert.

FTC-Chefin hat es auf Amazon abgesehen

Dass es irgendwann krachen würde, war abzusehen. Die seit 2021 amtierende FTC-Chefin Lina Khan gilt als lautstarke Kritikerin Amazons. Schon während ihres Jurastudiums hatte sie mit Kartelrechts-Argumentationen am Beispiel des Handelsriesen für Furore gesorgt. Die Macht der Internetkonzerne und ihre Nutzung von Dark Patterns sind ihr ein Dorn im Auge. Die Klage gegen Amazon ist Teil einer größeren Bemühung, die lange Zeit ungezügelte Freiheit der Techriesen in den USA nach europäischem Vorbild einzudämmen.

Prime gilt als wichtiger Teil dieser Bemühungen. Kritiker argumentieren, das Abonnement binde in seiner Kombination aus schnellem und kostenlosem Versand Kunden zu stark an Amazon – und verstärke so die ohnehin schon extrem starke Position des Händlers am Markt. Schließlich würden viele der Kunden Alternativen aus Bequemlichkeit oder Kostengründen gar nicht erwägen. Auch ganz ohne  ins Abo getrickst worden zu sein.

Amazon hat sich mittlerweile zu der Klage geäußert: Das Unternehmen nennt die Vorwürfe "falsch" und betonte, es sei "klar und einfach, Prime abzuschließen und wieder zu kündigen". Man freue sich, den Fall vor Gericht auszutragen.

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