Im Tauziehen zwischen den USA und anderen Ländergruppen um eine neue "Weltordnung" für das Internet hat UN- Generalsekretär Kofi Annan weitere Verhandlungen verlangt. Derzeit sei die Verwaltung des weltweiten Netzes durch die amerikanische Stiftung ICANN noch sinnvoll, sagte Annan in Tunis zum Auftakt des zweiten UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft. Die Vereinten Nationen seien dabei nicht "die geeignete Institution für eine derartige Internet-Regierung", erklärte Annan. Er unterstrich gleichzeitig die außerordentliche Bedeutung des Internets und neuer Technologien für dringend notwendigen sozialen Fortschritt weltweit.
Die Teilnehmerländer des Gipfels hatten sich in der Nacht zum Mittwoch bei den Vorverhandlungen auf den Kompromiss geeinigt, die Frage der Internet-Politik in einem internationalen Forum zu erörtern. Die Delegierten aus 100 Staaten stimmten einem Vorschlag zu, die Verantwortung über das Adressen-System des Webs in den Händen der USA zu belassen. US-Staatssekretär Michael Gallagher erklärte, die Organisation ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) werde weiterhin für das Namen-Management zuständig sein. Anstatt die Aufgabe an eine internationale Institution, etwa die UN, zu übergeben, solle ein internationales Forum eingesetzt werden. Dieses Forum könne Bedenken anmelden, habe jedoch keine bindenden Befugnisse. ICANN wird vom US-Handelsministerium kontrolliert.
"Ich will absolut klar sein: Die Vereinten Nationen wollen das Internet nicht übernehmen oder in irgendeiner Form kontrollieren", sagte Annan. "Wir brauchen aber eine stärkere internationale Teilnahme an den Debatten über Management-Fragen des Internets."
USA blockierten die Verhandlungen
Die USA lehnen internationale Gremien für die Internet-Verwaltung ab. Sie blockierten die Verhandlungen, bis klar war, dass das neue Forum keine echte Aufsichtsrolle übernimmt. Der US-Verhandler David Gross zeigte sich hoch erfreut über das Vereinbarte, "denn es wird keine neue internationale Organisation geschaffen, dafür aber bekräftigt, wie wichtig der freie Informationsfluss im Internet ist". Die EU hatte eine stärkere "Internationalisierung" der Netzverwaltung angestrebt, das geplante Diskussionsforum galt als unzureichend.
Problemfall digitaler Graben
"Der digitale Graben zwischen Nord und Süd darf nicht noch tiefer werden", verlangte Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek- Zeul (SPD) zum Weltinformationsgipfel. "Das Internet und die neuen Informationstechnologien bieten große Chancen im Kampf gegen die Armut", sagte sie. "Aber wir müssen etwas investieren."
Bis zum Freitag geht es auf dem UN-Gipfel außerdem darum, wie der "digitale Graben" bei den Informationstechnologien zwischen armen und reichen Ländern zugeschüttet werden kann. Das Treffen wird überschattet von massiven Vorwürfen an Tunesien, die Pressefreiheit und die Menschenrechte zu missachten. Eine "Erklärung von Tunis" zur Internet-Verwaltung und Finanzierung wird den Gipfel beschließen.