Der Erfolg seiner Website worth1000.com war für Avi Muchnick der entscheidende Schritt in die Gesetzlosigkeit: Irgendwann verdiente der 27-Jährige genug mit ihr, um nach dem verhassten Jurastudium nicht als Anwalt arbeiten zu müssen. Das ist jetzt fünf Jahre her, und Muchnick freut sich immer noch an den Werbeeinnahmen, aber auch darüber, "jeden Tag Spaß zu haben und von etwas leben zu können, das mich begeistert".
Es sei ihm gegönnt - denn worth1000.com ist ein Ort im Internet, der nur dazu da ist, Menschen zu begeistern. Hier gibt es die buntesten und überraschendsten, die absonderlichsten, beeindruckendsten, anrührendsten und hintersinnigsten Bilder des Netzes zu bewundern. Bilder von Laien und Profis. Bilder, die nur eines gemeinsam haben: Sie sind allesamt nachträglich verändert worden.
Bildbearbeitung als Wettbewerb
worth1000.com ist eine Seite, auf der Wettbewerbe in Bildbearbeitung ausgetragen werden, in Fotomontage und Retusche, in digitaler Wirklichkeitsverdrehung und Übertreibung. Jedes Mitglied der Site kann sich ein Thema für einen Wettkampf überlegen und einen Preis ausloben. Dann geht es los: Wer erschafft das beste fotorealistische Bild einer Kreuzung aus zwei Tieren? Welche Extremsportart gibt es noch nicht? Oder: Wie wäre es, wenn in unserer Welt Riesen leben würden?
So entstehen Bilder, die neue Realitäten erschaffen oder nur gerade so viel an der Wirklichkeit schrauben, "bis ein einzigartiges Bild vorliegt, etwas, das in dieser Form nie zuvor zu sehen war", sagt Avi Muchnick. "Etwas, das mit subtilem Humor eine eigene kleine Geschichte erzählt."
Eine ganz andere Welt
"Ein Bild sagt mehr als tausend Worte" - nach diesem Sprichwort wurde worth1000.com benannt. Und wirklich: Die Bilder auf der Website sprechen täglich zu Hunderttausenden Besuchern, zu Zehntausenden Digitalkünstlern, die bei Avi Muchnick registriert sind. Ihre Schöpfer und Betrachter leben in der ganzen Welt: In Frankreich zum Beispiel, wie Joan Charmant, 28 Jahre, der "ein frustrierter Maler" war, als er die Website entdeckte. "Damals habe ich ein neues Medium kennengelernt", sagt er - und zeigt unter dem Alias "jobigoud" seine Fotomontagen. Den Amerikaner Brant Vondruska (38, "echoburst"), der sein Geld als Programmierer beim Rüstungskonzern Lockheed Martin verdient, machte die Entdeckung von worth1000 zum begeisterten Bildbearbeiter. "Das war ein Gottesgeschenk", sagt er. Und selbst der australische Profi-Grafiker Nigel Wapper (32, "wapstar") ist ein Fan der Site: "Ich habe dort viel gelernt von anderen Künstlern."
Wer auf der Website von Avi Muchnick durch die Galerien streift, bekommt einen Eindruck von der Macht des Werkzeugs PC. "Darin steckt die gleiche Magie wie in einer Dunkelkammer, wenn man wartet, bis das Bild erscheint", sagt der polnische Künstler Marcin Dziedzic. "Es dauert nur länger. Die echte Welt setzt mir keine Grenzen, und ich habe stets die Kontrolle. Wenn etwas schiefgegangen ist, kann ich sogar die Zeit zurückdrehen." Dziedzic, von dem das Titelbild dieses stern-Journals stammt, ist einer der besten worth1000-Künstler. Als in Polen der Kommunismus kollabierte, wollte er Fotograf werden - heute verändert er Fotos.
Ist das eine Gefahr für den Journalismus? "Wir sollten alle skeptisch sein, bevor wir Bildern trauen", sagt Muchnick dazu. Vielleicht sind gerade seine Besucher noch kritischer. Weil sie am besten wissen, was alles möglich ist.