Warten auf das iPhone 5 Der skurrile Job der Gerüchte-Köche

Das iPhone 5 ist überall. Zumindest theoretisch. In jedem Husten eines Apple-Mitarbeiters, in jeder Excel-Tabelle eines Zulieferers kann sich ein Hinweis auf Apples nächstes Smartphone verstecken. Und manchmal sucht die Tech-Bloggerszene das Telefon auch im Foto eines Sushitellers.

Ein Apple-Mitarbeiter fotografiert in der Kantine des Firmenhauptquartiers einen Teller mit Sushi. Was lernen wir aus diesem Bild? Erstens: Der Fotograf mag wahrscheinlich rohen Fisch. Zweitens: In Apples Kantine gibt es Sushi. Techblogger können aus einem solchen Bild aber noch mehr lesen. Nämlich, dass das bisher offiziell nicht angekündigte iPhone 5 eine Kamera mit acht Megapixel Auflösung haben wird. Ein solches Foto gibt es wirklich. Es bietet möglicherweise einen Ausblick auf das nächste Apple-Smartphone, definitiv aber gewährt es Einblicke in die Welt der Techblogger, die keine Mühe scheuen, jedes noch so kleine Gerücht einzusammeln.

Spuren des iPhone 5 sind im Bild versteckt

Das Geheimnis des Sushifotos hat der Blog Pocketnow enthüllt. Dessen Macher lieben es, so ihre Selbstbeschreibung, Fotos aufzutreiben, die mit unveröffentlichten Smartphones aufgenommen wurden. Das Werk mit dem unverdächtigen Titel "Lunch" sei auf der Fotoplattform Flickr unter den Bildern des Apple-Softwareentwicklers Anton D'Auria gefunden worden, schreibt Pocketnow.com. Die Geheimnisse des Bildes stecken nicht in seinem Motiv, sondern in den sogenannten EXIF-Informationen, die Digitalkameras in jedem Foto speichern. Das Bild sei mit einem iPhone 4 aufgenommen worden, steht in den Bilddaten, doch geübte Nerd-Augen erkennen sofort: Zwei der restlichen Daten passen nicht zum aktuellen Apple-Phone. Die Originalauflösung des Fotos beträgt 3264x2448 Pixel, was ungefähr 8 Megapixeln entspricht. Die Kamera des iPhone 4 schafft aber nur 2235x2291 Bildpunkte (rund 5 Megapixel).

Die Beweisführung von Pocketnow geht noch weiter: Das Objektiv, welches das Mittagessen für die Nachwelt festgehalten hat, habe eine Blende von f/2.4 und eine Brennweite von 4.3 Millimetern gehabt. Wer sein iPhone 4 wirklich liebt, weiß natürlich, dass dessen Kamera mit 3,85 Millimetern und f/2.8 knipst. Das Sushi wurde also mit einer besseren Optik fotografiert. Dazu kommt noch, dass laut der gespeicherten GPS-Daten die Aufnahme tatsächlich im Apple-Hauptquartier - 1 Infinite Loop, Cupertino, CA. - gemacht wurde.

So verrät also ein Bild eines Mittagessens, dass das nächste iPhone eine Acht-Megapixel-Kamera besitzen wird. Das kann durchaus stimmen, dieses Gerücht gibt es auch schon länger. Technisch wäre eine solche Knipstechnik nicht einmal etwas Besonderes, andere Smartphones haben sie längst. Doch Exif-Daten sind einfach zu fälschen. Diese Möglichkeit, so viel sei fairerweise gesagt, benennen auch die Jäger des verborgenen iPhone 5. D'Auria hat seine Flickr-Galerie übrigens inzwischen auf "privat" gestellt. Vielleicht fühlt er sich erwischt. Vielleicht hat der Apple-Mann aber auch keine Lust, dass jetzt Horden von iPhone-Fanboys seine Fotoalben durchflöhen.

Alles ist berichtenswert

Das Spekulieren über die nächste Generation erfolgreicher Geräte gehört zum täglich Brot von Tech-Bloggern, und das iPhone spielt auch in dieser Hinsicht in der Champions League. Kein Gerücht ist zu absurd, keine Quelle zu merkwürdig, um nicht kolportiert zu werden. Die Schatzuche in den Exif-Dateien eines Fotos erscheint zwar besonders skurril, die gewonnen Erkenntnisse sind aber kein deut schlechter, als die meisten Info-Brocken der unzähligen "anonymen Apple-Quellen", die häufig zitiert werden. Ebenfalls gerne genommen: Produktions- und Lieferpläne asiatischer Apple-Zulieferer sowie Designzeichnungen und Fotos von Prototypen einzelner Bauteile. Rückt das wahrscheinliche Veröffentlichungsdatum näher, werden auch noch die Mobilfunkanbieter und Elektromärkte gemolken: Was sind das für geheimnisvolle Kisten, bestimmt voller Testgeräte? Gibt es einen Urlaubsstopp wegen Mitarbeiterschulungen? Da ist doch was im Busch! Gleich mal nachforschen, ob vielleicht ein großes Unternehmen schon im Moscone Center - Apples Stamm-"Theater" - in San Francisco Räume gebucht hat. Und so weiter, und so fort. Die Konkurrenz ist hart unter den Tech-Paparazzi.

Erste Erschöpfungssymptome

Der ständig aktualisierte "Rumor Roundup" des IT-Nachrichtenportals "Cnet" listet zurzeit rund 60 Gerüchte auf - und es werden täglich mehr. Als dann vergangene Woche angeblich ein Prototyp des iPhone 5 in einer Tequlia Bar "vergessen" wurde, hatten viele IT-Berichterstatter die Nase voll. Dasselbe war ein Jahr zuvor mit dem iPhone 4 passiert, nur in einem Restaurant für deutsche Spezialitäten. Jason Gilbert, Technikredakteur der "Huffington Post", diagnostizierte daraufhin bei sich das "iPhone-5-Erschöpfungssysndrom (i5FS). Um es sich und anderen leichter zu machen, entwarf er eine Vorlage für iPhone-5-Gerüchte. Einfach in die freien Textstellen ein paar sinnlose Features (Gilberts Beispiel: "Massagedüsen"), absurde Zahlen ("zwischen 40 Millionen und unendlich") und merkwürdige Quellen ("unaussprechliche Website aus Taiwan") eintragen - und fertig ist ein neues iPhone-5-Gerücht.

Wer keine Lust auf Satire hat, sondern die Gerüchte lieber kurz und knackig serviert bekommen möchte, dem sei ein Video der französischen Website "Nowhere Else" ans Herz gelegt: Alle Gerüchte werden in einer eleganten Computeranimation grafisch dargestellt und nach ihrer Wahrscheinlichkeit bewertet. Und das alles in unter zwei Minuten. In so kurzer Zeit kann das i5FS dann doch nicht einsetzen. Und irgendwann erlöst uns Apple mit echten Neuheiten.

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