Scoring Kundenauslese bei Unternehmen

Sie haben sich schon einmal bei Ihrem Strom- oder Mobiltelefonanbieter beschwert? Dann haben Sie Pech gehabt, Sie sind ein schlechter Kunde. Und werden in Zukunft entsprechend bedient - nämlich gar nicht.

Nicht jeder Kunde ist bei Unternehmen beliebt, geschweige erwünscht. Wer in einem so genannten "schlechten" Wohnviertel lebt, in einer Gegend mit vielen Hartz-IV-Empfängern oder sich bereits einmal über das Unternehmen beschwert hat, verfügt über einen schlechten Scorewert - und ist ein schlechter Kunde.

Damit Call-Center "gute" und "schlechte" Kunden identifizieren können, bedienen sie sich des Scorings. Ein Verfahren, dass dem Konsumenten anhand diverser Daten eine Schulnote von 1 bis 10 zuweist. Mit dem Scoring werden aber keineswegs nur die angeblich wenig Zahlungskräftigen herausgefiltert, sondern auch die Widerspruchsgeister.

Und der Scorewert ist schnell ermittelt. Nicht mehr nur Kreditauskunfteien wie die Schufa oder Creditreform liefern diese Werte, sondern auch darauf spezialisierte Unternehmen wie "SAS Credit Scoring". Der Weltmarktführer SAS beispielsweise stattet zahlreiche Banken, Versicherungen und Unternehmen mit einer speziellen Software aus, die je nach Branche maßgeschneiderte Kundenprofile erstellt.

Aber auch der Konsument selber liefert entsprechende Daten. Wer zum Beispiel mit Kunden- oder Kreditkarte zahlt, informiert über eingekaufte Waren und wie viel er dafür bezahlt hat. Aber auch darüber, ob sein Konto leer war und eine Abbuchung geplatzt ist.

Was ist das Scoring?

Beim Scoring handelt es sich um ein Verfahren, das auf mathematisch statistischer Grundlage Risikoklassen bildet, denen dann Kaufinteressenten zugeordnet werden. Die Einteilung in eine Risikoklasse zeichnet dann angeblich ein Bild deren Bonität.

Bessere Kunden ziehen auf dem digitalen Abstellgleis vorbei

Nachdem der Konsument seine Note erhalten hat, wird er mit seinem Kundenprofil in einer Datenbank vermerkt. "Gute" Kunden beispielsweise werden bei Call-Centern grundsätzlich vorrangig behandelt - ziehen sozusagen in der Warteschleife an den "schlechten" Kunden vorbei. Letztere landen somit auf dem digitalen Abstellgleis und erwischen nur den Sprachcomputer. Denn anhand der Rufnummernübermittlung erkennt der Computer schnell, wer gerade anruft und leitet das entsprechende Kundenprofil an den bearbeitenden Call-Center-Mitarbeiter weiter.

Problematisch ist an diesem Verfahren, dass der Konsument nichts von seiner "Benotung" erfährt, sondern von einem Computer anhand seiner Schulnote einfach in eine Schublade "gesteckt" wird - egal ob zu Recht oder nicht. Für Thilo Weichert, Landesbeauftragter für den Datenschutz in Schleswig-Holstein, liegt "die größte Schweinerei darin, dass die Konsumenten, dass die Verbraucher überhaupt nicht erfahren, dass mit ihren Daten solche Scorewerte berechnet werden". Verbraucher- und Datenschützer fordern deshalb mehr Transparenz, denn das Scoring-Verfahren nimmt den Betroffenen die Möglichkeit, selbst über ihr Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit zu entscheiden.

Wie wird ein Scorewert ermittelt?

Dem Konsumenten wird eine Punktzahl (englisch: "score") zugeordnet, die sich aus diversen Daten wie Wohnort, Alter, Geschlecht, Beruf, Einkommen, Vermögen, Kontostand zusammensetzt. Hohe Punktzahl bedeutet guter Kunde, niedrige Punktzahl schlechter Kunde.
Es gibt fünf verschiede Scorewerte: Für Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken, Handel, Versandhandel und für Telekommunikationsunternehmen.

Konsumenten haben keine Chance, ihre Situation zu verändern

Aber nicht nur Call-Center arbeiten mit einem Kunden-Raster. Beim Versandhandel entscheidet der Scorewert ebenfalls über den Umgang: Wer in einer schlechten Wohngegend lebt, erhält die Ware nur auf Rechnung. Auch wer sich über seine zu hohe Stromrechnung beschwert und nicht zahlt, ist nicht besser dran. Auch Stromversorger arbeiten mit großen Datenbanken und Rastern - "schlechten" Kunden könnte dann schneller der Strom abgestellt werden.

Ein weiteres Problem beim Scoring, von einer nicht bezahlten Rechnung oder einer Beschwerde - aus welchen Gründen auch immer - wird ein allgemeines Verhalten abgeleitet. Und der Konsument erfährt weder von seiner Schulnote, noch kommt er aus dieser Schublade heraus. Er hat also keine Chance, seine Situation zu verändern.

Welche Unternehmen sich des Scorings bedienen, ist Betriebsgeheimnis. Eines ist jedoch sicher: Bei Großunternehmen ist die Kundenbewertung weit verbreitet. Das Scoring ist jedoch nicht nur für Konsumenten ein Nachteil, sondern auch für Unternehmen, denn im Zweifel verlieren sie gute Kunden.

Sabine Hockling

PRODUKTE & TIPPS