PARIS Big Bang durch Le Pen

Was denken Pariser Studenten über den Wahlausgang?

Was denken Pariser Studenten über den Wahlausgang?

Am Sonntagabend stand es bereits fest: Der Rechtsradikale Jean-Marie Le Pen von der Front National hatte sich mit 16,91 Prozent der Stimmen in die zweite Runde der französischen Präsidentschaftswahlen katapultiert. Er wird nun am 5. Mai gegen Staatspräsident Jacques Chirac für das höchste Amt des Staates antreten. Lionel Jospin, dessen Teilnahme an der zweiten Runde so gut wie sicher galt, zog die Konsequenzen aus seiner Wahlschlappe und kündigte seinen Rücktritt an.

»Ich bin geschockt. Das hätte ich nie im Leben erwartet«, sagt Claire eine 23-jährige Studentin, die bald ihr Referendariat antreten wird. Sie ist froh, dass sie den zweistündigen Weg von einer Familienfeier zum Wahllokal auf sich genommen hat. Sie gehört nicht zu den rund 30 Prozent der Nichtwähler, die den Ausgang der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am vergangenen Sonntag mitbestimmt haben.

Als das Ergebnis deutlich wurde, hielt Frankreich für einen Moment den Atem an. Noch in der Nacht kam es zu etlichen Demonstrationen vor allem junger Franzosen.

Unglaublich hatte es allen geschienen, dass ein rechter Demagoge, der Auschwitz schon mal »als historisches Detail« bezeichnete, sich für die nun folgende Entscheidung im Präsidentschaftswahlkampf qualifizieren könnte. Geschlossen stellten sich die demokratischen Politiker hinter Chirac, um noch größeren Schaden von ihrer Demokratie abzuwenden.

Erstaunen und Erschrecken

Entgegen vieler anders lautender Berichte waren es nicht die Jungen, die in der Mehrheit Le Pen gewählt haben. Die Mehrzahl der Le Pen-Wähler sind über 50 Jahre alt. Bei den jungen Wählern kam er an fünfter Stelle.

In Paris herrscht Ratlosigkeit und Entsetzen. Ein wunder Punkt ist getroffen und hat das Klima schlagartig verändert. Franzosen, die ansonsten eher zurückhaltend sind mit ihrer politischen Meinung, tuscheln in Metros und auf der Strasse. Sie drehen sich in Warteschlangen um, um klarzustellen, dass auch sie der Meinung sind, dieses Wahlergebnis sei unglaublich.

Vor allem der Süden Frankeichs, wo viele Einwanderer aus dem Maghreb und den arabischen Staaten leben, haben ihre Stimme Le Pen gegeben. Der hatte hauptsächlich mit den Themen Sicherheit und Arbeit seinen Wahlkampf bestritten und sich vor allzu plumpen ausländerfeindlichen Sprüchen gehütet. Sein Wahlprogramm spricht allerdings eine andere Sprache. Einer der zum Thema Sicherheit angeführten Punkte ist die Wiedereinführung der Todesstrafe.

Nicht die Jugend Frankreichs hat Le Pen seine knapp 17 Prozent beschert. Denn sie haben ihre Haltung demonstrativ gezeigt. »Musste der Schock sein?«, fragt Jean-Baptiste, 24 Jahre alt. »Es ist dennoch eine Schande.« Das Wahlergebnis vom Sonntag hat aufgerüttelt. (kl)

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