J. Peirano: Der geheime Code der Liebe Mein Mann und ich sind ein Herz und eine Seele. Doch wenn es ums Rauchen geht, belügt er mich

Trotz besseren Wissens kommen viele Raucher nicht von der Zigarette los (Symbolbild)
Trotz besseren Wissens kommen viele Raucher nicht von der Zigarette los (Symbolbild)
© Milan Koelen / Getty Images
Eigentlich führen Theda und ihr Mann eine tolle, ausgeglichene Beziehung. Und sie schätzt ihn sehr. Wenn da nur sein heimliches Rauchen nicht wäre...

Sehr geehrte Dr. Peirano,

länger habe ich mir überlegt, ob so ein wunderbarer Mann wie meiner meine kleinen großen Sorgen überhaupt verdient. Es heißt, in guten wie in schlechten Zeiten.

Zu den guten: Wir sind beide selbständig in anspruchsvollen Jobs, haben wunderbare Kinder. Jeder versucht, finanziell autonom zu bleiben, bekommt vom anderen die nötigen Freiräume, die Care-Arbeit wird fair geteilt. Körperliche Nähe ist uns beiden wichtig, wenn auch öfter mal in der Nachtschicht.

Zu den schlechten:

  • Erstens trennt uns ein Altersunterschied von zehn Jahren, obwohl mein Mann jung geblieben ist.
  • Zweitens: Mein Mann hat wieder mit dem Rauchen begonnen und denkt sich öfter mal Notlügen aus.
  • Drittens: Ist albern, aber es ist manchmal für mich schwer, im Raum meist die weniger Sympathische zu sein.

Es war deshalb so schwer, Ihnen zu schreiben, weil mein Mann ein Herz von einem Menschen ist: hilfsbereit, sympathisch, witzig, toller Liebhaber und wunderbarer Vater.  

Drittens habe ich über die Jahre verdaut. Natürlich kratzt es manchmal noch am Ego, wenn der andere (gefühlt immer) sympathischer ist, egal wie sehr man sich ein Bein ausreißt, aber ich habe gelernt, dass das (s)eine große Stärke ist und mich Freunde und Familie eher als fürsorglich und stark wahrnehmen. Konkurrenz möchte ich nicht in meiner Partnerschaft, schon gar nicht in meinem Kopf.

Unser Hauptproblem, wenn man so will, bleibt das Zweitens: Mein Mann hatte das Rauchen aufgegeben und jetzt wieder aufgenommen.
Das klingt hart und wenig kompromissbereit, aber für mich gibt es beim Thema Rauchen keine Kompromisse. Leider. Dabei bin ich keine Gesundheitsfanatikerin und wenn er morgen ein Motorrad kaufen oder tafelweise Schokolade futtern will, bin ich d'accord.

Fakt ist: Uns trennen zehn Jahre. Heute nicht unüblich, ist er über 40 Vater geworden. Natürlich weiß niemand, was passieren wird. Und doch hatten und haben wir beide grundsätzlich die Idee, zusammen alt zu werden. Sein Vater ist vergleichsweise früh gestorben und er weiß, wie sich das für die Hinterbliebenen anfühlen kann. 

Ich denke, dass er für seinen Stress vielleicht ein Ventil braucht. Ich würde mir wünschen, dass ich ihm einen sicheren Raum geben kann, in dem es keiner Lügen bedarf. Natürlich kam schon die Frage auf, wie sehr er noch am Rauchen hängt und das für sich braucht.

In unserer Ehe können wir über alle anderen Dinge offen reden. Umso trauriger ist, dann belogen zu werden; auch wenn meine Reaktion auf die Thematik solche Notlügen auslöst, nehme ich an.

Für mich ist das Thema Rauchen kein Trennungsgrund, aber wir leiden beide darunter, jeder auf seine Art.

Vielen Dank für Ihre Zeit bis hierher!

Theda G.

Liebe Theda G.,

Es klingt trotz der Problemschilderung sehr viel Wertschätzung für Ihren Mann heraus, und das freut mich sehr! Und gerade deswegen, weil Ihre Beziehung so positiv ist, fällt es Ihnen wahrscheinlich auch schwer, den gerade entstehenden feinen Haarriss zu akzeptieren.

Sie haben es akzeptiert, dass Ihr Partner der Schillerndere, Sympathischere von Ihnen beiden zu sein scheint und ihm die Zuneigung offensichtlich zufliegt, während Sie diejenige sind, die das Gefühl hat, sich das erst verdienen zu müssen durch Fürsorge und Stärke. Und ein schickes Motorrad oder Schokolade würden Sie ihm auch gönnen – aber Zigaretten eben nicht. Das ist eine Grenze, und in einer Partnerschaft zu leben heißt auch, die Grenzen des anderen zu respektieren oder auf Augenhöhe darüber zu verhandeln.

Nun ist Ihr Problem Nummer zwei – das Rauchen – anscheinend leider doch etwas größer, als man zuerst vielleicht denkt. Denn Ihr Mann raucht, obwohl er weiß, dass das für Sie ein No-Go ist und Sie sich zusätzlich Sorgen um seine Gesundheit machen. Er respektiert also Ihre Grenze nicht und ist derzeit nicht wirklich zu einer Verhandlung mit Ihnen bereit. Sondern er weicht aus. Mit dem Lügen und Verheimlichen zeigt er ein weiteres, untrügliches Zeichen für eine Sucht. Und damit steht das Thema mitten zwischen Ihnen beiden und nimmt damit einen großen und falschen Raum ein.

Haben Sie eine Vermutung, warum Ihr Mann erstens wieder mit dem Rauchen angefangen hat und zweitens so beharrlich daran festhält? Was ist in seinem Leben passiert, das das ausgelöst hat?BIo Julia Peirano

Ich finde es bei Süchten immer ganz hilfreich, eine Stausee-Metapher heranzuziehen. Stellen Sie sich bitte mal ein Staubecken vor, in dem die Belastungen und Probleme des Lebens liegen. Was liegt unten schon seit vielen Jahren (z.B. eine unverarbeitete Beziehung mit dem eigenen Vater, Probleme mit dem eigenen Körper, Schuldgefühle)? Was ist in letzter Zeit dazu gekommen, z.B. Konflikte bei der Arbeit, Zeitdruck, gesundheitliche Probleme? Und was nervt auf einer ganz alltäglichen Basis (der Stau jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit, der Zeitdruck beim Abholen aus der Kita, zu wenig Sex…).

Wäre Ihr Mann bereit, sich mal alleine oder mit Ihnen zusammen an das Bild zu setzen? Man kann den Stausee in Form eines Symbols (Korb/Kiste) darstellen und ihn mit bestimmten beschrifteten Objekten in der passenden Größe (z.B. Sockenknäuel, Bücher, Päckchen) so weit füllen, wie es dem eigenen Gefühl entspricht. Oder man kann den Stausee aufzeichnen oder mit einer Metaplan-Wand arbeiten. Wichtig ist es, den Stausee erst einmal zu symbolisieren und das mehrmals wöchentlich zu aktualisieren. Die Frage ist: Was ist gerade bei mir los? Was beschäftigt mich?

Es ist wichtig, den eigenen See und Pegelstand immer zu wissen, denn wenn das Staubecken voll ist, drückt das Wasser (ergo die Probleme) gegen die Staumauer und entweder sie bricht (Nervenzusammenbruch, Psychose, Burn-Out, Suizid etc.) oder das Wasser schwappt als Problem über die Staumauer (z.B. Suchtverhalten, Essattacken, Wutanfälle, sich ritzen).

Doch bei einem Dammbruch oder einer Überschwemmung ist es bereits zu spät! Wichtiger ist es, sich das Becken immer wieder anzuschauen und dafür zu sorgen, dass der Pegelstand höchstens im mittleren Bereich ist. Das gelingt durch einen achtsamen Umgang mit sich selbst, z.B. durch Pausen, Meditation, Entspannungsübungen, Sport fließt immer wieder Wasser ab. Und durch klärende Gespräche, gutes Zeitmanagement, engen Kontakt zu eigenen Gefühlen und Abbau von Perfektionismus kann man dafür Sorgen, dass gar nicht erst so viele Probleme in das Becken kommen oder sie gelöst werden. 

Wenn das Staubecken ausgeglichen ist, erübrigt es sich meistens von selbst, das Sucht- oder Problemverhalten zu bewältigen. Denn ein niedriger Wasserspiegel bedeutet, dass das Wasser weder stark gegen die Mauer drückt und Suchtdruck auslöst noch überschwappt und zu Gefahren führt.

Wie wäre es, das Problem auf dieser Ebene anzusprechen und Ihren Mann dazu zu ermutigen, dass er sich um das Staubecken kümmert? Das ist viel gründlicher und nachhaltiger als auf der Symptomebene (Rauchen) zu bleiben. Ein Coaching oder vielleicht schon eine Kurzzeittherapie können hier helfen.

Oder diese Bücher:

Und wenn er wieder in die Selbstfürsorge kommt, geht es ihm und Ihnen beiden viel besser und er tut auch etwas für seine Gesundheit.

Alles Gute für Sie und herzliche Grüße

Julia Peirano

 

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