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Social Media Oh, wie schön ist Pjöngjang: Was hinter der Nordkorea-Propaganda auf Tiktok steckt

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un bei einer Militärparade
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un
© KCNA / DPA
Kanäle wie "northkoreanlife" ziehen auf Tiktok Millionen Zuschauer an. Sie zeigen das vermeintlich unbeschwerte Leben im Land von Machthaber Kim Jong-un. Von Bewohnern Nordkoreas können sie aber nicht kommen – denn ihnen fehlt der Zugang zum Internet.

Das Interesse am Leben der Nordkoreaner ist groß. Kein Wunder: Das weitgehend von der Außenwelt abgeschottete Land ist für viele ein Geheimnis – Aufnahmen, wie es dort wirklich ist, sind selten. Das liegt auch daran, dass es in Nordkorea für die meisten Menschen keinen Zugang zum Internet gibt. Ein Großteil der Bewohner des Landes wird lediglich mit einer Art eigenem Netz namens "Kwangmyong" abgespeist – der Zensur zuliebe. Umso erstaunlicher ist es daher, dass auf Tiktok Kanäle wie "northkoreanlife" den Anschein erwecken, als würde ein Influencer ungestört das Land bereisen und allen erzählen, wie toll es dort ist.

Tiktok-Videos zu Nordkorea klicken extrem gut

Dabei handelt es sich bei speziell diesem Kanal keineswegs um ein kleines Licht. Mit über 220.000 Followern und Aufrufzahlen in zweistelliger Millionenhöhe erreichen die auffallend entspannten Darstellungen des täglichen Lebens im Land von Machthaber Kim Jong-un ein riesiges Publikum. Die Videos sind dabei immer ähnlich aufgebaut. Es werden vermeintlich schöne Bilder von Orten in Nordkorea gezeigt, beispielsweise der Hauptstadt Pjöngjang. Dazu erklärt eine Computerstimme, was man sieht und wie toll es ist.

Es gibt Videos von einem angeblichen Morgenspaziergang über die erstaunlich leeren Straßen von Kaesong, dem geregelten Gewusel in der U-Bahn der Hauptstadt, vom entspannten Landleben und saftig grünen Berglandschaften, die "die westlichen Medien" den Menschen vorenthalten würden. Es gibt sogar eine Art Nachweis, dass es in Nordkorea viele westliche Luxus-Autos gebe, etwa Mercedes oder Audi. Etwas kurios wirkt ein Beitrag, der damit anzugeben scheint, dass jeder in Nordkorea einen Regenschirm besitze.

Unklar bleibt, woher die Videos stammen. Der verherrlichende Ton und die ausschließlich positiven Aufnahmen erwecken den Eindruck, als könne es staatlich gesteuerte Propaganda sein. Rüdiger Frank, Professor für Wirtschafts- und Ostasienwissenschaften, sagt im Gespräch mit "Futurezone", dass es sich auf keinen Fall um den Tiktok-Account eines einfachen Nordkoreaners handele. Er gibt jedoch an, dass er nicht sicher sei, ob man es dort mit einem "im staatlichen Auftrag und mit staatlicher Billigung aktiven Account" zu tun hat oder jemand lediglich private Interessen verfolgt.

Auf Youtube ist Nordkorea sehr aktiv

Die Vermutung, dass sich Nordkorea über soziale Medien um eine positive Außendarstellung des Landes bemüht, liegt jedoch nahe. Mit "Sally Parks", einem vermeintlich normalen nordkoreanischen Kind, gab es solche positiven Beiträge auch schon auf Youtube. Der "Spiegel" schreibt, dass es sich bei dem Mädchen um die Tochter eines nordkoreanischen Diplomaten handele, welche einen Teil ihrer Kindheit in London verbracht hat. Ihr perfektes Oxford-Englisch bekräftigt dies. Einen ähnlichen Vorwurf erhebt "CNN" im Zusammenhang mit dem Youtube-Kanal von "Olivia Natasha", einer jungen Frau, die sich zum Beispiel in einem nordkoreanischen Fitnessstudio zeigt.

Laut "Spiegel", der ebenfalls mit Rüdiger Frank gesprochen hat, richtet sich Nordkorea mit den Beiträgen in den sozialen Netzwerken vor allem an China, Südkorea und Japan, um sich als "armer, aber stolzer, starker und unabhängiger Bruder" von Südkorea zu präsentieren.

Unterstützer aus dem Ausland wahrscheinlicher als der Staat selbst

Tiktok sei dafür wie gemacht, heißt es. Das liege vor allem an dessen Funktionsweise. Der Algorithmus erlaube es, schon mit dem ersten Video viral zu gehen. Zudem helfe es, dass man die Videos einfach herunterladen und so weiterverbreiten könne. Um Quellenangaben oder Nachweise, dass es sich um echte, eigene Aufnahmen handelt, schere man sich auf der Plattform indes weniger.

Unabhängig davon, woher die Aufnahmen nun stammen oder welchem Zweck sie dienen sollen, seien die Szenen echt, erklärt der auf Nordkorea-Experte und Journalist Martyn Williams von 38 North gegenüber "Watson". Er ordnet die Videos aber anders ein und hält sie für Sammlungen von Touristenvideos, die jeweils mit einer Sondergenehmigung entstanden seien. 

Für staatliche Propaganda hält er die Tiktok-Inhalte aber nicht. Vielmehr vermutet Williams hinter den Kanälen Unterstützer aus dem Ausland, die Videos sammeln und dann geschönt auf die Plattform stellen. Er macht seine Vermutung unter anderem daran fest, dass in den Beiträgen aktiv gegen "westliche Medien" gewettert wird, was für staatlich kontrollierte Propaganda unüblich sei.

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