Steilvorlage für die Konkurrenz Wie Elon Musks neue Twitter-Schranken seinem Erzfeind in die Hände spielen

Milliardär Elon Musk
Die neuen Maßnahmen bei Twitter sorgen bei den Nutzern für Unmut
© Eliot Blondet / Pool / Bestimage / Action Press
Er wollte Twitter zum größten Nachrichtenmedium der Welt machen – nun verhindert Elon Musk das plötzlich mutwillig. Das Timing könnte kaum schlechter sein.

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Es waren große Pläne. Unter seiner Führung sollte Twitter vom Kurznachrichtendienst zum wichtigsten Medium der Welt werden, den Zugang zu Wahrheit und Informationen quasi in Echtzeit erlauben, hatte Elon Musk vollmundig geschwärmt. Seit dem Wochenende ist der Zugang zu diesen Informationen aber plötzlich empfindlich eingeschränkt. Ausgerechnet während mit Mark Zuckerbergs Meta der aussichtsreichste Konkurrent ein Gegenangebot an den Start bringt.

Das hört auf den Namen "Threads" (etwa: Gesprächsfäden) und gehört offiziell zu Metas Tochterfirma Instagram. Am 6. Juli soll der Text-Ableger erscheinen, verkündete das Unternehmen. Wie bei Twitter sollen die Nutzer dort eifrig diskutieren, der Zugang erfolgt einfach über das Insta-Konto. Wegen der so geringen Hürde dürfte Threads im Gegensatz zu nerdigen Alternativen wie Mastodon durchaus echte Erfolgsaussichten haben.

Umbau aus dem Nichts

Und die dürften ausgerechnet durch Twitters eigene Entscheidung diese Woche sogar noch besser geworden sein. Aus dem Nichts begann der Kurznachrichtendienst seit Freitag, grundlegende Veränderungen umzusetzen und sorgte bei den Nutzern rasch für großen Ärger.

Die Veränderungen kamen in drei Schritten. Seit Freitag kann man Twitter nur noch als registrierter Nutzer mitlesen, bis dahin standen die Tweets allen offen. Am Samstag wurde dann auch klar, warum diese Entscheidung getroffen wurde. Um die Server zu schonen, dürfen Nutzer nur noch eine begrenzte Anzahl an Anfragen an Twitter schicken, etwa durch das Abrufen von Tweets, durch Antworten, Likes oder Retweets. Zunächst hatte die Begrenzung bei 600 Anfragen gelegen, mittlerweile wurde sie auf 1000 erhöht. Wer mehr sehen will, muss zahlen und das Abo-Angebot Twitter Blue buchen. Dann gibt es zehnfache Menge an Anfragen.

Die dritte und bislang letzte Änderung betrifft vor allem Poweruser: Tweetdeck, ein professionelles Werkzeug zum Lesen, Verfassen und Verwalten von Tweets, steht ab sofort ebenfalls nur noch zahlenden Nutzern zur Verfügung.

Tiefe Veränderungen

Alle drei Änderungen betreffen ganz grundlegend die Nutzung Twitters, wenn auf unterschiedliche Weise. Das Aussperren von unregistrierten Nutzern riegelt die Plattform nach außen ab. Während vorher jeder Interessierte Zugang zu den Tweets von prominenten Nutzern oder zu aktuellen Informationen zu sich entwickelnden Nachrichtenlagen hatte, muss man sich nun registrieren. Das baut eine Hürde auf, unkompliziert an die Informationen zu kommen.

Die Begrenzung der Anfragen verändert wiederrum die Nutzung selbst. Will man nicht für das Abo zahlen, muss man sich plötzlich überlegen, mit welchen Tweets man interagiert, welche man teilt und beantworten will. Gerade angesichts dynamischer Nachrichtenlagen wie bei den Aufständen in Frankreich wird es plötzlich deutlich schwieriger, ohne Abo auf Stand zu bleiben. 

Auch der hinter die Bezahlschranke verlegte Zugang zu Tweetdeck dürfte Folgen haben. Nach dem Drama um die Abwertung des blauen Verifizierungshakens verzichteten Vielnutzer wie Medienangebote darauf, Twitter Geld für den Zugang zu zahlen. Zusammen mit den begrenzten Anfragen dürfte es für sie ziemlich schwierig werden, das Abo nun nicht mehr zu buchen.

Es geht ums Geld

Tatsächlich dürfte das die wichtigste Motivation für die eingeführten Änderungen sein. Offiziell nennt Musk als Hauptgrund, dass nicht näher genannte Unternehmen und Organisationen Twitter mit Anfragen überhäufen würden um Daten zu sammeln. Das passiert zu Forschungszwecken, als Archivarbeit und zum Trainieren künstlicher Intelligenz auch durchaus ständig. Die Maßnahmen sollen dieses Vorgehen erschweren, so Musk. Bereits im März hatte Twitter den Zugang für wissenschaftliche Zwecke stark eingeschränkt und die Kosten drastisch erhöht.

Allerdings ist es kein Geheimnis, dass Twitter seit der Übernahme mit immer größeren finanziellen Problemen kämpft (hier erfahren Sie mehr). Dass durch die Änderungen nun auch die Nutzer:innen vermehrt ins Bezahlabo gedrängt werden, dürfte also nicht nur ein unerwarteter Nebeneffekt sein.

Zulauf bei der Konkurrenz

Für die Konkurrenten sind das beste Nachrichten. Selbst das eher umständlich zu bedienende Mastodon konnte in der letzten Woche knapp 280.000 Neuanmeldungen verzeichnen, eine Woche vorher waren es weniger als 70.000 gewesen. Die kaum bekannte Alternative Bluesky musste wegen des Ansturms an Neunutzern sogar die Registrierung neuer Accounts sperren.

Dabei waren die Chancen für Metas Twitter-Herausforderer schon vorher alles andere als schlecht. Unter Musk wurde die Moderation des Kurznachrichtendienst stark eingeschränkt, ehemals wegen Beleidigungen, der Verbreitung von Falschinformationen oder Hetze gesperrte Nutzer reihenweise wieder zurückgeholt. Entsprechend spürbar hatte sich der Ton dort verändert. Bereits kurz nach der Übernahme hatten viele Nutzer ihrem Unmut Luft gemacht. Allerdings oft, ohne dann wirklich zu wechseln.

Auch die Werbekunden waren nicht glücklich. Obwohl der Markt durch die Wirtschaftslage schon angespannt ist, brachen die Werbeeinnahmen bei Twitter besonders stark weg. Mehr als 59 Prozent seiner Werbeeinnahmen soll der Konzern seit der Übernahme verloren haben, berichtete die "New York Times" vor kurzem.

Beste Chancen für Meta

Um es besser zu machen, braucht Meta entsprechend nicht viel. Mehr Moderation von Inhalten, ein sichereres Umfeld – schon ist es sowohl für viele Nutzer als auch Werbekunden deutlich attraktver als das Original. Hinzu kommt, dass Threads anders als etwa Mastodon nicht erst langsam ein Publikum aufbauen muss. Mehr als zwei Milliarden Menschen nutzen bereits monatlich ihren Instagram-Account. Probiert auch nur jeder Fünfte von ihnen Threads aus, hätte die App auf einen Schlag Twitters knapp 400 Millionen Nutzer überholt.

Die Erfolgsaussichten waren also ohnehin schon alles andere als schlecht. Dass Twitter ihm die Kunden auch noch aktiv in die Arme treibt – damit dürfte Meta-Chef und Musk-Erzfeind Mark Zuckerberg dann aber doch nicht gerechnet haben.

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