Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe "Mein Mann lässt mich seit Jahren links liegen"

Sie haben Kinder, und nur die halten sie noch zusammen. Als Paar leben sie nebeneinander her. Wenn er überhaupt einmal mit ihr spricht, dann kritisiert er sie harsch. Ist diese Ehe noch zu retten? Julia Peirano berät eine verzweifelte Frau.

Liebe Frau Dr. Peirano,

seit ungefähr vier Jahren lässt mein Mann mich komplett links liegen. Er macht sein eigenes Ding, surft am Computer. Er hat angefangen, extrem viel Sport zu treiben. Wir sind beide 47, er sieht sportlich und recht jung aus, ich bin völlig aus der Form gekommen. Ich kann mich einfach nicht zum Sport oder zu einer Diät aufraffen. Das Schlimmste ist, dass mein Mann kein gutes Haar an mir lässt. Wegen Kleinigkeiten kritisiert er mich (z.B. wenn ich es noch nicht geschafft habe, einkaufen zu gehen, wenn etwas herum liegt, wenn ich etwas nicht weiß). Er nennt mich "Mutter Flodder", sagt mir, dass ich nicht so viel essen soll oder fragt mich: "Bist du blöd?".Mich verletzt das sehr. Ich liebe ihn immer noch und frage ihn manchmal, was er für mich noch empfindet und ob er mich noch liebt. Er weicht dann aus. Ich bin auch immer diejenige, die vorschlägt, dass wir etwas unternehmen, auch als Familie. Wir haben zwei Kinder (10 und 8). Da macht er dann auch mit, aber die Stimmung ist nicht gut.

Porträt Dr. Julia Peirano
© Kirsten Nijhof

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben. 

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Ich vermisse es sehr, berührt zu werden, das macht er schon lange nicht mehr. Wenn ich ihn umarme, entzieht er sich. Sex haben wir schon lange nicht mehr. Ich möchte mal wieder, dass er etwas Nettes zu mir sagt. Eigentlich weiß ich, dass wir uns trennen sollten. Ich glaube, er liebt mich nicht mehr. Aber wir können uns das finanziell überhaupt nicht leisten, und außerdem ist er für die Kinder ein toller Vater.

Gibt es irgendetwas, was unsere Beziehung verbessern kann? Paartherapie kommt für ihn nicht in Frage.

Viele Grüße

Frauke P.

 

Liebe Frauke P.,

es hört sich so an, als wenn Sie seelisch schon seit langem am Verdursten sind! Sie beschreiben das Klima bei Ihnen zu Hause so, als wenn Ihr Mann schon längst mit Ihnen abgeschlossen hat. Er will nichts mit Ihnen zu zweit unternehmen, schätzt und unterstützt Sie nicht mehr und berührt Sie nicht. Und er ist nicht bereit, an diesem Zustand etwas zu verändern. Sie sind, so wie es scheint, kein Liebespaar mehr, sondern ein seelisch voneinander getrenntes Elternpaar, das unter einem Dach lebt. Haben Sie Ihren Mann einmal gefragt, wie er das sieht? Fragen Sie ihn doch einmal, ob dieses Bild für ihn stimmig ist. Wenn es so wäre, hieße das: Bemühen Sie sich nicht mehr um ihn als Freund, Geliebten und Partner. Sondern besprechen Sie eher, welche Spielregeln gelten, wenn Sie weiterhin aus finanziellen Gründen und der Kinder wegen unter einem Dach leben. Das ist zwar hart, aber es entlastet Sie, weil Sie nicht länger versuchen, etwas zu verändern, was nur zu zweit zu verändern wäre.

Ein großes Problem sind die vielen Abwertungen, die Ihr Mann Ihnen gegenüber äußert. Das ist für Sie selbst verletzend und macht Sie klein. Und für die Kinder ist das als Vorbild sehr schädlich: Als Erwachsene können sie selbst in Beziehungen geraten, in denen sie ihren Partner abwerten oder sich selbst abwerten lassen.

Der amerikanische Paarforscher John Gottman hat sich jahrzehntelang intensiv damit beschäftigt, warum einige Paare glücklich sind und andere nicht. Den Schlüssel zum Glück fand er in der Kommunikation, und zwar im Verhältnis von positiven Verhaltensweisen (Lächeln, Zustimmen, berühren, den Gedanken des anderen weiterführen, sich entschuldigen etc.) zu negativen Verhaltensweisen (kritisieren, wegschauen, unterbrechen, widersprechen etc.). Das Verhältnis von positiven zu negativen Verhaltensweisen lag bei den glücklichen Paaren bei 4:1! Bei Ihnen scheint das Negative um ein Vielfaches zu überwiegen! Zudem treten in Ihrer Beziehung besonders schädliche Verhaltensweisen auf, die John Gottman als "apokalyptische Reiter" bezeichnet hat. Sie sind Vorboten einer Trennung. Verachtung und Geringschätzung des Partners ist einer dieser Reiter, ein anderer Mauern und Rückzug. Wenn sich an der Kommunikation nichts zum Positiven verändert - und dazu bräuchte es zunächst einmal die Bereitschaft beider - dann bleibt Ihnen nur eins: Verteidigen Sie sich.

Kommentare erwünscht!

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Herzliche Grüße, Julia Peirano

Wenn sich Ihr Mann Ihnen gegenüber in Zukunft abwertend äußert, benennen Sie das kurz und knapp. Sagen Sie: "Das war sehr entwertend" oder "Danke für die Entwertung". Machen Sie das jedes Mal, wenn er Sie für blöd erklärt, mit den Augen rollt, Ihnen Vorwürfe macht oder Sie beschimpft. Rechtfertigen Sie sich nicht, und erklären Sie weiter nichts. Das ist ganz wichtig! Ihr Mann wird sich zwar wahrscheinlich nicht ändern, aber Sie selbst wachsen ein Stück, indem Sie benennen, was er mit Ihnen macht. Und ihm wird immerhin klar, dass Sie ihn ertappt haben. Das schützt Sie vor weiteren Verletzungen Ihres Selbstwertgefühls. Auch die Kinder bekommen mit, dass diese Entwertungen nicht in Ordnung sind.

Über kurz oder lang würde ich Ihnen trotzdem empfehlen, eine Trennung gedanklich und praktisch durchzuspielen. Denn gesund sind solche schweren seelischen Verletzungen keineswegs: Es kann zu psychosomatischen Beschwerden wie Gallensteinen, Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen etc.  führen, wenn man seinen Ärger ständig schluckt. Auch Depressionen oder ein Burn-Out-Syndrom wären zu erwarten.

Ich wünsche Ihnen die Kraft, sich zu schützen und zu wehren.

Herzliche Grüße

Julia Peirano

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