Die Aufregung über den Schmähpost des Leipziger Juraprofessors Tim Drygala gegen die Linksfraktionschefin Heidi Reichinnek ebbt nicht ab. Nun hat sich auch die Universität Leipzig, wo der 62-Jährige seinen Lehrstuhl hat, zu Wort gemeldet.
"Aktuell wird rege über einen Post von Jura-Professor Tim Drygala auf dem Kurznachrichtendienst X diskutiert, der sich gegen eine Politikerin richtet", heißt es in einem Statement, das die Uni auf ihrer Homepage veröffentlicht hat.
Allgemein gelte, dass "private Äußerungen, die auf privaten Social-Media-Accounts getätigt werden", durch die Universität "nicht zu verhindern, auch nicht öffentlich zu bewerten" seien. Dies sei unabhängig davon, ob die Äußerungen Mitgliedern der Leitung der Hochschule und der Fakultät missfielen. Das kann man als Hinweis verstehen, dass Drygala mit seinem Verhalten durchaus auch innerhalb der Universität Fragen aufgeworfen hat.
Dann wird in dem Statement begründet, warum sich die Leitung doch zum Schritt an die Öffentlichkeit entschlossen hat. "Anders sieht es aus, wenn Dienstpflichten verletzt werden bzw. gegen das Beamtenrecht verstoßen wird." Dabei will sich die Universität noch nicht festlegen, ob dies auf Drygala zutrifft: "Bevor eine entsprechende rechtliche Bewertung abgeschlossen ist, können wir uns nicht äußern."
Es folgt eine Passage, die wie eine Warnung an den Juristen klingt: "Natürlich fallen auch private Äußerungen mitunter auf die Universität zurück und schaden ihrem Ruf." Deshalb würden "intern" Gespräche geführt, "um das Bewusstsein für Mäßigung, Amtsangemessenheit und Diskriminierungsfreiheit zu stärken".
Dass man mit Drygala über seinen Post im Austausch steht, hatte ein Sprecher der Universität freilich schon vor Tagen der "Leipziger Volkszeitung" auf Anfrage gesagt. Offenbar hat die Leitung bislang nicht den Eindruck gewonnen, dass das Ergebnis zufriedenstellend war. In der kommenden Woche soll Drygala deshalb zum Gespräch mit der Rektorin gebeten werden. Sie habe ihn "eingeladen", steht – diplomatisch formuliert – im Statement.
Wie sehr der Leitung das Verhalten ihres Professors missfällt, macht der letzte Absatz im offiziellen Statement deutlich. Dort wird ausdrücklich betont, dass die Uni "für Weltoffenheit, Meinungsvielfalt und Diskurs" stehe und "nicht für Diskriminierung, Ausgrenzung oder gar Hetze".
Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
Letzteres wird Drygala nach seinem Post vorgeworfen, unter anderem vom linken Studierendenkollektiv Leipzig, aber auch von anderen Kritikern wie dem früheren CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz.
Das stand im umstrittenen Kühlschrank-Post
Ende September hatte Dryagla ein Foto von Linkenfraktionschefin Heidi Reichinnek an seinem Kühlschrank auf "X" gepostet und dazu geschrieben: "Unsere Kühlschranktür schließt schlecht. Man muss immer mit der Faust dagegenschlagen, damit sie richtig zu ist. Damit ich das nicht vergesse, habe ich mir jetzt einen kleinen Reminder gebastelt. Wirkt 1a."
Daraufhin erstattete Heidi Reichinnek Strafanzeige gegen den Juristen.
Zwar löschte Drygala seinen Post nach Protesten vorsichtshalber wieder. Zu diesem Zeitpunkt hatte aber die frühere AfD-Chefin Frauke Petry schon mit einem eigenen Post für eine größere Verbreitung der Originalnachricht gesorgt. Das dürfte auch eigennützige Gründe haben: Petry versucht sich gerade, mit einer neuen politischen Gruppierung zu etablieren ("Team Freiheit"). Drygala hatte seinerseits im Sommer bekannt gemacht, dass er sich für "Team Freiheit" engagieren will. Einem Dokument der Bundeswahlleiterin zufolge fungiert er sogar als ihr Vize-Bundesvorsitzender.
Drygalas Antwort? Offener Spot
Auf das Statement seiner Universität reagierte Drygala spöttisch. "Die Universität Leipzig prüft offenbar ein Disziplinarverfahren, jedenfalls wird das in der Presseerklärung von heute Nachmittag angedeutet", postete er am Dienstag auf "X". Und weiter: "Na viel Spaß. Wenn das durchgeht, kann sie sich gleich in Universität Connewitz umbenennen."
Connewitz ist ein Stadtteil in Leipzig, der als Hotspot der linksradikalen Szene gilt.
Der Juraprofessor beruft sich auf die Meinungsfreiheit und weist Vorwürfe, er propagiere Gewaltfantasien gegen Politikerinnen, zurück. "Es geht nicht um Frauen, sondern um die Person Reichinnek", sagte er der "Leipziger Volkszeitung". Die Linken-Politikerin wolle "den Sozialismus in Deutschland wieder einführen". Mit seinem Post habe er lediglich seine starke Ablehnung gegenüber der Person Reichinnek und ihrer politischen Haltung symbolisch zum Ausdruck bringen wollen. Auch habe er die Äußerungen nicht als Vertreter der Universität, sondern als Privatperson getätigt.
Drygala provoziert weiter
Allerdings scheint Drygala nicht bereit zu sein, zur Beruhigung der Affäre beitragen zu wollen. "Humor ist wie ein Flüchtlingsboot. Kommt nicht immer gut an", postete er vergangene Woche auf "X" in Anspielung auf die Kontroverse um seine Person. An anderer Stelle verglich er die Kritik an ihm mit der Verfolgung von Gegnern des NS-Regimes. "1934 wurde ein Mann verurteilt, weil er ein Hitlerbild fallen ließ, es nicht aufhob, sondern mit dem Fuß darauf trat", schrieb Drygala am Sonntag. "Und heute gibt es Leute, die sich exakt diese Rechtslage zurückwünschen. Und nicht einmal merken, in welche Fußstapfen sie da treten."
Ein merkwürdiger Vergleich vor dem Hintergrund, dass Oppositionellen im totalitären NS-Regime die Todesstrafe bei Beleidigung von Adolf Hitler drohte und dies in mehreren Fällen auch umgesetzt wurde.
Macht Drygala, der seit fast 24 Jahren an der Universität Leipzig lehrt und dort Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht ist, so weiter, könnte ihm ein Disziplinarverfahren und schlimmstenfalls die Absetzung drohen.
Ironie der Geschichte: 2017 begleitete Drygala selbst – damals als Dekan der Fakultät – ein Disziplinarverfahren gegen einen anderen Kollegen. Dieser hatte auf "X" mit Äußerungen, die Kritiker als "rassistisch" einstuften, für Aufsehen gesorgt. In einem Interview mit dem stern sagte Drygala damals, er selbst sei es gewesen, der wegen des Verhaltens des Kollegen die Universitätsleitung darauf aufmerksam gemacht habe. Zuvor sei sein Versuch, den Kollegen zur Vernunft und zu einem gemäßigteren Verhalten zu bewegen, gescheitert.
Den Einwand, die Äußerungen seien privat auf "X" erfolgt, wollte Drygala damals nicht gelten lassen. "Der Professor betont, er tätige seine Aussagen privat – aber natürlich hat dies Rückwirkungen auf das Amt und die Fakultät", urteilte Drygala damals über den Kollegen. "'Privat' ist zu Hause am Kaffeetisch – aber nicht auf Twitter mit 1300 Followern."