Anzeige
Anzeige

J. Peirano: Der geheime Code der Liebe Meine 14-jährige Tochter will wissen, wer ihr Vater ist. Doch das würde seine Ehe sprengen

J. Peirano: Der geheime Code der Liebe: Meine 14-jährige Tochter will wissen, wer ihr Vater ist. Doch das würde seine Ehe sprengen
Nach einer Affäre blieb Svenja alleine mit der daraus entstandenen Tochter zurück. Der verheiratete Vater zahlte zwar, Kontakt wollte er aber nicht. Nun steht Svenja vor einer schweren Wahl.

Liebe Frau Peirano,

ich bin alleinerziehende Mutter einer 14-jährigen Tochter. Bisher war ihr Vater in ihrem/unserem Leben nicht präsent und meine Tochter Lisa hat auch nie nach ihm gefragt. Mir war das ganz Recht, denn ich bin auf die Umstände, in denen sie entstanden ist, nicht stolz.

Ich hatte vor 15 Jahren eine kürzere Affäre mit einem Mann (Johannes) aus unserer Freundesgruppe. Er war in einer festen Beziehung, sagte mir aber damals, dass die beiden eine Krise hätten und sich wahrscheinlich trennen würden. Ich habe ihm geglaubt, und da ich damals schon 36 war und mir sehnlichst ein Kind gewünscht habe, habe ich - wohl unbewusst - die Pille nicht genommen. Ein paar Wochen später habe ich Johannes erzählt, dass ich von ihm schwanger war. Zuerst hat er abgestritten, dass es sein Kind ist und ich habe dann auf einem Vaterschaftstest bestanden. Er hat immer wortlos Unterhalt gezahlt, aber sonst keinen Kontakt zu uns gewollt. Irgendwie hat er das wohl vor seiner Freundin geheim gehalten.

Er hat damals auf mich eingeredet, dass ich niemandem verraten soll, dass er der Vater meines Kindes ist. Es lief mit seiner Freundin wieder, auch weil sie fast zeitgleich ein Kind erwartete. Mittlerweile sind sie verheiratet und haben drei Kinder.

Mir war also immer klar, dass ich mich alleine um Lisa kümmern würde, und das hatte nicht nur Nachteile. Lisa ist ein wunderbares Mädchen, und wir haben eine gute Beziehung. Obwohl ich als Cutterin nicht viel verdiene, haben wir uns immer über Wasser gehalten. Meine Eltern haben uns auch unterstützt.

Ich war viele Jahre im Ausland und bin erst vor zwei Jahren in meine Heimatstadt zurück gekommen. Da laufe ich Johannes und auch seiner Partnerin öfter über den Weg, und eine Weile sah es sogar so aus, als würde Lisa auf die gleiche Schule gehen wie seine Kinder. Bis jetzt habe ich immer das Geheimnis gewahrt.

Aber jetzt beginnt Lisa, sich für ihre Herkunft zu interessieren. Und sie fragt, wer ihr Vater ist. Ich finde das eine enorme Verantwortung, diese Entscheidung zu treffen, ihr die Wahrheit zu sagen.

Dagegen spricht: Es würde zwischen Johannes und seiner Frau zu einem Drama kommen, wenn seine Frau erfährt, dass er eine Affäre hatte und sie angelogen hat. Die Stadt ist klein und es würde geredet werden.

Ich bin sicher, dass Johannes nichts mit Lisa zu tun haben will und ich würde ihr gerne die Abfuhr ersparen.

Dafür spricht: Die Wahrheit wäre endlich auf dem Tisch und wir müssten nicht mehr Versteck spielen. Lisa hat ein Recht darauf, ihre Herkunft zu erfahren. Und letztlich ist sie eines Tages auch Erbin von Johannes' nicht kleinem Vermögen. Und es wäre wahrscheinlich auch für alle ein Schock, wenn sie nach Johannes Tod erscheint und ihren Teil fordert.

Was würden Sie mir raten?

Viele Grüße

Svenja V.


Liebe Svenja V.

Ihre Geschichte sieht von außen sehr kompliziert aus, und ich kann gut nachvollziehen, dass Sie den Überblick verlieren, wenn Sie an die Gefühle aller beteiligten Personen denken.

Auf der anderen Seite wird die Geschichte aber schnell klarer und unkomplizierter, wenn Sie den Menschen in den Mittelpunkt stellen, der Ihnen am Nächsten steht: Lisa.

Lisa hatte, wie es klingt, eine gute Kindheit dank Ihnen und dank Ihrer Eltern. Aber sie hat sich nicht dafür entschieden, vaterlos aufzuwachsen. Das hat für ein Kind viele Nachteile: Der alleinerziehende Elternteil (Sie) trägt die gesamte Verantwortung und Last alleine. Sie mussten zeitlich immer für Ihre Tochter da sein oder Sorge tragen, dass sie betreut wird. Sie mussten sich alleine um die finanzielle Situation kümmern, und Sie deuten auch an, dass das in Ihrem Job nicht einfach war. Sie hatten keinen Partner an Ihrer Seite, der selbstverständlich die Aufgaben mit Ihnen teilt, Sie entlastet und Ihrer Tochter Schutz, Versorgung und Liebe gibt. Das ist eine enorme Leistung, und es gab sicher auch in Ihren Jahren mit Lisa viele Momente, in denen Sie überfordert waren und Entlastung oder eine starke Schulter gebraucht hätten.

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht und anschließend zwei Bücher über die Liebe geschrieben.

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Johannes hat aus persönlichen Gründen einfach gesagt: "Ohne mich", und er hat weder daran gedacht, noch sich darum gekümmert, was das für Sie bedeutet. Er hat damals die Entscheidung getroffen, eine Affäre mit Ihnen zu haben und er hat es darauf ankommen lassen,  sich nicht selbst um die Verhütung zu kümmern. Und möglicherweise hat er Ihnen auch die Hoffnung darauf gemacht, dass er sich bald von seiner Partnerin trennt und frei wird für eine Beziehung mit Ihnen.

Gleichzeitig hat er auch seine Partnerin betrogen und das Geheimnis, dass er mit Ihnen ein Kind bekommt, 15 Jahre vor ihr bewahrt.

Ich würde an der Stelle sagen, dass Sie ihm keine Rücksichtnahme schulden. Seine Beziehung mit seiner Freundin/Frau ist seine Angelegenheit, nicht Ihre.

Das mag jetzt etwas hart klingen, aber er hat sich Ihnen gegenüber auch hart verhalten. Was für Gründe gäbe es, ihn zu schonen und dabei Ihrer Tochter die Information zu verweigern, wer ihr leiblicher Vater ist?

Für Kinder ist es wichtig, ihre Herkunft zu wissen, und Lisa fragt danach. Sie müssten jetzt Ihre eigene Tochter anlügen, um Johannes zu schonen. Und gehen wir mal einen Schritt weiter: Wenn Johannes eines Tages stirbt (und sei es erst in 40 oder 50 Jahren), dann bekommen die überlebenden Mitglieder seiner Familie das dunkle Familiengeheimnis aufgetischt, dass es noch ein weiteres Kind gibt, von dem sie jahrzehntelang nichts wussten? Was glauben Sie, wie Lisa sich damit fühlen würde, wenn sie keine Chance auf eine Klärung und Begegnung zu Lebenszeiten hat?

Selbst wenn sie, wie Sie zu Recht befürchten, eine Abfuhr von ihrem Vater bekäme, wäre das auch eine Art Klärung. Dann kann sie wütend sein, sich mit ihrer Wut auseinandersetzen und möglicherweise auch die Konfrontation mit ihrem Vater suchen. Das alles würden Sie ihr vorenthalten. Und eines Tages kommt die Wahrheit ja doch ans Licht, weil Johannes als Vater eingetragen ist.

Johannes Kinder aus der Ehe wären ebenfalls um die Möglichkeit gebracht, ihren Vater zu Lebzeiten damit zu konfrontieren, dass er sie belogen hat bzw. etwas so wichtiges wie ein Halbgeschwisterkind verschwiegen hat. Vielleicht möchten die Kinder sogar Kontakt zu Lisa haben – schließlich ist sie die Halbschwester. Ich kenne einige Fälle, in denen die "legitimen" Kinder eines Mannes den Kontakt zu ihrer Halbschwester/ihrem Halbbruder gesucht und gepflegt haben und es ungerecht fanden, dass sie selbst einen anderen und privilegierteren Status hatten als das uneheliche und verheimlichte Kind.

Ich denke, dass es für Johannes an der Zeit ist, Verantwortung zu übernehmen, dass er Lisas Vater ist und sie 15 Jahre lang vor allen verheimlicht hat. Und was das für seine Beziehung mit seiner Frau oder seinen Kindern bedeutet, ist nicht wirklich Ihre Baustelle. Wenn man sich öfters mal den Kopf anderer Menschen zerbricht oder deren Verantwortung übernimmt, hilft es, sich folgendes Mantra zu wiederholen: "Not my Circus, not my monkeys."

Mein Vorschlag wäre, dass Sie Johannes einen Brief schreiben und ihn um ein Treffen bitten. Sie können ihm sagen, dass Lisa viel zu lange verschwiegen wurde und dass sie jetzt wissen möchte, wer ihr Vater ist. Und dass Sie ihr das offenbaren möchten. Sie könnten Ihre Wünsche an Johannes' Rolle in Lisas Leben aufschreiben und ihn fragen, was er sich – mit der Erfahrung, drei Kinder großgezogen zu haben – für ein 14-jähriges Mädchen wünschen würde.

Setzen Sie ihm am besten einen Zeitpunkt (ca. zwei Monate), um darauf zu reagieren und sein Geheimnis zu lüften. Ich befürchte, dass er es sonst weiter aufschieben und verleugnen würde. Darin ist er ja ein Meister.

Und dann wird es einen Knall geben, darauf sollten Sie sich einstellen und Lisa darauf vorbereiten.

Aber irgendwann verpufft jeder Knall, selbst in einer Kleinstadt.

Herzliche Grüße

Julia Peirano

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel