Dieser Text erschien erstmals am 22. Februar 2023, zum ersten Jahrestag des Krieges in der Ukraine.
Geschichte vollzieht sich selten schockartig, oft sogar nur schleichend, in Wellen; nicht immer erkennt man sofort, dass sich gerade etwas Grundlegendes ändert. Oder will es nicht wahrhaben.
Im Rückblick sind dann nicht alle so ehrlich mit sich wie Lars Klingbeil. "Ich hätte nicht gedacht, dass Putin wirklich angreift", sagt der SPD-Vorsitzende. "Ich habe immer geglaubt, das ist noch abwendbar. Umso härter war die Erkenntnis am 24. Februar."
Vor einem Jahr also, am 24. Februar 2022, ließ der russische Präsident Wladimir Putin seine Armee in die Ukraine einmarschieren. Der Überfall ist in seiner Bedeutung in der jüngeren Vergangenheit nur vergleichbar mit dem Fall der Mauer und 9/11. Er hat unsere Welt und die Weltordnung grundstürzend verändert, aber auch das Sicherheitsgefühl der Deutschen und ihr Wirtschaftsmodell, das wesentlich von Energie aus Russland abhing.
Der Angriff kam nicht überraschend und hat doch viele überrascht. Putin hatte seit Ende November Truppen rund um die Ukraine zusammengezogen. Über zwei Monate versuchte der Westen, ihn vom Einmarsch abzuhalten, auf diplomatischem Weg und durch die Androhung von Sanktionen.
Der stern hat über Monate mit Regierungsmitgliedern gesprochen, mit Partei- und Fraktionschefs, mit Sicherheitsexperten und dem damaligen ukrainischen Botschafter. Sie alle schildern aus sehr persönlicher Sicht, wie sie die letzten Tage bis zum Krieg erlebt haben und die dramatischen ersten Tage danach, von den Reisen des Kanzlers nach Kiew und Moskau bis zu seiner Zeitenwende-Rede im Bundestag.