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Umkämpftes Coltan Der Stoff, aus dem die Handys sind

Auf Coltan und Tantal konnten Handyhersteller bislang nicht verzichten. Ein alternativer Stoff fehlt
Auf Coltan und Tantal konnten Handyhersteller bislang nicht verzichten. Ein alternativer Stoff fehlt
© Colourbox
Jeder hat eins in der Hosentasche, doch wissen wir auch, was in unseren Handys steckt? Ohne das seltene Coltan aus Afrika gäbe es Funkstille. Das Erz stammt jedoch häufig aus Bürgerkriegsregionen. Nun sollen die Hersteller genauer hinschauen.
Von Benjamin Dürr

Coltan ist Kongos Gold. Denn aus dem Erz Coltan wird das seltene Metall Tantal gewonnen, ohne das die moderne Welt nicht modern wäre: Tantal wird in Kondensatoren für Digitalkameras und Spielkonsolen, für Laptops, Flachbildschirme und Mobiltelefone verwendet. Weil sie in großen Mengen produziert werden, steigt auch die Nachfrage nach Tantal. Dem versuchen die Minenbetreiber im Kongo, Zentralafrika, gerecht zu werden und kämpfen um das wertvolle Gestein.

Geld für neue Waffen

Eine Alternative zu Tantal gibt es nicht: Weil es doppelt so dicht, haltbar und biegsam ist wie Stahl und erst bei knapp 3000 Grad schmilzt, wird es in westlichen Industrieländern Stahl zugegeben, etwa beim Bau von Kernkraftwerken oder Raketen. Der weitaus größere Markt aber sind kleine, leistungsfähige Kondensatoren für Elektrogeräte. Zwar sind laut einem Nokia-Sprecher nur 0,04 Prozent des Handy-Gewichts Tantal-Kondensatoren. Trotzdem sei das Metall wichtiger Bestandteil.

Knapp 2000 Tonnen Coltans werden weltweit jedes Jahr gefördert. Mehr als die Hälfte des Erzes kommt aus Afrika, weitere Minen liegen in Australien, Asien und Brasilien. Aus der relativ kleinen geförderten Menge von 1930 Tonnen im Jahr 2008 entstehen mehrere Milliarden Kondensatoren für die IT-Industrie.

Kein Blut im Handy

Bislang existiere im Kleinbergbau kein Gütesiegel für die Einhaltung von Nachhaltigkeits-Standards, erklärt BGR-Präsident Prof. Dr. Hans-Joachim Kümpel, "gerade in Ländern Zentralafrikas aber entziehen sich Abbau und Export hochwertiger Bodenschätze häufig der staatlichen Kontrolle". Bereits vor einem Jahr startete deshalb in Kongos Nachbarland Ruanda ein von der deutschen Bundesregierung gefördertes Projekt, das in eine Zertifizierung der Handelskette münden soll: Dabei werden soziale und ökologische Mindeststandards und die Herkunft der Rohstoffe überprüft. Bergbau-Unternehmen in Afrika nehmen daran teil, genauso wie beispielsweise das niedersächsische, metallproduzierende Unternehmen H.C. Starck.

Menschenrechtsorganisationen machten bereits vor Jahren auf den bürgerkrieg-fördernden Abbau von Rohstoffen, unter anderem Coltan und Tantal, aufmerksam: "Kein Blut im Handy", lautete damals der Schlachtruf gegen Unternehmen, die mit Importen unter anderem aus dem Krisengebiet des Kongo den dortigen Kämpfen finanzielle "Nahrung" gegeben hätten.

Deshalb verpflichten sich beispielsweise beim Handy-Hersteller Nokia die Lieferanten, aus diesen meist illegalen Minen kein Coltan zu beziehen. Und: "Sie unterliegen strengen Überprüfungen”, sagte der Nokia-Sprecher gegenüber stern.de. Der Handy-Hersteller habe eigene, auf internationalen Standards basierende Richtlinien aufgestellt, denen "sämtliche Lieferanten zu entsprechen haben und die regelmäßig überprüft werden".

Hersteller können ihre Ware prüfen lassen

Für den blutigen Bürgerkrieg im Osten der Demokratischen Republik Kongo (früher Zaire) ist Coltan ein wesentlicher Grund, er wird sogar zum Teil mit den Einnahmen finanziert. In zehn Jahren starben dort mehrere Millionen Menschen, Dörfer werden überfallen, Familien massakriert. Denn die Bürgerkriegsparteien versuchen, möglichst viele der kleinen, oft illegalen Minen zu erobern. Dort wird das Coltan-Erz gefördert, aus dem Tantal und der zweite Bestandteil Niobit gewonnen werden. Das Geld aus dem Tantal-Verkauf fließt oft direkt in neue Waffen.

Deutsche Wissenschaftler haben jetzt ein Verfahren entwickelt, mit dem sich die Herkunft des Minerals bestimmen lässt: Damit könnte - in Zukunft - verhindert werden, dass Handys in Europa mit Tantal aus afrikanischen Bürgerkriegsgebieten gebaut werden. Denn wichtig ist nicht nur, wo ein Elektrogerät zusammengeschraubt wurde, sondern auch, wo – und unter welchen Bedingungen – die Rohstoffe dafür abgebaut werden.

Zum ersten Mal im Rohstoff-Sektor ermöglicht es die Analyse, die Herkunft der Gesteine zu bestimmen. So können Unternehmen ihre Ware prüfen lassen. Und damit auch im Rohstoff-Sektor „fairen Handel“ etablieren. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) wollen mit dem entwickelten "geo-chemischen Fingerabdruck“Produktions- und Handelswege transparent machen. Von der BGR und der GTZ sollen Firmen - nach dem Nachweis von "unblutiger“ Produktion und "fairem" Handel – zertifiziert werden.

Hinweise aufs Herkunftsgebiet

Der Herkunftsnachweis soll den Handel in Bürgerkriegsregionen zukünftig verhindern: Anhand der Zusammensetzung der Gesteinsprobe ergeben sich oft eindeutige Hinweise auf das Herkunftsgebiet. Auch seltene enthaltene Erd-Elemente können Aufschluss über den Abbau-Ort des Coltans geben, bei der Analyse spielt außerdem die Altersbestimmung eine Rolle. Fünf Entstehungszeiträume vor mehreren Millionen Jahren können in Afrika den Regionen zugeordnet werden. So ist eine Kontrolle darüber möglich, dass auch der Rohstoff der Elektrogeräte "unblutig" gewonnen wird.

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