Kurznachrichtendienst Jeder soll an seinen Weisheiten teilhaben: Musk macht sich selbst zur Twitter-Pflichtlektüre

Elon Musk
Der Twitter-Chef Elon Musk taucht nun auch in Feeds von Nutzer:innen auf, die ihn gar nicht abonniert haben
© picture alliance / Brendan Smialowski
Elon Musk kaufte Twitter, um die Meinungsfreiheit zu retten, behauptete er. Eine neue Maßnahme zeigt nun: Es geht ihm wohl vor allem um die eigene. 

Elon Musk liebt es, sich auf Twitter darzustellen. So sehr, dass er sich letztes Jahr sogar dafür entschied, den Kurznachrichtendienst zu kaufen. Doch offenbar fühlt er sich trotzdem zu wenig gehört. Und erklärte Twitter mit einer neuen Funktion nun offenbar endgültig zu seinem eigenen Sprachrohr. 

Seit Montagabend klagen Unmengen von Nutzern, dass sie plötzlich ständig Musks Tweets zu sehen bekommen – obwohl sie ihm gar nicht folgen. In der "Für Dich"-Ansicht schlägt die Twitter-App nun auch dann die Tweets des Chefs vor, wenn man eigentlich kein Interesse an ihm hat. Ein Zufall ist das eher nicht. In einem Tweet macht Musk sogar selbst Witze darüber: Ein Bild zeigt eine Frau, die eine andere zum Trinken zu zwingen scheint. Die Trinkende sei Twitter, die andere Musks Tweets, heißt es dazu. 

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Zwangs-Musk für alle

Dass Musk mehr Sichtbarkeit will, hatte er schon in den letzten Tagen betont. Er habe einen langen Tag mit den Software-Ingenieuren, verkündete er am Sonntag. Die beiden "erheblichen Probleme", an denen man gearbeitet hatten, betrafen beide ihn selbst. Zum einen hatte ein Fehler dafür gesorgt, dass "95 Prozent meiner Tweets gar nicht zugestellt wurden", zum anderen seien Accounts abgerankt worden, die von vielen Menschen blockiert wurden. Weil dabei die absolute Zahl statt ein Prozentsatz der Follower benutzt worden sei, hätten große Accounts wie seiner besonders darunter gelitten.

Schon seit Längerem wurde berichtet, dass Musk geradezu besessen davon war, wie viele Nutzer seine Tweets zu sehen bekamen. "Das ist lächerlich", soll er laut mehreren Quellen in einem Meeting geklagt haben, berichtet "Platformer". "Ich habe 100 Millionen Follower, aber nur die einzelnen Tweets werden nur von zehntausend gesehen." Er vermutete, dass der Algorithmus ihn benachteiligen würde.

"Du bist gefeuert!"

Das ließ sich trotz intensiver Untersuchungen aber nicht nachweisen. Die von seinen Ingenieuren stattdessen gebotene Erklärung wollte Musk aber nicht hören: Ein Mitarbeiter versuchte vorsichtig, ein möglicherweise gesunkenes öffentliches Interesse an Musk nachzuweisen. Dessen höchste Popularität bei Twitter war den internen Zahlen zufolge im April letzten Jahres erreicht wurden. Dann sei sie zunehmend abgesunken. Die These belegte er sogar mit einem Trend bei den Google-Suchen nach Musk. Der Höchstwert war ebenfalls im April erreicht worden. Nimmt man den damaligen Wert als 100, liegt die aktuelle Popularität des Twitter-Chefs nur noch bei einem Wert von 9. 

Musk wollte das offenbar nicht hören: "Du bist gefeuert! Du bist gefeuert!", schrie er dem Mitarbeiter nach Informationen von "Platformer" nur noch entgegen.

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Von Zahlen besessen

Die Obsession des Twitter-Chefs mit den eigenen Abrufzahlen ließ sich relativ früh erkennen. Twitter "strotzt vor Leben", lobte er den Kurznachrichtendienst kurz nach der Übernahme. Und berief sich dabei darauf, wie viele Menschen auf seine Tweets reagierten. Kurz darauf machte er die Abrufe für jeden sichtbar. Weil nur ein Bruchteil seiner Leser auch auf den Like- oder den Antwortbutton klickten, wolle er die Sichtbarkeit hervorheben, erklärte Musk. Seitdem zeigt Twitter bei jedem Tweet auch an, wie oft dieser von anderen Menschen gesehen wurde.

Doch das reichte dem neuen Chef offenbar noch nicht. Ähnlich wie bei Tiktok rollte der Dienst vor kurzem die oben genannte "Für Dich"-Funktion aus. Sah man früher nur Tweets von Menschen, denen man folgte, oder solche, mit denen jemand interagiert hatte, tauchten nun auch völlig unabhängige Empfehlungen im Feed auf. Etwa nun die von Elon Musk. Bei den Nutzern kommt das offenbar aber nicht sonderlich gut an. Nach einem Peak kurz nach der Übernahme gingen die Nutzungszahlen zuletzt um knapp neun Prozent gesunken, zeigte eine Untersuchung von "Buzzfeed".

Richtig zufrieden scheint der Twitter-Besitzer entsprechend immer noch nicht zu sein. "Bleiben Sie dran, wir schrauben noch etwas am, ähm 'Algorhitmus'", twitterte er am Morgen. Ein Nutzer antwortete ihm mit einem Vorschlag, wie das aussehen könnte: Neben den Tabs für die Vorschläge und dem für den klassischen chronologischen Feed gab es dort noch einen zusätzlichen ganz vorne. Der eindeutige Name des neuen Hauptfeeds: "Elon Musk".

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