Telefone ohne Tasten, Musik zum Herunterladen, mobiles Internet: Das alles ist für uns heute selbstverständlich. Doch das war es nicht immer. In unserer Serie Technik-Geschichte werfen wir einen Blick zurück auf die Anfangstage jener Produkte und Technologien, die die Welt verändert haben. Diesmal: Die Geschichte des jungen Mannes, der den iPhone-Browser entwarf - ohne zu wissen, was ein iPhone überhaupt ist.
Was muss das für ein Gefühl sein, ein Produkt entwickelt zu haben, dass täglich Millionen von Menschen auf der ganzen Welt nutzen? Das ihren Alltag erleichtert und auf seine Art die Welt verändert hat? Einer, der es wissen muss, ist der US-Amerikaner Francisco Tolmasky. Er lebt und arbeitet in San Francisco und hat den Safari-Browser für das iPhone entwickelt. Die App ist vorinstalliert auf jedem iPhone zu finden, von dem es mehrere Hundert Millionen Geräte gibt. Ein Erfolg, den kaum jemand vorhersehen konnte.
Zur Geheimhaltung verpflichtet
Es war im Jahr 2005, als Tolmasky die Gelegenheit hatte, von der jeder Entwickler träumt: Der junge Student der Computerwissenschaften an der Universität von Südkalifornien, damals 20 Jahre alt, schulterlanges braunes Haar, stand kurz vor seinem Uniabschluss, als er von einem Apple-Mitarbeiter kontaktiert wurde. Er sei auf Tolmasky aufmerksam geworden, weil sich dieser im Umgang mit Webtechnologien im Netz bereits einen Namen gemacht hatte. Dann fragte der Apple-Mann, ob sich Tolmasky nicht vorstellen könne, sein Studium hinzuschmeißen und direkt bei dem Konzern anzuheuern. Ein verlockendes Angebot. Doch der Student lehnte ab, er wollte erst seine Ausbildung beenden.
Im Frühjahr 2006 hatte Tolmasky seinen Abschluss in der Tasche, doch sein Start bei Apple verlief zunächst holprig: Steve Jobs persönlich musste seine Einstellung abnicken, doch der ehemalige Apple-Chef war zu diesem Zeitpunkt für einen Monat im Urlaub. "Er war extrem vorsichtig, was sein Projekt betraf, und möglicherweise misstraute er auch einem dahergelaufenen 20-Jährigen", sagte Tolmasky der "New York Times" in einem langen Interview.
Schließlich trat er seine Arbeitsstelle in einer abgelegenen Ecke des Apple-Campus an. Dort forschten zwei Gruppen an einem Projekt, ein Hardware- und ein Software-Team. Beide arbeiteten räumlich getrennt, jeder Mitarbeiter wurde zur höchsten Geheimhaltung verpflichtet. Nichts durfte nach draußen dringen. Tolmaskys Aufgabe: Er sollte einen mobilen Browser entwickeln, der das Web auf einem wesentlich kleineren Display problemlos darstellen konnte und nur mit den Fingern bedienbar war.
"Es erschien mir wie eine unlösbare Aufgabe"
Mehrmals pro Woche traf sich der 20-Jährige mit Apples Ikone Steve Jobs. "Steve war unerbittlich, als er sagte, 'Es muss sich wie Magie anfühlen. Mach dich wieder an die Arbeit, das ist noch nicht magisch genug!'" Der Druck war groß: "Ich erinnere mich, dass ich immer wieder frustriert war. Es erschien mir wie eine unlösbare Aufgabe."
Im Gespräch mit der "New York Times" gibt Tolmasky seltene Einblicke in die Arbeit von Apples Geheimlaboren. So sei Jobs unzufrieden gewesen mit dem ersten Prototypen der virtuellen iPhone-Tastatur, also beauftragte er jeden Mitarbeiter des Teams, sich eine Woche nur der Entwicklung der Tastatur zu widmen. Ein Ingenieur aus Tolmaskys Team gewann den Wettbewerb, fortan war es sein Vollzeit-Job, die virtuelle Tastatur zu optimieren.
Ähnlich verlief die Entwicklung der ersten Maps-App: Nur wenige Wochen vor der iPhone-Präsentation forderte Jobs eine Kartenanwendung. Ein Mitglied aus Tolmaskys Team, Chris Blumenberg, wurde mit der Entwicklung beauftragt. Der "New York Times" zufolge arbeitete Blumenberg nonstop an der Anwendung. "Innerhalb einer Woche hatte er einen funktionierenden Prototyp, innerhalb von zwei Wochen hatte er eine vorzeigbare App entwickelt", sagte Tolmasky der Zeitung. "Dieses Beispiel zeigt, welchen Einfluss Jobs auf einen haben konnte: Das ist wichtig, das muss fertig werden, und du wirst das erledigen."
Der Erfolg wurde ihm zu viel
Tolmasky verließ Apple Ende 2007, knapp ein Jahr nach der Präsentation des iPhones. Er sagt, durch den immensen Erfolg des Smartphones wurde das Entwicklerteam immer größer, die Prioritäten änderten sich andauernd. Es fühlte sich nicht mehr wie ein Start-up an, also verließ er den Megakonzern und gründete sein eigenes kleines Unternehmen. Erst konzentrierte er sich auf Videospiele, welche die verschiedenen Sensoren in Smartphones nutzen. Dann machte er einen kurzen Zwischenhalt bei Motorola, mittlerweile arbeitet er bei Stripe, ein Online-Bezahldienst mit Sitz im kalifornischen San Francisco.
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