Drei Standards kämpfen darum, das erste deutsche Mobilfernsehen zu sein: UMTS, DMB und DVB-H. Und das möglichst pünktlich zum 9. Juni 2006, dem Start der Fußball-WM. Dieser Dreikampf wird von Experten jedoch kritisch betrachtet. Zu kritisch? In Südostasien floriert dieser Markt doch schon seit vielen Monaten. In Korea beispielsweise gehört der mobile Fernsehgenuss zum Alltag. Bis zu zwei Stunden täglich schauen Besitzer der kleinen TV-Handys dort unterwegs auf die Mini-Mattscheibe. Warum sollte dies mittelfristig nicht auch in Deutschland realisierbar sein?
Das Hauptproblem: Die Sendelizenzen sind gerade erst ausgeschrieben, die Rechte-Fragen ist noch nicht geklärt, und eine Infrastruktur muss zudem für das leistungsstärkste der drei möglichen Formate - DVB-H - noch komplett aufgebaut werden.
Drei Instanzen, ein System
"Alle Beteiligten - T-Systems, Landesmedienanstalten, Gerätehersteller - arbeiten mit Hochdruck", sagt T-Systems-Manager Bertold Heil, der bei der Telekom-Tochter den Bereich Strategie und Geschäftsentwicklung "Media & Broadcast" verantwortet. T-Systems plant die technische Infrastruktur, die Medienanstalten müssen für die Sendelizenzen sorgen, die Hersteller für ausreichend Geräte - es ist eine Angelegenheit mit viel Abstimmungsbedarf. T-Systems könnte jederzeit die notwendige Infrastruktur aufbauen, es gibt aber bislang noch keinen Auftraggeber.
Der technische Aufbau würde einen zweistelligen Millionenbetrag kosten, sagt Heil. "Die WM wäre ein tolles Argument, Handy-TV zu starten. Man kann aber natürlich ein solches Ereignis nicht zum Dreh- und Angelpunkt für Investitionen in dieser Größenordnung machen." Ziel sei vorerst nur die Ausstrahlung der WM-Spiele in Ballungsräumen, rund um die Spielstätten. Neben dem Handy-Empfang soll es aber auch WM-Dienste der Mobilfunk-Anbieter über UMTS geben. Mehr zu leisten ist dieses System jedoch nicht imstande. Von Handy-TV kann bei UMTS nicht die Rede sein. Es handelt sich hierbei um kein flächendeckend ausgestrahltes Programm, sondern um einen Datenstrom, der gezielt vom Nutzer abgefragt wird.
DMB hat leicht die Nase vorn
Derzeit gibt es zwei von der Bildqualität gleichwertige technische Standards für Handy-TV. DVB-H (das "H" steht hierbei für Handheld) hat eine höhere Bandbreite und könnte dadurch bis zu 20 TV- und mehr als 100 Rundfunkkanäle ausstrahlen. Bei dem aus Asien kommenden DMB (Digital Media Broadcast) wären es bis vier Fernseh- und 18 Rundfunkkanäle. Die Infrastruktur für DMB ist bereits geschaffen. Es gibt schon jetzt zahlreiche freie Frequenzen, während es für DVB-H nach dem Start des digitalen terrestrischen Empfangs im Moment nur wenige in vereinzelten Gebieten gibt. Zum Beispiel Norddeutschland oder Berlin. Damit wird zur WM nach heutigem Stand eher eine DMB-Ausstrahlung wahrscheinlich, während DVB-H sich erst 2007 oder 2008 ausbreiten dürfte. Dieser Trend zeigte sich auch schon auf der Ifa im September. Hier wurden der Öffentlichkeit die ersten DMB-Empfangsgeräte vorgestellt.
Die Standards
UMTS
"Universal Mobile Telecommunications System" (UMTS) ermöglicht eine weltweite Übertragung von großen Datenmengen bei einer Übertragungsgeschwindigkeit von bis zu zwei Megabit (Mbit) pro Sekunde. Diese Geschwindigkeit wird jedoch nicht flächendeckend erreicht, sondern vorwiegend in den Ballungsräumen, wie z.B. Stadtzentren, Flughäfen, Bahnhöfen, Einkaufszentren etc. Mithilfe der UMTS-Technologie können unter anderem auch Videos vom Handy abgerufen werden. Allerdings limitiert sich der Einsatzbereich dadurch, das im Gegensatz zur Rundfunkausstrahlung jeder einzelne Nutzer per so genanntem Streaming-Verfahren mit Daten gespeist werden muss und nicht eine Fläche. Jeder zusätzliche Abruf beansprucht also Bandbreite. Eine gleichzeitige Versendung von Programmen an ein großes Publikum ist daher kaum vorstellbar.
DMB
Digital Media Broadcast (DMB) wird derzeit auf einer Frequenzbreite von zwei Megahertz betrieben. Diese Rate erlaubt die Ausstrahlung von maximal vier TV-Programmen. Sobald ein breiterer Frequenzrahmen zur Verfügung steht, sollen weitere TV-Programme via DMB übertragen werden. DMB kann sowohl via Satellit als auch terrestrisch übertragen werden. In Europa wird jedoch ausschließlich letztere Variante zum Einsatz kommen. Großer Vorteil dieses Standards: Die Infrastruktur des Systems ist in Deutschland bereits großflächig verfügbar.
DVB-H
Digital Video Broadcast Handheld (DVB-H) ist der leistungsstärkste Standard. Dank einer Bandbreite von 8,29 Mbit je Sekunde ist eine Übertragung von 20 TV-Programmen möglich. Zudem lassen sich zahlreiche Zusatzdienste in die Ausstrahlungen integrieren. So ist es dem Nutzer beispielsweise möglich, Produkte per Knopfdruck zu bestellen, die gerade im laufenden Programm vorgestellt werden. Derzeitig größtes Problem: DVB-H kann hierzulande flächendenkend erst dann starten, wenn alle analogen Fernsehausstrahlungen abgeschaltet sind.
In einem sind sich Experten jedoch sicher - Handy-TV wird die Fernsehbranche verändern. Kenner sprechen von drei neuen Prime-Times, die durch die mobile Glotze entstehen: Der Weg zur Arbeit, die Mittagspause und der Heimweg. Dafür ist jedoch eine andere Art von Inhalten notwendig, vor allem kurz müssen sie sein, denn kaum jemand wird sich einen kompletten Spielfilm auf dem kleinen Bildschirm ansehen wollen.
Zusätzliche Einnahmemöglichkeiten
Ein großes Thema für die Anbieter: Die direkte Verknüpfung von Fernsehempfang und Mobilfunk in einem Gerät eröffnet auch neue Vermarktungsmöglichkeiten. Zusätzliche Dienste sollen Gelder in die Kassen der Betreiber bringen. An dieser Stelle kommen Unternehmen wie Neva Media von Pixelpark-Gründer Paulus Neef ins Spiel, der Sendern eine Plattform für die interaktive Ausstrahlung bieten will. Bereits auf der Ifa zeigte Neef gemeinsam mit Siemens einen DVB-H-Testlauf, in dem man über ein Bildschirmmenü Produkte zu einer laufenden Seifenoper kaufen oder sich den gerade im Rundfunk spielenden Song laden konnte. Die Menütasten auf dem Bildschirm werden dabei mit dem Programm übertragen, die Interaktion erfolgt über den UMTS-Kanal. Eine optimale Geschäftsmöglichkeit bietet das Handy-TV auch für interaktive Gewinnspiele. So will der TV-Sender 9Live - sobald dies technisch möglich ist - ein entsprechendes Format für das TV-Handy ausstrahlen.
Doch diese Nutzung von DVB-H hat noch ein Problem: Es gibt bisher keine Standardisierung für interaktive Anwendungen. Das von Neva Media auf der Ifa gezeigte Test-System könnte zwar die Grundlage für einen Standard bilden, die Festlegung ist aber ein langwieriger Prozess mit vielen Stufen, der bis Ende 2006 dauern könnte. Der von Samsung entwickelte DMB-Standard hat zwar auch noch keine Verankerung in europäischen Standards, aber zumindest eine in Asien erprobte komplette Produktionskette. In der europäischen Industrie gibt es jedoch zum Teil Unbehagen bei dem Gedanken, den hiesigen Markt auch nur vorübergehend einer Firma aus Südkorea zu überlassen, heißt es in Branchenkreisen.
Kostenfrage und Zeitpunkt ungeklärt
Letztlich ist derzeit also noch vollkommen unklar, wer sich im Wettstreit durchsetzen und wann mobiles Fernsehen in Deutschland zum Alltag gehören wird. Zu erwarten ist jedoch, dass der vom koreanischen Elektroriesen Samsung gestützte DMB-Standard pünktlich zur WM versuchsweise in Deutschland ausgestrahlt wird. Ob dieser Dienst dann kostenfrei sein wird, entscheidet das derzeit noch unklare Engagement der öffentlich-rechtlichen Sender und der 15 Landesmedienanstalten.
Auf lange Sicht könnte sich das leistungsstärkere System DVB-H durchsetzen, welches derzeit vor allem von Nokia favorisiert wird. Es bietet dem Zuschauer eine größere Programmauswahl und den Betreibern bessere Vermarktungsmöglichkeiten.