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C. Tauzher: Die Pubertäterin Weinprobe im Kinderzimmer - "aber ich hab nur genippt! Hicks!"

Teenagerin mit Rotweinglas
Man kann sich auch durch "Nippen" betrinken. (Symbolbild)
© skynesher / Getty Images
Die Pubertierende ist erstmals bei der großen Party ihrer Eltern dabei. Einige Gäste verabschieden sich mit Augenzwinkern und den Worten "Eure Tochter war heute aber sehr lustig". Warum, das erfährt Christiane Tauzher am nächsten Morgen.

Die Wombi schlief drei Nächte Wange an Wange mit einem Rotweinglas, an dessen Rand die letzten Schlucke wie eine eingetrocknete Blutkonserve klebten. Ich schicke, bevor ich erzähle, wie es dazu kam, vorweg, dass die Wombi vorher keinen Alkohol getrunken hat und auch in nächster Zeit - bis zu ihrer Hochzeit - nicht vorhat Alkohol zu trinken. Dass es ihr natürlich nie in den Sinn käme, sich im Beisein ihrer Eltern zu beschwipsen, ist eigentlich überflüssig zu erwähnen - aber der Vollständigkeit halber...

Christiane Tauzher: Die Pubertäterin

Seit die Pubertät unsere Tochter, die Wombi, kurz nach ihrem 13. Geburtstag in ihre Gewalt bekommen hat, halten wir die Fenster geschlossen, damit die Nachbarn nicht die Polizei rufen. Die Pubertäterin ist laut und unberechenbar, wenn sie nicht gerade wie ein Wombat schläft oder isst – was sie zum Glück oft tut.

Die Geschichten, die ich – Journalistin, 41, aus Wien, verheiratet mit Olaf, 46 – hier erzähle, handeln natürlich nicht von der Pubertäterin in meiner Familie. Nein. Sie entspringen meiner blühenden Fantasie oder stammen aus anderen Familien. Dort geht es nämlich arg zu – in den anderen Familien ...

So. Die Geschichte beginnt damit, dass wir, der Olaf und ich, jedes Jahr rund um den Jahreswechsel ein Fest mit unseren Freunden feiern. Der Olaf mag unterm Jahr keine Gäste, weil es ihn anstrengt, ein guter Gastgeber zu sein und wir unterschiedlicher Auffassung darüber sind, worin die Aufgabe eines guten Gastgebers besteht. Der Olaf findet es nicht notwendig, das Haus so aufzuräumen, dass man es für eine Interieur-Zeitschrift fotografieren könnte. "Das ist alles übertrieben", findet er. Er hat eben keine Ahnung. Hätten wir uns nicht auf DAS Fest geeinigt, wären wir sicher längst geschieden.

Bisher schlief die Wombi immer bei einer Freundin, wenn unser Fest stieg. Heuer wollte sie dabei sein und "ein paar" ihrer Freunde einladen. "Gut", sagte ich, "aber kein Supermini-Kleid, keine zerrissenen Jeans und keine Plateau-Schuhe." Die Wombi nickte, als wäre das eh klar.

Der Abend des Festes war gekommen, von der Wombi war während der Vorbereitungszeit wenig zu sehen gewesen. Am Vortag hatte ich ihr eine Kiste voller Kugeln und Sterne in die Hand gedrückt mit der Bitte, sie möge die Topfpflanzen schmücken. Nach einiger Zeit ging ich nachschauen und fand die Wombi schlafend auf der Couch. Sie hatte ZWEI Kugeln aufgehängt, bevor sie sich ausruhen musste. "Das reicht", sagte sie, "zu viel Deko ist kitschig."

Über die passende Fest-Kleidung hatten die Wombi und ich nicht geredet. Was sich als Fehler herausstellte. Die ersten Gäste trudelten bereits ein, als die Wombi auf Lack-High-Heels (MEINE High Heels) in einem sündteuren Bänderrock von Lena Hoschek (MEIN Bänderrock), geschminkt wie Kim Kardashian, in eine Wolke aus Chanel (MEIN Chanel) gehüllt, die Treppe herunterstakste. Ich musterte sie von oben bis unten. "Ich habe mich an deine Kleidervorschriften gehalten", sagte die Wombi, "also sei zufrieden."

Sobald ihre Freunde angekommen waren, verzogen sie sich in ihr Zimmer, das die Wombi natürlich NICHT aufgeräumt hatte, weil es "sinnlos" gewesen wäre. 

Der Abend nahm seinen Lauf. Bis mich mein Trauzeuge auf die Seite nahm und wissen wollte, was denn mit der Wombi los sei? Ich hatte sie seit Stunden nicht gesehen. Eine Freundin fragte mich in diesem Moment nach unseren Plänen in den Semesterferien, und ich vergaß die Wombi wieder. "Hast Du die Wombi gesehen?", fragte mich der Olaf etwa eine halbe Stunde später. "Wieso?"

"Mich hat der Andi gefragt, ob unsere Tochter immer so drauf ist." "Wie drauf?", fragte ich. Der Olaf zuckte die Achseln. Ich schob den Gedanken an die Wombi zum zweiten Mal an diesem Abend bei Seite. Doch dann, als sich unsere Gäste nach und nach verabschiedeten, sah ich sie. Sie lehnte zerzaust an der Couch und lachte ziemlich laut. Meine High Heels hatte sie abgestreift und auf meinem Bänderrock prangte ein großer Fleck. "Hahaha!" Sie klopfte sich mit der Hand auf den Schenkel und schoss ein Selfie mit Peace-Zeichen. Ganz plötzlich stand sie auf, sagte "Gute Nacht. Ich bin müde!" und trollte sich in ihre Schlafhöhle. Die High Heels ließ sie zurück wie tote Fische.

"Eure Tochter war heute aber sehr lustig", sagte ein Freund vom Olaf bei der Verabschiedung und zwinkerte uns zu. "Was sollte das?", fragte ich den Olaf. Er zuckte wieder die Achseln.

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"Ich sage es jetzt zum allerallerletzten Mal! Storys aus dem fast perfekten Alltag einer Mutter", von Christiane Tauzher, Goldegg Verlag, 14,95 Euro

Als alle gegangen waren, sanken wir ermattet auf das Sofa und tranken den letzten Rest vom Beerenpunsch. Auf Zehenspitzen ging ich zur Wombi ins Zimmer. Sie schnarchte leise, und die Nacktschnecken-Augenbrauen hoben sich bedrohlich von ihrem hellen, dick gepuderten Gesicht ab. Ich sammelte die Gläser ein, die ich fand. Es waren einige. Sekt, Wein, Punsch.

"Waren Erwachsene bei der Wombi im Zimmer?", fragte ich den Olaf. Er zuckte zum dritten Mal die Achseln.

In der Früh trieben der Durst und der Kopfschmerz die Wombi vor ihrer normalen Aufwachzeit in die Küche. "Ich brauche Wasser", krächzte sie, rieb sich über die Augen und verteilte die Wimperntusche auf ihren Wangen. "War gestern alles okay mit dir?", fragte ich. Die Wombi bot all ihre Kraft auf, um erstaunt zu schauen. "Was sollte nicht okay gewesen sein?", fragte sie. "Ach nichts", sagte der Olaf.

"Ich habe gestern einige Gläser bei dir weggeräumt...", sagte ich. Die Wombi erzählte uns in langsamen Sätzen, dass "die anderen" Alkohol getrunken hätten. Sie hätte nur ein bisschen genippt.

Als ich drei Tage später ihr Bett frisch überzog, fand ich das Rotweinglas neben ihrem Kopfpolster. "Ich dachte, du hättest nur genippt?", sagte ich. "Das hab ich ja auch", antwortete mir die Wombi, "von allem, was da war. Und der Rotwein war übrigens viel zu kalt."

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