"Es ruckelt technisch gewaltig", ist der Befund der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nach Tag eins des Distanzlernens im Corona-Lockdown. "Viele Lernplattformen und Server halten den Zugriffen nicht stand", sagt GEW-Chefin Marlis Tepe dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Bei der Entwicklung der Programme sei nie die Idee gewesen, dass so viele Schüler gleichzeitig auf sie zugriffen.
Die GEW bestätigt damit die Erfahrung, die Eltern am Montag reihenweise in den sozialen Netzwerken schilderten: Dass Distanzunterricht vielerorts schlicht nicht möglich war, weil die entsprechenden Dienste im Internet für die Schülerinnen und Schüler nicht erreichbar waren.
stern-Leser schildern Erfahrungen mit Distanzunterricht
Verantwortlich für die Probleme sind laut GEW die zuständigen Ministerinnen und Minister. "Die Politik hat es im Sommer verschlafen, Distanz- und Wechselunterricht besser vorzubereiten." Tepe zufolge habe man sich zu sehr an die Hoffnung geklammert, "dass es mit dem Präsenzunterricht schon irgendwie klappt". Das sei "fahrlässig" gewesen.
Die brandenburgische Bildungsministerin und designierte Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Britta Ernst (SPD), wirbt dagegen in den ARD-"Tagesthemen" um Verständnis für die Schwierigkeiten beim digitalen Lernen: "Das ist ärgerlich. Aber was wir in den vergangenen fünf bis acht Jahren versäumt haben an Initiativen für die digitale Bildung, holen wir nicht in sechs bis neun Monaten auf." – "Ich gebe zu, wir wären gerne woanders."
Ausbaden müssen die Versäumnisse die Schülerinnen und Schüler in Deutschland. Statt Mathe, Deutsch oder Englisch steht vielerorts Warten oder verzweifeltes Aufgeben auf dem Programm.
Wir haben die stern-Leserinnen und -Leser nach ihren Erfahrungen mit dem Distanzunterricht-Auftakt gefragt – nach guten wie nach schlechten. Die Zahl der Zuschriften war enorm. Die Schilderungen sind selbstverständlich nicht repräsentativ und geben doch einen Einblick in die Realität des digitalen Lernens in Deutschland 2021. Klicken Sie sich durch die Antworten:
Distanzunterricht – positive Erfahrungen
Sandra N., Bayern; Kinder in der 1. und 6. Klasse
"Ich bin absolut positiv überrascht, wie toll die Schule und ihre Lehrer den schulischen Ablauf organisieren. Wir haben am Wochenende Arbeitsblätter und einen tagesgenauen Ablaufplan für eine Woche erhalten. Es besteht eine 'Anwesenheitspflicht' über eine tägliche Videokonferenz in 'Microsoft Teams'.
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Da man schon gemerkt hat, dass es teilweise mit Videokonferenzen von Geschwisterkindern kollidiert, wurde uns mitgeteilt, dass die Klasse geteilt wird und zwei Lehrer die Videokonferenz abhalten werden. Also ein schnelles und unkompliziertes Umorganisieren.
Am Freitag sollen die zu bearbeitenden Aufgaben in einer Sammelmappe in der Schule abgegeben werden, damit die Lehrer diese kontrollieren können. Und am Sonntag werden die Arbeitsaufträge für die kommende Woche wieder zur Abholung bereit gestellt.
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Natürlich wird viel Eigenverantwortung von Eltern und Schülern verlangt, was aber durch gute Organisation seitens der Lehrkräfte ganz gut klappt. Im Vergleich zum ersten Lockdown im März 2020 merken wir schon, dass Schule und Lehrer sehr bemüht sind und sich wirklich einsetzen."
Nicole W.; Kinder in 7. und 8. Klasse und auf dem Berufskolleg
"Meine Kinder hatten keine Probleme da sie tagtäglich meine Unterstützung bekommen haben, auch wenn es mir persönlich manchmal schwer fiel, da ich wegen meiner Multiplen Sklerose einmal im Monat eine Chemotherapie erhalte.
Seit der jetzigen Schließung der Schule bekommen sie erstmalig endlich den von mir herbeigesehnten Unterricht über Digitalschalte gemeinsam mit den Mitschülern und den Lehrern. Diesen Digitalunterricht empfinde ich als sehr gut gelungen. Bei uns kam es zu keinerlei Probleme bezüglich des Onlineprogramms 'Jitsi'. Meine Kinder nehmen am Onlineunterricht mit der Klasse teil und erledigen im Anschluss meist alleine in ihrem Kinderzimmer ihre Schulaufgaben. Natürlich stehe ich Ihnen zur Seite bei Problemen und Nachfragen, soweit es möglich ist. Ansonsten nehmen sie eigenständig Kontakt über die Chatfunktion des Lernforums mit dem jeweiligen Lehrer auf. Meine Kinder sind froh, zu Hause unterrichtet zu werden, da sie Angst haben, sich im Präsenzunterricht anzustecken und dann mich anzustecken. Sie wissen ganz genau, was gesundheitlich für mich auf dem Spiel steht.
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Es ist für alle eine anspruchsvolle und nicht immer einfache Zeit. Doch wir können diese nur gemeinsam überstehen, wenn wir alle als Gemeinschaft zusammen halten. Dazu gehört aber vor allen Dingen das die Kultusministerinnen und -minister anfangen, sich 'ehrlich' zu machen und endlich die Einschätzungen und Empfehlungen der Virologen und Epidemiologen des Robert-Koch-Instituts sowie der Leopoldina annehmen."
Nick J., Bayern; Kind in der 2. Klasse
"Ich muss hier unserer Grundschule ein Lob aussprechen. Mein Sohn hat zusammen mit der ganzen Klasse per von der Stadt aufgesetztem 'BigBlueButton' 15 Minuten Erklärungen für die Arbeitsblätter des Tages bekommen.
Die hervorragend vorbereiteten Unterlagen (Arbeitsblätter, App-Aufgaben, Videos …) stellen die Lehrerinnen und Lehrer meist am Wochenende (oft noch nach 19 Uhr) auf die Homepage in einen geschützten Bereich der Schule, die extra und in völliger Eigenverantwortung ihre Seite mit 'Wordpress' neu aufgesetzt hat.
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Ich selbst bilde seit fast 15 Jahren aus und arbeite mit IT. Computer und Software waren noch nie einfach und sind sowieso an allem Schuld! Vielleicht sollten die Eltern auch mal anfangen ein paar Volkshochschulkurse mitzumachen, um ihren Kids mal helfen zu können."
Anke A., Niedersachsen
"Wir kommen recht gut zurecht. 'IServ' funktioniert, das Wochenpensum ist gut zu bearbeiten. Die Lehrer an der Gesamtschule sind extrem organisiert und motiviert. Aufgaben und Anforderungen sind bestens zu verstehen und umsetzbar. An der Grundschule sind wir mit 'Zoom' unterwegs. Auch hier funktioniert das gut. Natürlich ist ein Präzenzunterricht nicht ersetzbar. Aber wir jammern hier auf hohem Niveau."
Yassin A. Nordrhein-Westfalen; drei Kinder
"Ich finde, der Distanzunterricht ist ein Erfolgserlebnis. Wir leben in einer digitalen Zeit.
Bisher haben unsere Kinder und Jugendliche den größten Teil der Technik für soziale Kontakte und Computerspiele in Anspruch genommen. Jetzt werden Sie auf Selbstständigkeit geprüft, und das ist für Groß und Klein manchmal eine richtige Herausforderung. Für mich als Vater von drei Kindern ist es eine positive Entwicklung für unseren Nachwuchs, der nun erstens die Technik für Sinnvolles nutzt und zweitens für die Zukunft gut vorbereitet wird."
Distanzunterricht – negative Erfahrungen
Anke F..; Kind in der 6. Klasse
"Das Programm ist von Fachleuten programmiert und für Nutzer unübersichtlich. Jeder Lehrer stellt die Aufgabe an anderen Stellen ein. Das heißt, dass die Eltern all diese Stellen durchforsten müssen, um am Ende die Unterlagen vollständig ausdrucken zu können.
Die Rückgabe der Unterlagen ist ebenfalls unterschiedlich. Es gibt zum einen Terminabgabefristen, zum anderen interessiert es die Lehrer nicht, ob die Aufgaben vollständig oder gar richtig sind; es gibt kein Feedback.
Die Deutschlehrerin ist unsere Klassenlehrerin, sie stellte ihre Aufgaben zu Beginn der Lernzeit ins Netz. Gestern hat sie neue Aufgaben für die nächsten 14 Tage eingestellt. Sie hat es bis zum heutigen Tag nicht geschafft, sich per Konferenz zu melden und die Kinder zu fragen, wie es ihnen geht.
Im Allgemeinen kann ich sagen, die Lehrer stellen die Aufgabe ins Netz. Die Eltern laden diese herunter und unterrichten ihre Kinder. Die Lehrer kontrollieren weder auf Richtigkeit noch auf Vollständigkeit. Sie kontrollieren gar nicht! Sie suchen keinen Kontakt zu ihren Schülern. Sie überziehen ausnahmslos ihre Unterrichtseinheiten, das heißt wenn der Unterricht zum Beispiel 90 Minuten regulär geht, sitzen die Kinder mit ihrer Eltern gern auch vier Stunden an den Aufgaben.
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Fazit: Es gibt zwei Lehrer, die einmal wöchentlich mit den Kindern eine Konferenzschaltung durchführen, das ist ein Lichtblick und zugleich traurig. Der überwiegende Teil der Lehrer hat scheinbar Wichtigeres zu tun, als dem Bildungsauftrag nachzukommen."
Eva S., Nordrhein-Westfalen; zwei Kinder
"Sagen wir mal so, es ging nicht alles reibungslos.
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Wir versuchen nun, die Kinder so gut es geht, zu unterstützen. Unsere beiden Jungs sind nicht besonders organisiert, alles geht schleppend und eher mit Unmut über die Bühne. Ich kann das alles gut verstehen, diese Situationen ist für Kinder und uns gleichermaßen zehrend und stellenweise schwer zu ertragen. Aber kein Mensch spricht über diese Situationen, diese Begebenheiten, in denen man als Eltern bei Kindern auf Granit beißt, wenn einfach nichts zu funktionieren scheint. Und das wird eben im Homeoffice und Homeschooling entlarvt, zumindest für uns sehr sichtbar.
Die Tatsache, das die Schulen den Kindern keine Organisation beibringen, keine Lernmethoden, kein digitales Verständnis, ist schonungslos aufgedeckt. Zwar werden nun mittlerweile Angebote gemacht, um Eltern und Schüler telefonisch oder per Mail oder über eingerichtete schulische Server zu betreuen, aber im Gros ist es immer noch so, dass wir Eltern allein da stehen und einen enormen Mehraufwand zu absolvieren haben.
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Technisch gesehen läuft der Laden einigermaßen. Bis auf ein paar kleine Aussetzer des Internets, weil ich parallel zu Videokonferenzen, Mails checken musste.
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Es fehlt meiner Meinung nach an kompetenten Angeboten, an konkreten Plänen und Hilfestellungen für Eltern, die Kinder haben, die sich schwer tun, trotz enormer Leistungen der Eltern. Da hilft auch kein Elterntelefon oder die Beratung der Schule. Es müsste mehr differenziert werden, zwischen Kindern, die leicht lernen und sich gut organisieren und Kindern, die sich eben nicht so leicht Dinge selber erarbeiten können.
Diese Erfahrungen haben wir schon im ersten Lockdown gemacht. Wir sind auf alle Fälle nun besser organisiert. Die Schulen und Lehrer auch. Trotzdem ist und bleibt es schwer."
Jennifer K., Kinder in der 2. und 9. Klasse
"Unsere beiden Söhne sind Asperger-Autisten und Schule ist eh ein sehr schwieriges Thema.
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Nun stehen wir wieder vor dieser Herkulesaufgabe Distanzlernen und eine wirkliche Verbesserung von Seiten der Schulen unserer Söhne sehe ich nicht. Im Gegenteil: Die Schule vom Älteren hat statt der wöchentlichen, sehr übersichtlichen Wochenpläne nun eine 'Moodle'- Seite, auf der wir uns die Aufgaben mühsam zusammensuchen müssen. Die Lehrer machen das ohne ersichtliches Konzept, alle ganz unterschiedlich. Videokonferenzen oder ähnliches gibt es bisher noch nicht, sind aber geplant. Weiterhin sieht das Distanzlernen so aus, dass die Schüler Arbeitsblätter oder Aufgaben aus den Büchern bearbeiten und abfotografiert an die Lehrer zurückgeben.
Der Kleine hat immerhin ein Klassen-'Padlet', auf dem nun Erklärvideos und weiteres Material zu finden sind. Außerdem haben wir die Zusage bekommen, dass seine Schulbegleitung ab Mittwoch dreimal wöchentlich für je zwei Stunden zu uns kommt und mit ihm arbeitet, was uns ganz gut entlastet.
Die Schule, an der ich arbeite, ist schon im März deutlich besser aufgestellt gewesen, alle SchülerInnen hatten einen Zugang für 'Teams' und Unterricht hat teilweise in Videokonferenzen stattgefunden. So konnten dort auch neue Lerninhalte vermittelt werden, was bei meinem Großen im Frühjahr gar nicht stattgefunden hat.
Die meisten Lehrer erlebe ich als durchaus engagiert und um gute Beschulung bemüht, aber es gibt auch leider einige, die es sich sehr leicht machen.
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Ich finde es sehr schade, dass es eine Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit nun definitiv und offensichtlich nicht mehr gibt. Es werden sehr viele, besonders die eh schon benachteiligten Kinder und Jugendlichen, noch weiter abgehängt. Mehr denn je hängt es nun vom Elternhaus ab, wie gut ein Schüler lernen kann, ebenso vom Engagement der einzelnen Schulen/Schulleiter/Lehrer.
Darüber hinaus wird es langfristig für sehr viele Kinder und Jugendliche psychische Folgen haben, über mehrere Wochen quasi isoliert in den Familien festgehangen zu haben. Mein Großer war 13, ist nun 14, in dem Alter wäre er normalerweise viel weniger zuhause, würde sich viel mehr abnabeln und an Freunden orientieren. Das ist ihm quasi komplett genommen.
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Ein Aspekt, der für meinen Älteren ganz schlimm ist, ist die Tatsache, dass Schule nun in seinen privaten Rückzugsraum eindringt. Er besucht eine Ganztagsschule und muss daher normalerweise zuhause nichts mehr für die Schule tun. Dass das im Distanzlernen anders ist, belastet ihn enorm."
Jenny B.; Kinder in der 5. und 8. Klasse
"Die Server sind teilweise nicht erreichbar. Be meinem Fünftklässler gibt es einen geregelten Ablauf, er braucht aufgrund seiner Lernschwierigkeiten Unterstützung. Mein Sohn in der achten Klasse bekommt dann und wann Aufgaben. Ich bin Krankenschwester, habe also kein Homeoffice, bekomme aber ständig Mails von der Schule: 'Wenn ich überfordert bin im Homeoffice, könne ich mich da und da melden ...' Ich bin ja aber überhaupt nicht zu Hause und manage alles nach meinem Dienst, wenn ich meinen Jüngsten vom Kindergarten geholt habe."
Andrea P.; kinder in der 7., 9. und 13. Klasse
"Um 8 Uhr wurden die zu bearbeitenden Aufgaben eingestellt. Entweder die Kinder haben spontan eine neue Stundentafel bekommen, oder ich habe irgendwas falsch verstanden. Aufgaben einmal quer durch den ganzen Stundenplan, und das ziemlich reichlich. Das heißt, alle Fächer an einem Tag abgedeckt, mit einer Frist innerhalb einer Woche zu erledigen. Jetzt muss ich den ganzen Kram wieder sortieren und auf einzelne Tage aufteilen.
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Ich gehe halbtags arbeiten, im Wechsel Früh- und Mittagsdienst,. Entweder ich spiele morgens die Aushilfslehrerin/Sekretärin oder nachmittags nach der Arbeit.
Ja, schon klar, die Kinder sollen selbstständig arbeiten. Haben Sie aber schon mal einen Teenager gesehen, der weiter arbeitet, wenn der Lehrer den Klassenraum verlässt?"
Mecki H., Nordrhein-Westfalen
"Ich arbeite als Schulassistenz an einer Hauptschule. Nach den Sommerferien wurde allen, die sich keinen Laptop oder ähnliches leisten können, ein Leih-Laptop in Aussicht gestellt. Und das sind gut 90 bis 100 Prozent der Schüler. Im Informatikunterricht wurden sie auf den Gebrauch vorbereitet.
Anfang Dezember hieß es, dass die ersten Geräte in Bottrop verteilt werden. Als der nächste Lockdown eintrat, man nannte es 'Beginn der Winterferien', hatte keiner der Schüler einen Laptop erhalten.
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Da die meisten Schüler einen Migrationshintergrund haben, ist ein Internetzugang nicht selbstverständlich. Ich bewundere jeden Tag die Lehrer, die versuchen, per Handy ein Minimum an Unterricht aufrecht zu erhalten.
Deren Alltag sollten sich die Politiker mal anschauen. Vielleicht kommen sie dann in die Realität zurück."
Bianka S.
"Wir haben zwei Kinder, neun und zwölf Jahre alt. Beide sind den ganzen Tag auf sich alleine gestellt, da mein Mann und ich arbeiten müssen. Das schlimme daran ist, dass ich gerne bei den Aufgaben unterstützen würde, das lässt aber unsere Arbeit nicht zu. Das heißt, um 17 Uhr wird kontrolliert und – wenn nötig – berichtigt.
Das klappt nur, weil ich wirklich selbständige Kinder habe. Ein schlechtes Gewissen habe ich dabei trotzdem, weil sie alles alleine schaffen müssen.
Der Senat sollte sich lieber langfristig etwas einfallen lassen, dass Mütter nur noch halbtags arbeiten aber weiterhin voll bezahlt werden."
Petra G., Bayern; zwei Kinder
"Ich bin einfach nur unendlich frustriert, gestresst und besorgt! Bei uns funktioniert es nicht. Mein Sohn ist im Vergleich zur Parallelklasse 25 Kapitel in Latein zurück, das entspricht circa einem halben Jahr.
In Englisch wurde viel zu viel Stoff durchgenommen und nicht kontrolliert. Ergo hat er es nicht verstanden und der Stoff wurde auch nicht wiederholt. Mathe hat bis jetzt zweimal online stattgefunden und das war's.
In Griechisch wurden Vokabeln und Grammatik aufgegeben und auch nicht wiederholt. Also auch nicht verstanden! Und so geht es weiter und weiter und weiter ...
Der gesamte Stoff vom letzten Jahr (erster Lockdown) wurde nicht wiederholt und es wurde einfach weitergemacht.
Jetzt kam am Samstag ein ganz toller Elternbrief, in dem aufgeführt wurde, wie alles ab heute stattfinden soll ...
Ab 8 Uhr stehen alle Aufgaben im Netz und tja – es ging nichts. Wir kamen nirgends rein und mein Sohn ist umsonst um 7.30 Uhr aufgestanden.
Ich könnte hier so viel schreiben, aber es macht mich mit jedem Satz wütender! Wie soll ein einheitlicher Level jemals wieder erreicht werden? Wie kann ich mein Kind motivieren?
Warum mache ich immer Druck und wir streiten und letztendlich versagt hier die Schule, der Staat und unser ach so tolles Bildungssystem?"
Petra L., Bayern, Kinder in 1. und 4. Klasse
"Aufgrund einer Erkrankung meinerseits und keiner Freistellung meines Mannes haben wir die Notbetreuung in der Schule für unsere Kinder in Anspruch genommen. Da mein Mann Homeoffice macht, kann er auch nicht diese bezahlten Tage für Eltern nutzen.
Unsere Kinder dürfen die nächsten drei Wochen Montags-Freitags von 8. bis 11.20 Uhr in die Schule. Es wird der 'Schulmanager' verwendet und beide Klassenlehrer haben noch am Wochenende darüber detaillierte Abläufe geschickt.
(...)
Der Klassenlehrer unseres jüngeren Kindes hat noch einen Wochenplan und Arbeitsblätter hochgeladen. Die Videokonferenz am Morgen hat in beiden Klassen nicht geklappt. Die Server waren überlastet. Zudem ist immer noch nicht ganz klar, ob überhaupt per iPads der Schule an den Videokonferenzen teilgenommen werden kann, in den Tagen vor Weihnachten ging es nicht.
Mein Erstklässler konnte anhand des Wochenplans alles in der Schule erledigen plus Zusatzaufgaben vom Wochenplan.
Mein Viertklässler hat die Aufgaben für diesen Tag erst 30 Minuten vor Ende bekommen. Hat dann über eine andere Lernplattform alles gelernt im Fach Musik. Zuhause musste dann alles, was möglich war, nachgeholt werden. Um 12 Uhr hat wenigstens die Abschlusskonferenz für ein Kind geklappt. Auch wenn Videokonferenzen angeboten werden, um am Anfang und Ende Fragen zu den Aufgaben stellen zu können, finde ich es noch weit von Distanzunterricht entfernt. Eher ist es ein begleitetes Distanzlernen. Derzeit wird erstmal wieder Stoff wiederholt. Mir bereitet Sorge, dass zum Ende Januar die Empfehlung für die weiterführende Schule ausgesprochen wird. Aber wie ohne Benotungen nach Schreiben von Tests?"
Franziska K., Schleswig-Holstein; Kinder in der 2., 8. und 11. Klasse
"Mein Sohn (2. Klasse) kann nur von digitalem Lernen träumen. Das Einzige, was digital ist, sind die Aufgaben, die wir per 'Padlet' mitgeteilt bekommen – und, wenn es hochkommt, wird mal eine Geschichte von der Lehrerin vorgelesen.
(...)
Jetzt ist es vermehrt so, dass auch neue Themen eingeführt werden (zum Bespiel Wörter nach dem Alphabet ordnen, das kleine Einmaleins), bei denen die Kinder auf jeden Fall davon profitieren würden, wenn die Klassenlehrerin dies mit ihnen in der Schule erarbeitet. Ich selbst arbeite an einer Förderschule und kann meinem Sohn die Sachen kindgerecht erklären und habe auch die Zeit dazu, da ich mir meine Arbeitszeit frei einteilen kann. Das können aber nur die wenigsten Eltern leisten. Somit bleiben deren Kinder dann sicher auf der Strecke.
Meine Tochter (8. Klasse) sollte eigentlich anhand von Videokonferenzen lernen. Ihr Klassenlehrer ist nun allerdings in anderen Klassen eingeteilt, die aufgrund des bevorstehenden Schulabschlusses weiterhin beschult werden. Somit unterrichtet er vor Ort andere Schüler und nicht seine eigene Klasse via Videokonferenz. Deshalb arbeitet sie einen vom Lehrer erstellten Fragenkatalog ab bzw. rechnet Aufgaben in Mathe aus ihrem Mathebuch. Die Lehrer stehen dann per Mail für Fragen zur Verfügung. Klar können mein Mann und ich ihr Mathe erklären, aber ich merke einfach, dass es bei uns schon ewig her ist und wir vielleicht auch andere Rechenwege gelernt haben, als die in der Schule vermittelten. Somit ist das nicht wirklich eine Hilfe, sondern trägt eher zur Verzweiflung und zu Frust bei.
Meine große Tochter (11. Klasse) lernt selbstständig nach dem Motto 'Ich mache mehr in den Fächern, in denen ich die Punkte ins Abi einbringen will'.
Aufgaben kommen über den Schulserver. Videokonferenzen stürzen regelmäßig ab, weil der Schulserver überlastet ist. Es ist alles nicht so richtig ausgereift. Da sie nun aber zum Glück schon selbstständig ist, bin ich bei der Bearbeitung ihrer Aufgaben nicht so extrem eingebunden.
Alles in allem wäre es aus meiner Sicht wichtig, dass die Kinder mit Gleichaltrigen zusammen sein dürfen. Der Verlust an sozialen Kontakten hat, denke ich, weitreichende Folgen.
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Mein Jüngster verliert völlig den Bezug zur Schule und zu den Lehrern. Diese melden sich hier auch nie. Auch ausgearbeitete Aufgaben haben wir nicht zurück bekommen, kein Lob von den Lehrern, wie fleißig er gearbeitet hat. Wenn das dieses Mal genauso läuft, verstehe ich seine Aussage, dass es eh schöner ist, zu Hause von Mama unterrichtet zu werden. Das ist schon traurig und bezeichnend für das deutsche Schulsystem."
Britta T., Baden-Württemberg; Kinder in der 5. und 8. Klasse
"Also bei meinen Kindern lief leider gar nichts! Wir saßen wie verlangt um 7.50 Uhr gestriegelt und gebügelt vor den Tablets und dann passierte – nichts! Sowohl 'Sdui' als auch 'Padlet' und 'BBB' als Tools waren nicht aufrufbar, weil sie überlastet waren. Die Lehrer haben dann per E-Mail über einzelne Eltern die Hausaufgaben angewiesen ..."
Elisabteh U., Hessen; drei Kinder
"Wir sind selbstständig und massiv von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemiebekämpfung betroffen. Diese Gemengelage macht unseren Alltag zum Pulverfas.
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Die Schule hinkt weit hinterher. Noch nicht einmal an der Schule selbst gibt es ein funktionierendes Netz, ganz zu schweigen von systematischen digitalen Lerninhalten. Hier am Rande des Rhein-Main-Gebietes können wir auch zu Hause nicht jederzeit mit stabilem Internet rechnen. Das kostet Nerven.
Es zeigt sich zudem ein sehr heterogenes Bild in der Lehrer- und Lehrerinnenschaft. Einige sehr engagierte Lehrkräfte können leider nicht wettmachen, was in anderen Fächern hinten runter fällt.
Die Kommunikation des Kultusministerium ist eine einzige Katastrophe. Das exakte Vorgehen wurde uns am Donnerstag mitgeteilt. Das erfordert ungeheuer viel Flexibilität bei Eltern, die Berufstätigkeit leidet massiv darunter und das in der sowieso schon stark angespannten wirtschaftlichen Situation.
Wir machen uns mittlerweile große Sorgen um das Abitur 2022 unserer Tochter. Mit welchen Anforderungen soll sie rechnen, wie das Versäumte in Eigenregie aufholen? Wann wird es geänderte Lehrpläne geben? Welche Lücken müssen dann vor Ausbildungs- und Studienstart noch geschlossen werden?
Im März letzten Jahres war unsere Motivation und die unserer Kinder immens, mittlerweile ist sie starker Frustration gewichen.
Wir wundern uns sehr, dass nach der Situation im März Schulen und Politik scheinbar viel Zeit haben ungenutzt verstreichen lassen. Der zweite Lockdown kam nicht überraschend.
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Wir fühlen und abgehängt und allein gelassen."
Ulli E., zwei Kinder
"Meine beiden Kinder (zehn und 14 Jahre alt) konnten so gut wie nicht online unterrichtet werden. Das lag aber bestimmt nicht an unserer technischen Ausstattung. Beide Kinder haben jeweils ein aktuelles Gaming Notebook mit, keines älter als sechs Monate.
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Wir haben einen 1.000-Mbit/s-Zugang von 'Unitymedia' und das Glasfaserkabel schaut bei uns im Keller aus der Wand. Ich habe ohne Probleme von zuhause aus gearbeitet und zum Test auch mal ein Online-Ballerspiel versucht. War kein Problem. Aber 'IServ' und 'Moodle' waren für uns nur deutlich eingeschränkt bis gar nicht zu erreichen – Katastrophe!
Hier scheint das Kultusministerium mehr als geschlafen zu haben. Deshalb wird wohl auch so auf Präsenzunterricht gesetzt. – die können wohl nichts anderes! Unvorbereitet und ahnungslos.
(...)
War im Frühjahr schon interessant zu sehen, wie die Lehrer und die Schulen gescheitert sind. Die technische Ausstattung und das Wissen damit umzugehen sind wohl deutliche Mangelware in unserem Schulsystem."
Hinweis: Auf Wunsch wurden einige Namen pseudonymisiert.
Auch auf der stern-Facebook-Seite teilten Eltern und Lehrkräfte ihre Erfahrungen mit dem Distanzlernen – von frustriert bis motiviert:
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Doch bei allem Frust über oder aller Lust an der neuen Form des Lernens, eines haben fast alle Betroffenen gemeinsam: Den Wunsch, dass der Distanzunterricht den Alltag nicht allzu lange bestimmen wird.
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