An der Universität kommen und gehen jedes Semester zahlreiche Studenten. In Münster tun sie dieses allerdings nicht zu Fuß, sondern im Regelfall mit dem Fahrrad. Und das betrifft nicht nur ein paar Abgänger und Erstsemester, in Münster kann der Austausch des akademischen Nachwuchses schon mal die Einwohnerzahlen einer Kleinstadt übertreffen. Bis zu 5.000 Absolventen verabschieden sich jedes Semester mit ihrem Magister, Diplom oder Doktortitel, auf jeden Fall aber mit dem Drang, die katholische Hochburg Westfalens zu verlassen.
Keine Überraschung: Münster gehört schon seit Jahren zu den größten Universitäten Deutschlands. Rund 46.000 Studenten stehen insgesamt 280.000 Einwohnern gegenüber, in den Semesterferien ändert sich dieses Verhältnis aber radikal zu Gunsten der hiesigen »Ureinwohner«. Überhaupt sollte man in den Ferien nicht auf den Gedanken kommen, das schillernde Nachtleben einer Universitätsstadt erkunden zu wollen - für exakt diesen Zeitraum fällt die Stadt des Westfälischen Friedens nämlich in einen geruhsamen Dämmerzustand, der sich erst mit der Rückkehr der Studenten aus dem gesamten Bundesgebiet auflöst. Ab dem 16. Oktober wird aber auch wieder in Münster das Leben rund um die herausgeputzte Altstadt pulsieren, zumindest in Ansätzen. Die Kneipen werden voller, die Innenstadt wird jünger, und in den Fahrradstraßen herrscht Hochbetrieb.
Fahrradstraßen? Richtig gehört: Der gemeine Verkehrsteilnehmer bewegt sich in Münster nämlich mit dem Rad, mit seiner Leeze durch die Westfalenmetropole. Mehr als 40 Prozent der Fahrten in der Stadt werden auf zwei Rädern absolviert. Und weil Münster nun mal sogar von der Stiftung Warentest als fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands mit dem Prädikat »Sehr Gut« ausgezeichnet wurde, findet man hier auch Fahrradstraßen, Fahrradschleusen und ein Parkhaus für Fahrräder. Nicht zu vergessen die uniformierten Gesetzeshüter, die die wankenden Partygänger auf dem Rad auch gerne ins Röhrchen pusten lassen. Vorsicht ist also angesagt auf dem Heimweg über die Stadtpromenade!
Wer im Nachtleben Münsters nach Geheimtipps sucht, wird nicht fündig werden. Natürlich behauptet jeder Student, die neue Kneipe oder den neuen Club entdeckt zu haben, doch bei der großen Anzahl der Studenten wird jeder Geheimtipp in Rekordgeschwindigkeit zum überlaufenden Massenphänomen. Kein Wunder also, dass am Mittwoch Abend, der von den Studenten zum Feierabend deklariert wurde, eigentlich jede Kneipe rappelvoll ist - mitunter auch die Studenten selbst. Für Erstsemester bietet sich in dieser Atmosphäre eigentlich die beste Gelegenheit, Bekanntschaften zu schließen. Gesprächsthemen dürften ausreichend vorhanden sein, da mehr als 100 Studiengänge die unterschiedlichsten Menschen nach Münster ziehen. Da trifft sich dann die BWL-Studentin im Joop-Hosenanzug mit dem Dreadlocks tragenden Soziologen und unterhält sich mit ihm über die existenzielle Frage, warum es in Münster eigentlich immer regnet. Vielfalt macht es möglich. Und selbst wenn es am Abend noch nicht klappt, die Einladung in eines der zahlreichen Münsteraner Kinos, und sei es das neue, umstrittene Cineplexx, wird bestimmt angenommen. Egal, wie und wo man nun sein Abenteuer Münster beginnt, eines sollte man sich zu Herzen nehmen: alles mit der Ruhe. Das ist nicht nur das Motto der Tendenz zur Glaubensfreiheit in Münster, sondern auch der Leitsatz für alle Studenten. C.T. - du hast immer noch eine Viertelstunde Zeit.(mk)