Sommerloch-Serie, Folge 1 Flirtfalle Facebook

Von Laura Höflinger
Wir haben unsere Leser gefragt, welche Themen zu kurz kommen. Eva-Maria aus dem Saarland folgte dem Aufruf und erzählte, wie ein harmloser Facebook-Flirt hässlich endete. Folge 1 der Sommerloch-Serie.

Wer Eva-Maria fragt, wie das ihr, einer selbstbewussten Frau, einer die aufgeklärt wirkt, wie gerade ihr das passieren konnte, dem antwortet sie: "Ich habe mir nichts dabei gedacht". Und dann sagt sie: "Es fing ja alles ganz harmlos an."

Der Vorfall mit Facebook ist jetzt ein paar Wochen her. Wenn sie davon berichtet, klingt sie noch immer wütend. Auf sich, auf ihn, auf dieses ganze Internet. Sie findet es peinlich, was passiert ist. Bekannten erzählt sie deswegen nichts und ihren vollen Namen will sie nicht online lesen. Eva-Maria soll reichen.

Eva-Maria also wohnt in einem kleinen Ort im Saarland, ihre drei Söhne sind erwachsen, die Familie lebt über Deutschland verstreut. Vor fünf Jahren starb ihr Partner, seitdem lebt die 56-Jährige allein in der Wohnung. Sie arbeitet freiberuflich, nutzt das Internet täglich: mailt, hört Musik bei Youtube. Sie ist bei Weitem keine Online-Expertin, aber auch kein Netz-Neuling.

Der fremde Verehrer schmeichelte ihr

Ihr Leben bei Facebook begann sie Anfang des Jahres; in einem Interview hatte sie gelesen, wie eine Schauspielerin über Facebook Kontakt zu ihren Kindern hält. Die Idee gefiel Eva-Maria gut - nun sieht sie, was ihre Freunde und alten Bekannten erleben, und wenn der Sohn nach Sardinien reist, schaut sie später Urlaubsfotos an.

Vor ein paar Wochen bekam sie Post. Jemand hatte ihr eine Freundschaftsanfrage geschickt. Jemand, den sie nicht kannte. Der "hat mich so angeklickt", sagt sie heute. Das Foto des Fremden sah nett aus. Sie wusste nicht recht. Eva-Maria hatte noch nie gechattet, sich eher gefragt, wie ihre Freunde so viel Zeit damit verbringen können. Dann aber antwortete sie doch.

Er machte ihr Komplimente, sagte, wie sehr ihm ihr Foto gefiel. Sie habe sich geschmeichelt gefühlt. Ein, zwei Tage vergingen, sie schrieben sich immer mal wieder. Es sei schön gewesen, dass sich jemand interessiert, sagt sie. "Man hat nicht so viele Verehrer."

Sein aggressiver Ton erschreckte sie

Sie zögerte zunächst, ihm ihre Handynummer zu geben, dachte sich aber: "Was soll schon passieren?" Sie telefonierten, der Mann erzählte ihr, er lebe in Frankreich, er suche eine Frau mit Geld und er wolle nach Deutschland kommen. Er wurde fordernder, wollte wissen, wie viel Geld sie verdient, wie sie lebt. Sie schwieg erst, deutete aber ihr Einkommen an, sagte ihm, wie groß ihre Wohnung sei, und ärgerte sich zugleich über ihre Plapperei.

Er rief wieder an, einmal, zweimal, mehrfach. Sie ließ es klingeln. Doch irgendwann nahm sie wieder ab. Er schrie sie an, sie solle gefälligst drangehen. Er habe hysterisch und aggressiv geklungen, erinnert sie sich.

Eva-Maria erschrak. Sie brach den Kontakt ab, sagte ihm, er solle seine Probleme allein lösen, stellte ihr Handy aus und hat es seitdem nicht mehr eingeschaltet. Wie naiv sie gewesen sei, ärgert sie sich heute und staunt, warum sie so unvorsichtig war. Warum sie auch dann noch zurückschrieb, als es ihr komisch vorkam.

Vieles scheint so viel einfacher im Netz

Nähe, Kontakt, Intimität, vieles scheint so viel einfacher, so viel schneller und direkter, wenn es online geschieht. Manch einen lässt das im Internet freigiebiger sein, als er es im echten Leben wäre - und manch einer nutzt das aus.

Mit ihren 56 Jahren gehört Eva-Maria zu den Älteren im Netz. Doch die Generation 50Plus drängt immer stärker ins Internet, wie der (N)Onliner Report 2011 zeigt. Das ist wenig verwunderlich, vieles findet mittlerweile im Internet statt: Dienstleistungen, Information, Kommunikation. In sozialen Netzwerken existiert zudem eine eigene Welt. Die Jungen tummeln sich dort schon lange, die Alten ziehen nach. "Wenn die Alten nicht online sind, rufen die Kinder nicht mehr an", sagt Hendrik Speck, Professor für Digitale Medien an der FH Kaiserslautern. Wie viele der neuen Internetnutzer, die N(O)nliner ermittelt hat, sich tatsächlich auch bei sozialen Netzwerken anmelden, dazu gibt es keine genauen Zahlen.

Speck glaubt, ein Dienst wie Facebook fängt auf, was das Leben der Menschen durcheinanderwirft: Man zieht heute öfter um als früher, Familien und Freunde leben weit auseinander. Menschen wie Eva-Maria, die eigentlich "lieber telefonieren als rumchatten" - auch sie gehen irgendwann online. Sei es aus Neugier oder Vereinsamung.

"Hübsche ältere Frauen, das ist seine Masche"

Doch Ältere tun sich mit den sozialen Netzwerken schwerer als junge Nutzer, sagt Speck. Sie überlegten oft lange, ob sie sich anmelden sollten. Und wenn, blieben sie vorsichtig, seien wenig aktiv, zögerten, Daten preiszugeben. Was Jung und Alt jedoch vereint, sind ihre Fehler: Glauben sie zu finden, wonach sie suchen, werden auch die Vorsichtigsten fahrlässig.

Es war, als würde sie ein netter Mann im Eiscafé ansprechen, sagt Eva-Maria. Nur mit dem Unterschied: Wird es unangenehm, steht man auf und geht. Und im Netz?

Sie löschte ihn, sperrte ihren Account für ihn und stellte ein, dass sie über Suchmaschinen nicht mehr gefunden wird. Wochen später erfuhr sie, dass der Fremde es auch bei einer Frau aus ihrer Kontaktliste versucht hatte. Da wurde es ihr zu viel, er war immer noch da. "Es hat mir so gestunken", sagt sie. Eva-Maria beschloss von ihrem Erlebnis zu erzählen. Bei Facebook sah sie zudem, wie der Mann auch andere Frauen anschrieb. "Hübsche Frauen um die 50, das ist seine Masche“, sagt sie. Sie ärgert sich über sich, glaubt, was ihr passiert, geschieht auch anderen. Doch viele würden nicht darüber reden. Eva-Maria hat aus ihrer Geschichte ihre eigenen Schlüsse gezogen: "Es war naiv zu glauben, dass jemand sich für einen interessiert, ohne etwas zu wollen."

PRODUKTE & TIPPS