Liebe Frau Dr. Peirano,
ich (32, Elektriker) habe das Problem, dass ich viele Dinge vor mir herschiebe und mich dann schlecht fühle. Ich bin relativ undiszipliniert und schaffe es nicht, das zu tun, was ich mir vornehme. Jetzt möchte ich (mal wieder) mit dem Rauchen aufhören. Ich habe das schon ein paarmal gemacht und spätestens nach zwei Monaten immer wieder angefangen. Zum Beispiel weil ich feiern war und alle geraucht haben. Meine Kollegen rauchen auch alle, und das macht die Sache nicht gerade leichter.
Allerdings will meine Freundin, mit der ich zusammen wohne, auch mit dem Rauchen aufhören, und sie ist disziplinierter.
Da wollte ich mal fragen, ob Sie als Verhaltenstherapeutin ein paar Tipps haben. Hilft Hypnose vielleicht?
Viele Grüße
Sven K.
Lieber Sven K.,
ich finde es gut, dass Sie diesmal das Thema mit neuen Methoden und gründlicher als bisher angehen wollen, und ich kann Ihnen gerne ein paar Ideen geben, wie Sie sich dabei unterstützen können!
Man kann Hypnose als Raucherentwöhnung einsetzen, aber in der Regel ist das nicht ganz so einfach, wie man sich das vielleicht vorstellt. Viele Menschen haben den Wunsch, hypnotisiert zu werden und dabei Ihre Probleme zu lösen. Sie stellen sich vor, dass sie sich einfach auf eine weiche Couch legen und sich entspannen, während der Therapeut/die Therapeutin redet, und nach einer Sitzung oder vielleicht auch zweien ist ihr Problem so einfach "schwupp" weghypnotisiert.
Das kann manchmal klappen, aber oft ist doch etwas mehr nötig, zum Beispiel auch nach den Ursachen für den Drang nach der Zigarette zu fragen oder nach möglichen Ersatzhandlungen (z.B. mehr Sport zu machen). Man kann sich auch angucken, in was für einer Situation und warum jemand angefangen hat zu rauchen und was der Sinn des Ganzen sein sollte (z.B. dazu zu gehören, weil alle rauchen. Oder sich vermeintlich zu entspannen. Oder Unsicherheiten zu kaschieren, weil man mit einer Zigarette in der Hand immer etwas zu tun hat).
Ich würde bei Ihnen aber keine Hypnose empfehlen, weil das wieder passiv wäre (die Therapeutin oder der Therapeut leitet das an, sie liegen einfach da). Sie beschreiben sich als undiszipliniert und nicht sehr willensstark. Deshalb würde ich Ihnen lieber Methoden an die Hand geben, um Ihr Problem selbst und aktiv zu lösen, denn das wird Sie stolz machen und Ihnen Kraft geben.
Es gibt ein sehr langes, sperriges deutsches Wort, das ich Ihnen hier nahe legen möchte. Es heißt: "Selbstwirksamkeitserwartung". Hinter diesem etwas technisch anmutenden Begriff verbirgt sich etwas Wunderbares. Wenn ich die Erwartung habe, selbst wirksam zu sein, dann traue ich mir zu, Probleme zu lösen. Ich glaube an mich und meine Fähigkeiten und ich weiß, dass ich durchhalten kann, auch wenn es hart wird.
Wenn ich viel Selbstwirksamkeitserwartung habe, dann blicke ich auf eine Reihe von Herausforderungen zurück, die ich alle gemeistert habe. Zum Beispiel durch Beharrlichkeit, Geduld, Einsatz, Struktur. Oder indem ich mir immer wieder vorgestellt habe, wie ich das Ziel bereits erreicht habe. Ich habe viel mehr Freiheiten und viel mehr Mut, mich Herausforderungen zu stellen, wenn ich eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung habe. Also sollten wir diese trainieren. Ganz ähnlich wir wir auch unsere Muskeln trainieren: viele Sit-Ups erzeugen einen straffen Bauch. Viel Pizza auf dem Sofa eher nicht.

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe
Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben.
Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.
Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.
Es können ganz banale Situationen sein, in denen man seine Selbstwirksamkeitserwartung bemerkt. Zum Beispiel kommt jemand nach einer Party in eine extrem dreckige und unaufgeräumte Küche. Jemand ohne oder mit geringer Selbstwirksamkeitserwartung sagt sich: "Scheiße, das schaffe ich nie" und beschäftigt sich mit anderen Dingen. Vielleicht leidet er oder sie unter dem Chaos, aber er oder sie denkt sich auch: "Was soll ich denn machen. Ist halt so." Jemand mit geringer Selbstwirksamkeitserwartung lässt sich stark von Gefühlen leiten - insbesondere von Lust oder Unlust. Und mal ehrlich: wer hat schon Lust, einen halben Tag mit Abwaschen und Putzen zuzubringen? Wer Selbstwirksamkeitserwartung mitbringt, ist eher von seinen Werten gesteuert und von dem Bild einer positiven Zukunft. Hier wäre der Gedanke vorrangig: "Ich habe es gerne sauber und aufgeräumt, und außerdem will ich hier leben und mich wohlfühlen. Also mache ich jetzt einfach klar Schiff. Das ist nicht meine Lieblingsbeschäftigung, aber ich weiß, dass ich es schaffe. Und danach mach ich das, worauf ich Lust habe."
Sie können Ihren Wunsch, mit dem Rauchen aufzuhören, also einmal etwas höher aufhängen. Sehen Sie es doch so, dass Sie etwas für Ihre Selbstwirksamkeitserwartung tun können, wenn Sie den Kampf gegen die Zigarette aufnehmen, durchhalten und gewinnen! Stellen Sie sich doch einmal vor, wie Sie sich fühlen, wenn Sie z.B. ein Jahr lang nicht geraucht haben und wissen, Sie haben es geschafft. Wären Sie dann stolz auf sich? Wären Sie fitter und gesünder? Und was wäre mit Ihrer Selbstwirksamkeitserwartung? Würden Sie sich auch andere Dinge zutrauen, wenn Sie das geschafft hätten? Wiederholen Sie diese Vorstellungs-Übung jeden Tag!
Kommen wir jetzt zu den konkreten Tipps aus dem verhaltenstherapeutischen Werkzeugkasten.
- Holen Sie sich Verbündete und erzählen Sie denen von Ihrem Vorhaben. Es ist eine große Chance, dass Ihre Freundin auch aufhören will. Sie könnten zusammen einen Vertrag aufsetzen, in dem Sie Ihre Ziele definieren. Bei Nikotin ist es hilfreich, dass ein komplettes Aufhören möglich ist und man deshalb eine "Null Nikotin"- Regel aufstellen kann und sollte. Beim Essen oder Shoppen ist das nicht möglich, denn man muss ja essen und Dinge kaufen - und da stellt sich die Frage, ob ein Stück Kuchen in Ordnung oder problematisch ist… Und was ist mit dem zweiten Stück Kuchen? Oder dem zehnten Paar Schuhe?
- Erzählen Sie auch Ihren Kollegen, dass Sie aufhören möchten und bitten Sie sie, erst einmal nicht mehr vor Ihnen zu rauchen und Ihnen auf keinen Fall eine Zigarette abzugeben.
- Sorgen Sie dafür, dass in Ihrer Wohnung keine einzige Zigarette mehr ist. Überlegen Sie sich, wie Sie bisher Zigaretten gekauft haben (Automat/Kiosk/Lebensmittelladen) und arbeiten Sie konkret aus, wie Sie das verhindern wollen (z.B. mit Ihrer Freundin einkaufen zu gehen, kein Kleingeld dabei zu haben). Vermutlich werden diese Maßnahmen insbesondere in den ersten Tagen und Wochen nötig sein und dann wird der Suchtdrang nachlassen.
- Was für Stimmungen oder Situationen lassen in Ihnen den Drang entstehen, zu rauchen? Bei vielen Menschen ist es so, dass sie z.B. auf Partys und in Verbindung mit Alkohol eher rauchen als morgens alleine in der Wohnung. Überlegen Sie sich für jede Situation, wie Sie sie lösen können (z.B. ein paar Monate nicht auf Partys gehen und/oder nur wenig Alkohol trinken).
- Rechnen Sie aus, wie viel Geld Sie bisher für das Rauchen ausgegeben haben. Sparen Sie dieses Geld doch mal in einer speziellen Spardose und überlegen Sie sich, was Sie Schönes davon kaufen können. Meistens kommt da einiges zusammen, und Sie könnten auch ausrechnen, wann Sie den ersten Meilenstein (z.B. 100 Euro, 200 Euro, 500 Euro) erreicht haben - und was Sie sich davon gönnen möchten.
- Vereinbaren Sie mit Ihrer Freundin, dass derjenige, der eine Zigarette rauchen möchte, erst mit dem anderen sprechen muss UND mindestens drei DinA-4 Seiten zum Thema schreiben muss: "Warum meine ich, dass ich gerade jetzt eine Zigarette brauche?" "Was macht das mit meiner Selbstwirksamkeitserwartung?" "Wo sehe ich mich in einigen Monaten, wenn ich mir das jetzt erlaube?" "Was könnte ich in der nächsten Stunde machen, um mich vom Rauchen abzulenken?"
- Falls Sie oder Ihre Freundin gegen die Regel verstößt, VOR einer Zigarette die Schritte aus Punkt 6. zu machen, könnten Sie eine Vertragsstrafe vereinbaren. Sie könnten ein spezielles Sparschwein haben, in das jeder z.B. 150 oder 200 Euro einzahlt (es muss schon weh tun). Derjenige, der gegen Punkt 6. verstößt, verliert das Geld an den anderen. Und zwar bei JEDER Zigarette (denn ansonsten könnte man sich ja freikaufen und einfach wieder rauchen).
Das klingt hart, aber es ist wirksam. Ich zum Beispiel parke wirklich niemals in einer Feuerwehrzufahrt oder auf einem Behinderten-Parkplatz. Um ehrlich zu sein, tue ich das nicht unbedingt aus Einsicht. Ich denke nicht, dass gerade in der einen Stunde, in der ich in der Feuerwehr-Zufahrt parken möchte, das Haus abbrennt und ich die Löscharbeiten behindere. Ich mache es nicht, weil ich Angst vor den Konsequenzen habe: Einmal Abschleppen kostet ca. 500 Euro, dazu kommt noch der Strafzettel, dazu müsste ich ungefähr einen halben Tag mit Bus und Bahn zu dem Parkplatz in der Pampa fahren, um mein Auto abzuholen. Fazit: Nein danke. - Analysieren Sie Ihre (faulen) Ausreden für das Rauchen. Zum Beispiel: "Ich muss ja auch Spaß haben, mein Leben ist so hart" oder "Alle in meinem Umfeld rauchen." Hinterfragen Sie diese Gedanken - am besten mit Ihrer Freundin zusammen.
Ich hoffe, dass Sie sich jetzt gerüstet fühlen, den Kampf gegen die Zigaretten aufzunehmen und zu gewinnen. Sie werden es sich selbst in einem Jahr danken!
Herzliche Grüße
Julia Peirano