Der ehemals größte Studentenkeller Europas hat nicht nur Kaffeeplausch und heiße Beats zu bieten
Puh, das wäre geschafft. Bei manchen Seminaren hat man ja echt das Gefühl, sie zögen sich hin wie zähes Kaugummi. Doch anscheinend hat auch der Prof heute noch etwas vor, und ich kann den schier unergründlichen Tiefen der Linguistik fast zwanzig Minuten früher als geplant den Rücken kehren. Bis zur nächsten Vorlesung habe ich noch jede Menge Zeit. Schnell ein Blick ins Portemonnaie und dann nichts wie ab in die mb. mb? Was ist denn das? Megabyte oder doch eher eine große, deutsche Gesellschaftsspielefirma?
Nein, die mb ist der ehemals größte Studentenkeller Europas und befindet sich gleich hinter dem Augustusplatz, neben der imposanten Hochhausbaustelle. Seit sich die heiligen Hallen, oder besser gesagt Kasematten, der mb nicht mehr in Besitz der Uni Leipzig befinden, ist das riesige Kellerareal nur noch das größte 'studentisch geprägte' Kulturzentrum in Europa. Doch auch wenn die Besitzer gewechselt haben: noch immer zieht es vor allem Studenten in die mb. Des Rätsels Lösung: mb steht für Moritzbastei. Und wann immer in Leipzig eine Freistunde ansteht oder am Wochenende so richtig gefeiert werden soll, ist die Bastei einer der ersten Anlaufpunkte.
Hier bekommt der partygeplagte Student den Kaffee zwischen den Seminarstunden noch für unter zwei Mark. Und der riesige Kakao mit echter Vollmilch und Schlagsahne ist für drei Mark zu haben. Klar, im Eck-Café direkt auf dem Uni-Campus oder aus dem Automaten gibt es den Muntermacher noch billiger. Aber die schönsten und kuscheligsten Kellernischen in ganz Leipzig hat garantiert die Moritzbastei zu bieten. Hier hat vor ein paar Monaten sogar Popsternchen Britney Spears zu tief ins Glas geschaut. Und 'Rosenstolz' sorgte im Sommer auf dem Dach der mb für ach-seufz-melancholische Stimmung.
Wer in Leipzig studiert hat, schaut auch nach Jahren noch mal kurz hinein, um Erinnerungen aufzufrischen. Torsten Reitler ist gleich ganz in der Messestadt geblieben. Der ehemalige Leipziger Student bewarb sich vor rund zwei Jahren um den Job als Referent für Öffentlichkeitsarbeit in der mb. »Es macht einfach riesigen Spaß, hier zu arbeiten. Nicht nur das Programm bietet von Disco über Lesungen bis hin zu Comicausstellungen ein unglaublich breites Spektrum. Auch unsere Gäste sind vom Grufti bis zum Hip-Hopper spannend wie das Programm.« Nicht zu vergessen: Fast 200 studentische Mitarbeiter können in der alten Bastei ihr BAföG aufbessern.
Die mb bietet im Jahr über 300.000 Tanzverrückten und Kulturfreaks einen urgemütlichen Treffpunkt. Die meisten Besucher kommen am Mittwoch oder Samstag zur Disco. In Gewölben wie dem Schwalbennest oder dem Fuchsbau hat sich schon so manches Paar gefunden. Und im Café Barbakane sind in unterirdischen Nischen klirrende Kälte und Hitzeattacken schnell vergessen. Gerade die ungewöhnlichen Kellergewölbe mit unzähligen Gängen, großen Hallen und Backsteinkasematten machen den unverwechselbaren Flair der mb aus. Torsten Reitler: »Die meisten, die das erste Mal in die mb kommen, sind sofort hin und weg, wenn sie das historische Gemäuer sehen.«
Die Moritzbastei wurde von 1551 bis 1553 auf Befehl des sächsischen Kurfürsten Moritz durch den Baumeister Hieronymus Lotter errichtet, nachdem sich die ehemalige Stadtbefestigung als zu schwach erwiesen hatte. Heute ist die mb das letzte erhaltene Stück dieser ehemaligen Schutzbefestigung. In den siebziger Jahren machten sich mehr als 3.000 Studenten an die Umbauarbeit. Anlässlich der Weltfestspiele der Jugend in Berlin wurden Projekte der Freien Deutschen Jugend gefördert. Eins davon war der Ausbau der alten Wehrbastei zum Studentenclub. 1982 wurde die mb auf dem Komplex der damaligen Karl-Marx-Universität eingeweiht. Gut elf Jahre später gab die Universität ihren Studentenkeller an eine gemeinsam von Stadt und Land ins Leben gerufene Stiftung ab. »Dieser selbsttragende Kulturbetrieb ist sicherlich einzigartig in ganz Deutschland«, schwärmt Torsten Reitler. Er freut sich auch, dass die kulturellen Veranstaltungen wie Lesungen oder Theater wieder vermehrt Zuspruch fänden. »Jetzt ist ja Semesterpause. Aber im Sommer werden wir wieder einige tolle Sachen im Programm haben: Vom Open-Air-Kino bis zu ziemlich spannenden Konzert-Events.«
Sabine Heitmann könnte sich ihr Leipzig ohne mb auch nicht mehr vorstellen. Die 23-Jährige studiert Amerikanistik, Kommunikations- und Medienwissenschaften und Russistik im sechsten Semester. Die Schkeuditzerin erzählt: »Seitdem ich hier studiere habe ich schon so manche Stunde in der mb verquatscht. Bei diesem schönen Schummerlicht könnte ich mir kaum etwas besseres vorstellen.« Nur die Discomusik ist manchmal nicht so ganz ihr Fall: »Ich kann in der mb ja zwischen 55 Räumen und bis zu sechs verschiedenen Musikstilen wählen. Aber manchmal habe ich das Gefühl, ich bin gerade jetzt im falschen Gewölbe. Trotzdem: Die mb und ihre Veranstaltungen sind super vielfältig.«
Wer nach Leipzig kommt, sollte es nicht versäumen, der mb für einen Kakao einen Besuch abzustatten oder hier den Samstag zu vertanzen. Wem der Sinn nach Kulturellem steht, kann sich unter www.moritzbastei.de oder im aktuellen Stadtmagazin 'Kreuzer' über das Veranstaltungsangebot informieren. (sh)