Streit ums Erbe Der Pflichtteil - Notanker des Enterbten

  • von Bernhard F. Klinger
Nicht ärgern: "Enterbt" heißt nicht, dass Angehörige leer ausgehen
Nicht ärgern: "Enterbt" heißt nicht, dass Angehörige leer ausgehen
© Colourbox
Der Schock sitzt tief: Bei der Eröffnung des Testaments kommt zu Tage, dass der verstorbene Vater nur sein "Lieblingskind" als Erben eingesetzt hat. Manchmal gehen sogar alle vermeintlichen Erben leer aus. Bleibt nur der Pflichteil - doch der kann auch Vorteile mit sich bringen.

Immer wieder erfahren hoffnungsfrohe Kinder bei der Testamentseröffnung, dass es dem Vater gefallen hat, ausschließlich gemeinnützige Organisationen oder seine letzte Geliebte als Erben einzusetzen. Ärger über die unerwartete Schmach und unnötige Strafaktion mischt sich mit der Wut über die als ungerecht empfundene Benachteiligung und dem Schmerz, dass das beachtliche Vermögen des Verstorbenen ein für alle Mal "weg" sei.

Doch "enterbt" bedeutet nicht, dass alle Felle davonschwimmen. Auch enterbte Verwandte und Ehegatten können erben, genauer gesagt, ein halbes Erbe namens "Pflichtteil" in Anspruch nehmen. Der Pflichtteil kann gegenüber einem Erbteil sogar erhebliche Vorteile haben. Er ist schon wenige Wochen nach dem Erbfall in Bargeld auszuzahlen. Der Pflichtteilsberechtigte muss sich nicht mit Nachlassgegenständen von zweifelhaftem Wert – zum Beispiel alten Autos kurz vor der Schrottpresse und windschiefen Immobilien in entvölkerten Regionen – herumschlagen. Auch Schulden, Vermächtnisse und Auflagen des Erblassers können ihm egal sein. Er fordert schlicht und einfach von den Erben seinen Pflichtteil, das heißt, einen Geldbetrag.

Hervorragende Verhandlungsposition

Gegenüber den Erben haben Pflichtteilsberechtigte sogar eine hervorragende Verhandlungsposition. Denn wenn die Erben den Geldbetrag nicht sofort in bar bezahlen können, müssen sie dem Pflichtteilsberechtigten entgegenkommen, zum Beispiel einen begehrten Nachlassgegenstand anstelle von Geld übereignen – auf so ein Geschäft muss sich aber kein Pflichtteilsberechtigter einlassen. Doch wie wird der Pflichtteil berechnet? Wie können Enterbte dafür sorgen, dass sie von den per Testament eingesetzten Erben nicht übervorteilt werden?

Entscheidend für die Berechnung des Pflichtteils ist das Nachlassverzeichnis. Ein Pflichtteilsberechtigter hat Anspruch auf Auskünfte und auf Beteiligung an der Erstellung des Nachlassverzeichnisses. Er kann auch Forderungen stellen, zum Beispiel, dass das Nachlassverzeichnis von einem Notar erstellt wird. Aus dem erstellten Nachlassverzeichnis wird nach Abzug der Schulden der Nachlass-Wert berechnet und dann der Wert des gesetzlich vorgesehen Erbteils durch zwei geteilt.

Web-Tipp

Ausführliche Informationen zum Erbrecht von A bis Z finden sie auch unter www.ndeex.de/erbrecht_a-z.html

Häufig können Pflichtteilsberechtigte auch noch weitere Geldbeträge beanspruchen. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Verstorbene vor seinem Tod Geld, Immobilien oder andere Wertgegenstände verschenkt hat. In solchen Fällen kann sich aus dem verschenkten Vermögen ein ergänzender Pflichtteil ergeben. Doch hier kommt es ganz entscheidend auf den Zeitpunkt der Schenkung und andere wesentliche Details an. Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche sind meist nur mit Hilfe von Erbrechtsexperten durchzusetzen.

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