J. Peirano: Der geheime Code der Liebe Mein Mann hat seit Jahren eine philippinische Zweitfrau und will sich nicht zwischen uns entscheiden

Wenn eine dritte Person in die Beziehung eines Paares tritt, wird es schnell kompliziert (Symbolbild)
Wenn eine dritte Person in die Beziehung eines Paares tritt, wird es schnell kompliziert (Symbolbild)
©  supersizer / Getty Images
Nach langer Ehe fand Jeanette heraus, dass es für ihren Mann noch eine zweite Frau in seinem Leben gibt. Nun macht er keine Anstalten, sich für eine von ihnen zu entscheiden. Wie soll sie damit umgehen?

Liebe Frau Peirano, 

mein Mann und ich sind seit 27 Jahren verheiratet, haben einen erwachsenen Sohn und sind eigentlich ein gutes Team (wenig Streit, viele gemeinsame Interessen). Er ist sehr großzügig und meist auch fürsorglich und nett. 

2018 hat er während eines längeren Auslandsaufenthalts eine zehn Jahre jüngere Philippina namens Mary kennengelernt, die in einem Kosmetiksalon arbeitet. 2019 hielt er sich beruflich in Mexiko City auf. Ich war damit beschäftigt, mich um meinen schwerkranken Vater zu kümmern und meinen damals schwierigen Sohn bei den Vorbereitungen des Realschulabschlusses zu unterstützen. Deshalb konnte ich ihn in dieser Zeit nicht besuchen. 

Er ließ daraufhin Mary für vier Wochen nach Mexiko kommen, um mit ihr Urlaub zu machen. Seit Mai 2019 hat er sie nicht mehr in persona gesehen, telefoniert aber oft mit ihr, wenn ich außer Haus bin. 

Seit Januar 2020 leben und arbeiten wir beide bei der gleichen Firma im europäischen Ausland. Während wir auf das Haus eines Kollegen warteten, der nach Deutschland zurückging, wohnten wir in einer kleinen Wohnung. Mein Mann wollte getrennte Schlafzimmer. Bald verstand ich warum. Er telefonierte zweimal pro Nacht mit ihr und hatte auch virtuellen Sex mit ihr. 

Ich habe also erst im März 2020 herausgefunden, dass er eine Geliebte hat. Jetzt wohnen wir im Haus und schlafen meist in einem Bett. Wir haben über das Thema Untreue gesprochen und er meinte, ich solle tolerant sein, er brauche seine Freiheit und würde sie ab 2022, wenn sie wieder in ihrer Heimat wäre, zwei Wochen im Jahr besuchen. 

morgenstern

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Wenn er in einigen Jahren in Rente geht, möchte er drei Monate im Jahr dort verbringen. Angeblich liebt er uns beide. Er hat dort für sie ein Lebensmittelgeschäft mit Café und ein Haus finanziert. Ich möchte ihn nicht verlieren, aber eine Dreiecksbeziehung ist nichts für mich.

Viele Grüße

Jeanette G.

Liebe Jeanette G.,

als ich Ihre Schilderung gelesen haben, vermisste ich eines: Sie haben mit keiner Silbe erwähnt, wie Sie sich in den einzelnen Phasen gefühlt haben und wie Sie sich jetzt damit fühlen, quasi eine Zweitfrau vor die Nase gesetzt zu bekommen. Ihre Geschichte klingt in etwa so sachlich und unemotional für mich wie z.B. der Kauf eines neuen Staubsaugers.

Ist Ihnen bewusst, dass Sie Ihre Gefühle nicht in den Kontakt bringen? Woran liegt das? Haben Sie in Ihrer Geschichte gelernt, dass es nicht wichtig ist, was Sie fühlen? Oder dass man sich verletzlich fühlt (und es auch wird, wenn man Gefühle zeigt)? Meine drängende Frage ist, ob Sie sich auch Ihrem Mann gegenüber so zurück halten, was Ihre Gefühle betrifft.

Porträt Dr. Julia Peirano
© Kirsten Nijhof

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben. 

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Ihr Mann hat hinter Ihrem Rücken eine andere Frau kennen gelernt hat, trifft sie seit Jahren, hat mit Ihr virtuellen und wahrscheinlich auch "persönlichen" Sex und ist nicht davon abzubringen ist, diese Affäre zu beenden. Ich würde jetzt einfach mal davon ausgehen, dass Sie das verletzt, verwirrt, berührt, traurig macht. Dass es Ihr Selbstwertgefühl angreift, Sie schockiert, in Ihnen Verlust- und Zukunftsangst auslöst, Sie eifersüchtig macht und wahrscheinlich vieles mehr. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie auch auf der körperlichen Ebene durch den Stress und die Angst leiden. Also zum Beispiel nicht schlafen können, nervös sind, schlecht entspannen können, vielleicht schmerzempfindlicher sind - oder auch ganz andere Symptome haben.

Wie wäre es, wenn Sie das einmal aufschreiben. Was für Gedanken haben Sie (z.B. ich genüge ihm nicht, unsere Beziehung ist bedroht, wie kann er mir das antun…),  was für Gefühle haben Sie (Angst, Eifersucht, Trauer..), was für Körperempfindungen und körperliche Symptome haben Sie (Herzrasen, Schlafstörungen, Nervosität…). Und wie verhalten Sie sich? 

Was haben Sie alles schon unternommen, um die Situation zu klären - und was davon hat etwas gebracht und was nicht?

Was sind Ihre persönlichen Strategien und Verhaltensmuster, um mit Krisen und bedrohlichen Lebenssituationen umzugehen? Aushalten? Kämpfen? Es wegschieben? Sehr rational werden und die Situation erklären?

Ich möchte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass Sie dafür verantwortlich sind, was Ihr Mann macht! Aber es ist sehr wichtig, auch in einer langjährigen Beziehung in einem emotionalen Kontakt miteinander zu bleiben und sich womöglich auch mal unangenehme Seiten zu spiegeln. 

Ich kann zum Beispiel Ihre Schilderung Ihres Mannes, er sei "fürsorglich, nett und ein guter Teampartner" überhaupt nicht mit seinem aktuellen Verhalten in puncto Zweitfrau zusammenbringen. Einen Mann, der heimlich eine Affäre beginnt, während seine Frau sich um belastende Familienangelegenheiten kümmert, und diese Affäre unverhohlen weiterführt und weiterführen will, würde ich eher als rücksichtslos, egoistisch und unehrlich beschreiben. Wie passt das für Sie zusammen?

Oder haben Sie Abmachungen in Ihrer Partnerschaft gehabt, die Sie mir nicht erzählt haben, z.B. eine offene Beziehung vereinbart, oder hatten Sie selbst eine oder mehrere Affären, so dass es unausgesprochen legitim ist?

Ich denke, dass es für Sie wichtig wäre, erst einmal in Kontakt mit sich selbst und Ihren Gefühlen zu kommen, z.B. in einer Therapie, Beratung oder einem Coaching. Und wenn Sie herausgefunden haben, wie Sie sich fühlen und mit sich selbst ins Klare sind, wäre der nächste Schritt, Ihrem Mann Ihre Gefühle und Verletzungen zu spiegeln. Ohne Ihre Gefühle zu erleben, wird er nicht verstehen, was er Ihnen antut. 

Ich habe häufig erlebt, dass Menschen, die aufgrund Ihrer Geschichte (und um sich vor Verletzungen zu schützen) sehr sachlich mit Verletzungen umgehen, übergangen und missverstanden werden. Es braucht eine angemessene gefühlsmäßige Reaktion, damit der andere versteht, was Sache ist. 

Meine Katze ist da vorbildlich: Wenn eine andere Katze in unser Haus will, stellt sie sich an die Tür, macht einen Buckel, faucht und knurrt. Sie stellt unmissverständlich klar, wo ihre Grenzen sind und dass sie es nicht akzeptiert, dass diese Grenzen überschritten werden. Können Sie das auch? Offensichtlich haben Sie Ihren Mann (ebenso wie mich) emotional nicht erreicht. Meine Empfehlung ist, das nachzuholen. Und zwar so, dass die Botschaft ankommt. Mit Tränen, offenen Worten und allem, was dazu gehört.

Womöglich  ist genau der Verlust des emotionalen Kontakts die Wurzel des Problems. Entweder Sie funktionieren aufgrund gelernter Muster eher und zeigen Ihre Gefühle nicht - und dadurch ist der Kontakt zu Ihrem Mann verloren gegangen. Oder Sie haben in Ihrer Ehe gelernt, dass es nicht möglich ist, Ihren Mann emotional zu erreichen und sind darüber etwas "gefühlsblind" geworden. Es wäre sehr wichtig, das herauszufinden!

Herzliche Grüße

Julia Peirano

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