Weltuntergangswaffe Burewestnik – Putins neue Rakete mit Nuklearantrieb und unendlicher Reichweite

Putin in Flecktarn lobt neue atomfähige Rakete
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Die Burewestnik soll 14.000 km mit nuklearem Antrieb zurückgelegt haben. Sie ist eine Dritt-Schlag-Waffe für den Doomsday, aber keine Waffe für den Ukraine-Krieg.

Der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow hat Wladimir Putin über einen angeblich erfolgreichen Test eines neuartigen Marschflugkörpers unterrichtet. Die Burewestnik – "Sturmvogel" – soll am 21. Oktober gestartet sein und dabei 14.000 Kilometer zurückgelegt haben. Das Besondere ist die theoretisch unbegrenzte Reichweite. Mit nuklearem Antrieb sind Flugzeit und Distanz praktisch nicht durch Treibstoff begrenzt; die 14.000 Kilometer dürften nicht das Maximum darstellen. Eine unabhängige Bestätigung des Fluges fehlt jedoch – es gibt weder Video noch westliche Sensordaten.

Die Meldung kam nicht überraschend. Die Waffe wurde bereits 2018 angekündigt; angeblich wird seit 2001 daran gearbeitet. Erste Tests fanden im August statt. Dass sie den Nato-Code "SSC-X-9 Skyfall" trägt, ist ein klares Indiz dafür, dass westliche Geheimdienste das System als real einstufen – und nicht als bloße Kreml-Propaganda. Es ist anzunehmen, dass nach und nach weitere Details veröffentlicht werden und die Konferenz mit Putin nur der Auftakt einer längeren Kampagne ist.

Schwierige Entwicklung der Burewestnik 

Auch mit dem Teilerfolg bleibt die Burewestnik hochgradig experimentell. Das Projekt war eine schwierige Geburt: 13 Fehlschläge seit 2016, nur zwei Teilerfolge bis 2024. Dazu kommt ein nuklearer Unfall 2019. Eine Serienfertigung vor 2030 gilt als unwahrscheinlich. Denkbar ist allerdings, dass der Kreml einzelne Modelle den Streitkräften früher übergibt.

Mit einer Startlänge von 12 Metern ist die Burewestnik für den bodengestützten Einsatz vorgesehen – ein Luftstart wäre wegen des Gewichts unmöglich. Sie fliegt bodennah; eine maximale Flughöhe ist nicht bekannt.

Der Antrieb erfolgt in zwei Phasen: Ein Booster sorgt für den Start und löst sich, sobald Marschgeschwindigkeit erreicht ist. Dann übernimmt ein nuklearer Turbojet-Reaktor. Dieses einfache Strahltriebwerk erhitzt Luft – hier jedoch nicht durch Treibstoff, sondern durch einen Mini-Reaktor. Daraus resultiert eine theoretisch unendliche Flugzeit. Der Antrieb ist auf Unterschallgeschwindigkeit begrenzt. Im Zeitalter der Hyperschallwaffen ist die Burewestnik also eher langsam.

Wiedergeburt eines alten Konzeptes

Neu ist die Idee nicht: Bereits in den 1950er Jahren arbeiteten die USA im "Project Pluto" an einem nuklearen Ramjet für Marschflugkörper – eine superschnelle, bodennah fliegende Waffe mit unbegrenzter Reichweite. Trotz technischer Erfolge wurde das Projekt 1964 eingestellt – auch wegen Umweltängsten und radioaktiver Risiken. Auch der Reaktor der Burewestnik erzeugt während des Flugs radioaktive Abgase. 

Nato-Experten spielen die militärische Bedeutung herunter: William Alberque, ehemaliger Direktor für nukleare Nichtverbreitung bei der Nato, nannte es gar das "dümmste System, das man sich vorstellen kann". Er verwies darauf, dass im Ukraine-Krieg Marschflugkörper verschiedener Typen relativ häufig abgeschossen wurden – zumindest laut Kiewer Angaben. Ballistische Raketen wie die russische Iskander seien dagegen viel schwerer abzufangen. Auch die Burewestnik sei letztlich ein Marschflugkörper und würde dasselbe Schicksal erleiden. Grundsätzlich zutreffend – doch der Krieg in der Ukraine hat alle Marschflugkörper entzaubert, westliche Modelle eingeschlossen.

Nicht für den konventionellen Krieg

Diese Sicht verkennt den eigentlichen Zweck der Waffe. Die Burewestnik ist nicht für konventionelle Kriege gedacht, in denen Ziele präzise zerstört werden sollen. Ein Einsatz in der Ukraine ist unwahrscheinlich. An Bord befindet sich ein Reaktor, der bei der Detonation des Gefechtskopfs radioaktiven Fallout erzeugen würde. Für begrenzte, "chirurgische" Schläge – wie sie die USA regelmäßig mit Marschflugkörpern führen – wäre sie völlig ungeeignet.

Der Sturmvogel ist eine Dritt-Schlag-Waffe, gedacht für das Ende eines großen Nuklearkriegs. Ähnlich wie der russische "Weltuntergangs"-Torpedo Poseidon. Solche Systeme sollen einem Gegner jede Hoffnung nehmen, Russlands Führung und nukleares Potenzial durch einen Überraschungsangriff auszuschalten. Dank ihrer Fähigkeit, theoretisch "unendlich" in der Luft zu bleiben, bliebe die Burewestnik selbst nach einem "Doomsday" eine tödliche Bedrohung – so wie der Poseidon auch dann noch an die amerikanische Küste heranrücken könnte, wenn kein Russe mehr lebt. In einem solchen Szenario würde der Sturmvogel nicht mehr auf eine intakte Luftabwehr stoßen. Es ist anzunehmen, dass die Missile primär nuklear bewaffnet ist. Neben dem Bodeneinsatz sind Varianten denkbar, die von U-Booten oder Schiffen aus starten.

Hohes Drohpotenzial

Abseits dieses düsteren Endzeitszenarios stellt die enorme Reichweite ein konkretes Problem für die USA dar. Frühere bodengestützte Angriffswaffen mussten stets den Nordpol überqueren, um amerikanische Ziele zu erreichen; entsprechend sind die US-Abwehrsysteme primär nach Norden ausgerichtet. Systeme wie der russische Avangard-Gleiter und nun die Burewestnik können jedoch von Russland aus starten und auf beliebig verschlungenen Routen aus jeder Richtung anfliegen. Die USA müssten sich auf eine teure, flächendeckende Rundum-Abwehr einstellen.

Darüber hinaus könnte die Burewestnik als Warnung dienen: Sie kann gestartet werden, lange Zeit in der Luft kreisen und so die Entschlossenheit des Kremls in einer Krise demonstrieren. Über die Burewestnik hinaus bleibt das Potenzial des Antriebs. Erstmals ist es Russland gelungen, ein Triebwerk zu entwickeln, das ein Flugobjekt theoretisch ewig in der Luft halten kann. Eine Technologie, die weit über Marschflugkörper hinaus Anwendung finden könnte. Hier aber mehr als Vision, denn als konkretes Projekt. Schon die radioaktive Schmutzfahne macht eine Nutzung dieses Triebwerks außerhalb des Weltuntergangsszenarios unmöglich.

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